Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Streitigkeiten über Abrechnung nach der Coronavirus-Testverordnung. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

 

Leitsatz (amtlich)

Für Streitigkeiten über die Abrechnung von Leistungen nach § 7 TestV (juris: CoronaTestV 2021-10) ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.06.2023; Aktenzeichen B 6 SF 1/23 R)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in Berlin, die im Auftrag des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) eine Coronateststation zur Durchführung von kostenlosen Bürgertests nach § 4a der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung - TestV) betrieb.

Sie rechnete auf Grundlage der TestV die erbrachten Leistungen gegenüber der Beklagten ab. Für den vorliegend streitigen Monat April 2022 machte Sie eine Vergütung für 3.447 Abstriche einschließlich Sachkosten geltend. Mit Bescheid vom 25. August 2022, geändert durch Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2022, setzte die Beklagte eine Vergütung in Höhe von 17.250,00 Euro fest, berücksichtigte dabei aber eine Testkapazität im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 TestV von nur 1.500 Abstrichen (30 Tage, 50 Tests täglich). Die bereits vorgenommene Auszahlung von 38.675,34 Euro für den Monat April 2022 werde zu gegebener Zeit verrechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen (Bl. a bis d der Gerichtsakte).

Hiergegen hat die Klägerin am 25. November 2022 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie verfolgt das Ziel der Bewilligung einer Testkapazität von 3.447 mit der Folge der abschließenden Festsetzung einer Vergütung für den Monat April 2022 in Höhe von 38.675,34 Euro.

Das Sozialgericht Berlin hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach erfolgter Anhörung mit Beschluss vom 19. Dezember 2022 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat das SG Berlin ausgeführt, dass gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei, da eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorliege. Es handele sich bei dem Rechtsstreit um keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung. Dass die TestV ihre Grundlage in § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) finde, mache die darin geregelten Leistungen nicht zu solchen der GKV bzw. des Sozialversicherungsrechts. Ein Testanspruch bestehe weder gegenüber der Krankenkasse noch gegenüber der Beklagte, sondern gegenüber dem ÖGD. Die Testungen würden zudem nicht durch Beiträge der Versicherten der GKV finanziert, die finanziellen Lasten trage gem. §§ 14, 15 TestV allein der Bund. Es liege auch keine Angelegenheit des Vertragsarztrechts vor, da die Klägerin keine Leistungen innerhalb des vertragsärztlichen Systems oder der vertragsärztlichen Versorgung erbringe. Leistungszuständig sei vielmehr der ÖGD. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Abrechnung der Leistungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), da diese nicht im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags aus § 75 Abs. 1 SGB V tätig würden. Sie erbrächten keine eigenen Leistungen, sondern nur solche im Auftrag des ÖGD. Die Tatsache, dass die Abrechnungs- und Plausibilitätsprüfung der Beklagte im Rahmen der vertragsärztlichen Leistungserbringung von den Sozialgerichten geprüft werde, sei nicht rechtswegsbestimmend. Maßgeblich sei, dass die Rechtsnormen, aus denen die Beklagte den angefochtenen Bescheid abgeleitet habe, nicht dem Recht der Krankenversicherung zuzuordnen sei. Daraus, dass der Gesetzgeber in § 68 Abs. 1a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) den Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten über Ansprüche nach einer auf Grund des § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a SGB V erlassenen Verordnung geregelt habe, könne aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm nicht im Gegenschluss abgeleitet werden, dass für die aufgrund von § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b SGB V erlassene TestV der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sein sollte.

Hiergegen hat die Beklagte am 9. Januar 2023 Beschwerde zum Landessozialgericht erhoben. Sie ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei, da es sich um eine Angelegenheit auf dem Gebiet der Krankenversicherung handele. Hierunter fielen Angelegenheiten, die sich aus der Wahrnehmung und Erfüllung der nach dem SGB V zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben ergäben. Vorl...

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