Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt. Prozessunfähigkeit

 

Orientierungssatz

Steht ein Hilfebedürftiger bezüglich der Vertretung vor Gerichten unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt, ist er wie ein partiell beschränkter Geschäftsfähiger zu behandeln und deswegen prozessunfähig (vgl BGH vom 11.4.2002 - BLw 33/01). Genehmigt der Betreuer die Einlegung der Berufung nicht, ist sie entsprechend § 182 Abs 1 BGB unwirksam.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.02.2010; Aktenzeichen B 14 AS 141/09 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. März 2006 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der am 1956 geborene Kläger steht jedenfalls seit dem 25. September 2006 unter Betreuung, für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden und Gerichten wurde ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Am 28. September 2005 hat er sich mit einem Schreiben an das Sozialgericht Berlin gewandt, das dort als Klage registriert worden ist. Er hat vorgetragen, dass er ohne Geld verhungern werde und auch seine Miete zahlen müsse, und Leistungen vom JobCenter verlangt.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 1. März 2006 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass den Schreiben des Klägers weder ein konkreter Vorgang noch ein eingrenzbarer Verwaltungsvorgang entnommen werden könne. Deswegen sei die Klage mangels eines erkennbaren Regelungsgegenstandes unzulässig.

Gegen den ihm am 7. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 10. März 2006 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger weist darauf hin, dass er Asyl in der Schweiz suchen werde. Der Gerichtsbescheid sei ohne vorherige Anhörung erlassen worden, auch sei ihm kein Notanwalt beigeordnet worden. Eine Mietkaution sei unterschlagen worden. Die Warmwasserpauschale stelle sich als Betrug und Unterschlagung dar, weil kein Warmwasser verbraucht worden sei. Auch die Heizung sei nicht in Betrieb gewesen. Rechtsanwalt U... R... habe nicht das Recht gehabt, ihn in einem Betreuungsverfahren zu vertreten.

Dem Vorbringen des Klägers ist ein Antrag nicht zu entnehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf einen Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2005, in dem im Einzelnen begründet wird, in welcher Höhe dem Kläger Leistungen nach dem SGB II zustehen.

Der Betreuer des Klägers hat auf Anfrage des Senats erklärt, dass er die Berufung nicht genehmige. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Nach § 158 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - ist die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Denn sie ist nicht wirksam eingelegt worden. Der Kläger steht im Hinblick auf die Vertretung vor Gerichten unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt. Soweit ein Betreuter unter Einwilligungsvorbehalt steht, ist er wie ein partiell beschränkt Geschäftsfähiger zu behandeln und deswegen prozessunfähig (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss v. 11. April 2002 - BLw 33/01 -). Da der Betreuer des Klägers die Einlegung der Berufung nicht genehmigt hat, ist sie entsprechend § 182 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches unwirksam.

Die gleichwohl vom Kläger betriebene Berufung ist mangels dessen Prozessfähigkeit (§ 71 SGG) unzulässig und war nach § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen, da diese Vorschrift nicht nur die besonders genannten Mängel, sondern alle Fälle der Unzulässigkeit erfasst (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 158 Rdnr. 5).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2340851

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