Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Rückforderungsbescheide über Leistungen nach dem SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Gericht die kraft Gesetzes bereits eingetretene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ausdrücklich festzustellen, wenn die Behörde die gegebene Rechtslage nicht beachtet.

2. Nur der Aufhebungsbescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB 2 entscheidet über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende i. S. von § 39 Nr. 1 SGB 2, nicht aber der entsprechende Rückforderungsbescheid. Deshalb ist auf Antrag die aufschiebende Wirkung der gegen letzteren erhobenen Widerspruch bzw. Anfechtungsklage anzuordnen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. April 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die von der Antragstellerin am 13. März 2006 erhobene Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für die Verfahren vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht zu erstatten.

Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt W. K. beigeordnet, Raten aus dem Einkommen oder Vermögen sind nicht zu zahlen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen Rückforderungsbescheid.

Die 1984 geborene Antragstellerin beantragte am 1. November 2004 für sich und den mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden T M sowie den gemeinsamen 2004 geborenen Sohn L A Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Die Antragsgegnerin bewilligte durch Bescheid vom 29. November 2004 Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 949,94 €. Auf den am 9. Juni 2005 gestellten Antrag auf Fortzahlung der Leistungen bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. Juni 2005 Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 in Höhe von monatlich 1103,94 €. Auf erneuten Fortzahlungsantrag vom 7. November 2005 bewilligte sie durch Bescheid vom 18. November 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Mai 2006 Leistungen wieder in Höhe von monatlich 949,94 €.

Mit weiterem Bescheid vom 18. November 2005 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung vom 23. Juni 2005 teilweise auf und setzte die für Dezember 2005 zustehenden Leistungen auf 949,94 € fest. Mit Schreiben vom selben Tage hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu an, dass sie die Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monatlich 154 € überzahlt habe, da Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt worden sei. Die Antragstellerin habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, sie jedoch erkennen können. Nachdem die Antragstellerin erklärt hatte, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei und das Geld verbraucht habe, hob die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 8. Dezember 2005 die Bewilligung der Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monatlich 154 € teilweise auf. Zur Begründung verwies sie auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X). Die Antragstellerin habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt habe. Die Überzahlung in Höhe von 770 € sei zu erstatten. Die Antragstellerin erhob Widerspruch und beantragte, die sofortige Vollziehbarkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides auszusetzen.

Die Antragstellerin wies durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2006 den Widerspruch und den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Rücknahme des Bewilligungsbescheides nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X rechtmäßig sei. Die Antragstellerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil höhere Leistungen bewilligt worden seien, ohne dass eine Änderung der persönlichen oder finanziellen Verhältnisse vorgelegen habe. Deswegen habe offensichtlich Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden. Die überzahlten Leistungen seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Auch der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei unbegründet. Nach § 39 SGB II hätten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung entscheide, keine aufschiebende Wirkung. Besondere Umstände, die trotz des vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollten Vorrangs des Vollziehungsinteresses eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat die Antragstellerin am 13. März 2006 Klage erhoben und die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit des Rückforderungsbetrages beantragt. Das Sozialgericht Cottbus hat durch Beschluss vom 10. April 2006 den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sow...

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