Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Anfechtungsklage. Zuständigkeit der Schiedsstelle des Landes Baden-Württemberg. ordnungsgemäße Besetzung. eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Festsetzung eines höheren Vergütungssatzes. gesondert berechnete Investitionskosten. Vorliegen der Voraussetzungen für eine Neufestsetzung. unvorhersehbare wesentliche Änderung. Verwirklichung vertraglicher Risiken

 

Orientierungssatz

1. Die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) ist die richtige Klageart gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12.

2. Die Schiedsstelle des Landes Baden-Württemberg war hier zuständig, da die Einrichtung, für die eine Entscheidung über die Vergütungssätze für Investitionskosten begehrt wird, im Bereich dieser Schiedsstelle gelegen ist. Auf den Sitz des Einrichtungsträgers ist nicht abzustellen.

3. Angesichts der vom Gesetzgeber bewusst gewählten Zusammensetzung der Schiedsstelle und der Bestimmung der Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder kann allein der Vortrag, ein Mitglied sei - auf welcher Seite auch immer - bei Verhandlungen über die streitigen Vergütungssätze bereits beteiligt gewesen, nicht die Annahme einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung begründen.

4. Die Entscheidung der Schiedsstelle ist gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfen. Zu überprüfen ist ausschließlich, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren erfolgt ist und alle erforderlichen Erkenntnisse gewonnen worden sind, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist.

5. Die allein der Beurteilungskompetenz der Schiedsstelle unterliegende Definition und Ausfüllung der im Rahmen der zu ersetzenden Vereinbarung zu beachtenden Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit erfasst nicht auch die Frage, ob überhaupt eine Sachlage zur Ersetzung einer Vereinbarung vorliegt.

6. Während der Laufzeit einer Vereinbarung ist eine Neufestsetzung nach Neuverhandlungen nur unter den Voraussetzungen des § 77 Abs 3 SGB 12, also bei unvorhersehbaren wesentlichen Änderungen der Annahmen, die der laufenden Vereinbarung zugrunde lagen, möglich.

7. Eine wesentliche und bei Vertragsschluss unvorhersehbare Änderung iS des § 77 Abs 3 SGB 12 ist dann anzunehmen, wenn eine Änderung eingetreten ist, mit der die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung nicht rechnen mussten, und bei objektiver Betrachtung davon ausgegangen werden muss, dass die Vereinbarung unter diesen Umständen nicht mit demselben Ergebnis geschlossen worden wäre.

8. Eine unvorhersehbare wesentliche Änderung iS des § 77 Abs 3 SGB 12 ist nicht schon dann anzunehmen, wenn sich ein Risiko der getroffenen Vereinbarung für eine Vertragspartei verwirklicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.10.2015; Aktenzeichen B 8 SO 1/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 197.181,20 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung des Schiedsspruches der Schiedsstelle nach § 80 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - des Landes Baden-Württemberg - BW - über die Festsetzung des Investitionskostensatzes für den Betrieb eines Pflegeheimes ab 1. Oktober 2009 bis 31. Dezember 2010.

Die Klägerin ist eine seit dem 9.6.2005 im Handelsregister Berlin eingetragene Gesellschaft, die die Einrichtung zur vollstationären Pflege “KDGHFG" betreibt. Die Pflegeeinrichtung ist nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI - zugelassenen und nicht nach Landesrecht gefördert worden. Die Klägerin betreibt diese Einrichtung seit Mai 2004, zunächst unter dem Namen hc in einem aufgrund Pachtvertrag vom 13.01.2003 von der AW GmbH gepachteten Objekt für 131 vollstationäre Dauerpflegeplätze und sechs Plätze für Kurzzeitpflege.

Unter Einreichung des Pachtvertrages, eines Leistungs- und Entgeltkatalogs und einer Aufstellung der gepachteten Flächen und vorgesehenen Nutzung beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 07. Januar 2004 die Genehmigung der gesonderten Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI - und “einen pflegetäglichen Investitionsaufwand in Höhe von 16,90 €„. Das Schreiben war auch mit “Vereinbarung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen nach § 93 Abs. 3 und 7 BSHG ….„ überschrieben. Mit Schreiben vom 15. März 2004 zeigte die Klägerin beim Landeswohlfahrtsverband Baden die gesonderte Berechnung betriebsnotwendiger Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 SGB XI an und fügte der Anzeige eine Berechnung der Investitionskosten/Seniorenzentrum G für den Zeitraum vom 01.05.2004 bis 31.04.2009 bei, mit der die Investitionskosten je Platz mit durchschnittlich 17,90 € veranschlagt wurden. Mit dem Schreiben wurde ausgeführt, dass die Investivaufwendungen einen Zeitraum von fünf Jahren, bis zum 1. Mai 2009, “beinhalten sollen„. Der Landeswohl...

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