Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II. Selbsthilfemöglichkeit bei drohendem Verlust der derzeit bewohnten Wohnung

 

Orientierungssatz

1. Das dem Grundsicherungsträger bei der Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB 2 eingeräumte Ermessen ist für den Fall eingeschränkt, dass Wohnungslosigkeit droht. In diesem Fall sieht das Gesetz im Regelfall einen Anspruch auf Übernahme der Schulden vor. Diese ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine drohender Obdachlosigkeit vergleichbare Notlage vom Leistungsberechtigten nicht selbst beseitigt werden kann.

2. Drohende Wohnungslosigkeit ist nur dann zu bejahen, wenn die bisher bewohnte Wohnung gefährdet ist, eine andere Wohnung auf dem Wohnungsmarkt nicht angemietet werden kann und daher eine Unterbringung in einer Notunterkunft erforderlich wäre.

3. Verfügt der Vermieter zwar über einen Räumungstitel, macht er aber offenbar keine weiteren Rechte aus dem Titel geltend, so ist drohende Wohnungslosigkeit zu verneinen. Dies gilt erst recht dann, wenn der Grundsicherungsträger inzwischen die Miete direkt dem Vermieter überweist.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 02. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme bestehender Verbindlichkeiten aus einem Mitverhältnis in Höhe von 2876,54 Euro (Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding vom 23.10.2008, Az.: 12a C 217/08) im Wege eines Darlehens.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit in der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die begehrte Übernahme der gegenüber seinem Vermieter bestehenden Verbindlichkeiten nicht glaubhaft gemacht.

Die Übernahme von Schulden aus Mitteln der Sozialhilfe ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - in Betracht. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Abs. 5 Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit droht (§ 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Entscheidung über die Bewilligung der Übernahme von Schulden im Wege der Gewährung eines Darlehens steht im pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners. Das Ermessen ist im Rahmen der Sonderregelung des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II für den Fall eingeschränkt, dass Wohnungslosigkeit droht. In diesem Fall sieht das Gesetz im Regelfall einen Anspruch auf Übernahme der Schulden vor. § 22 Abs. 5 SGB II setzt voraus, dass die Übernahme der Schulden im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Übernahme von Schulden ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine drohender Obdachlosigkeit vergleichbare Notlage vom Leistungsberechtigten nicht selbst beseitigt werden kann (OVG Münster v. 28.04.1999, 24 A 4785/97, FEVS 51, 89, 91). Dabei sind Selbsthilfemöglichkeiten des Leistungsberechtigten, seine wirtschaftliche Situation und seine Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen.

Der Antragsteller hat hier schon nicht glaubhaft gemacht, dass Wohnungslosigkeit droht. Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die bisher bewohnte Wohnung gefährdet ist, eine andere Wohnung auf dem Wohnungsmarkt nicht angemietet werden kann und daher eine Unterbringung in einer Notunterkunft erforderlich wäre (LSG Berlin-Brandenburg v. 12.05.2009, L 34 AS 792/09 B ER, juris; v. 09.11.2005, L 23 B 1029/05 SO ER zu § 34 SGB XII).

Der Antragsteller hat schon nicht glaubhaft gemacht, dass seine derzeitige Unterkunft gefährdet ist. Zwar verfügt der Vermieter seit dem 23. Oktober 2008 über einen Räumungstitel und ist der Antragsteller danach verpflichtet gewesen, die von ihm bewohnte Wohnung bis zum 15. Dezember 2008 zu räumen. Offenbar macht jedoch der Vermieter keine weiteren Rechte aus dem Titel geltend, denn der Antragsteller ist der Verpflichtung nicht nachgekommen und bewohnt noch immer diese Wohnung. Seit August 2008 wird die Miete auch von dem Antragsgegner direkt an den Vermieter geleistet, so dass dieser offenbar von der Durchsetzung des Räumungstitels Abstan...

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