Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. fehlendes Rechtsschutzinteresse. Umfang der prozessualen Mitwirkungspflicht. Vereitelung der Kontaktaufnahme. unzulässige Rechtsausübung. Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs 1 SGG. rechtliches Gehör

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (hier: Berufung) erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (Anschluss an BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R = SozR 4-2700 § 136 Nr 3).

2. Vereitelt ein Beteiligter vorsätzlich jede Kontaktaufnahme durch das Gericht, fehlt es an dem erforderlichen Mindestmaß an prozessualer Mitwirkung, das ein zulässiges Rechtsschutzbegehren voraussetzt.

3. Vor der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs 1 SGG ist dem betroffenen Beteiligten rechtliches Gehör in der qualifizierten Form einer persönlichen Anhörung zu gewähren (Anschluss an BSG vom 5.5.1993 - 9/9a RVg 5/92 = SozR 3-1500 § 71 Nr 1).

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2007 (S 8 R 8131/06), vom 17. August 2007 (S 21 R 588/07), vom 30. Juli 2008 (S 21 R 4091/07 und S 21 R 6805/07) und vom 6. Oktober 2008 (S 21 R 3241/08 und S 21 R 5358/08) sowie die vom Kläger am 10. Januar 2008 unter Hinweis auf das Klageverfahren S 21 R 7454/07 eingelegte Berufung werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger gewährten Altersrente; vornehmlich ist über die Zulässigkeit der Berufungen zu entscheiden.

Der am … 1937 geborene Kläger bezieht seit 1. Februar 1992 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, seit 1. Januar 2003 Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 7. Februar 2003). Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 23. Mai 2005 wandte sich der Kläger gegen die Abführung von Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe des allgemeinen Beitragssatzes. Die Beklagte wertete das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), lehnte den Antrag aber mit Bescheid vom 13. Juni 2006 ab. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser zusätzlich eine Rentenerhöhung zum 1. Juli 2006 forderte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2006 zurück. Die am 6. November 2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2007 (S 8 R 8131/06) abgewiesen.

Am 12. Januar 2007 hat der Kläger beim SG eine auf Bescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2006 gerichtete Untätigkeitsklage erhoben (S 21 R 588/07). Mit dem genannten Bescheid hatte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Rentenbescheids vom 7. Februar 2003 gemäß § 44 SGB X abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2007 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Dieser ist am 15. Mai 2007 zugestellt worden; der Kläger hatte zuvor die Annahme von Schreiben der Beklagten verweigert. Mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger seine Klage nicht umgestellt, sondern gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2007 eine weitere Klage (S 21 R 4091/07) erhoben habe, sei die Untätigkeitsklage unzulässig. Die am 23. Mai 2007 unter dem Az. S 21 R 4091/07 erhobene Klage, mit der der Kläger die Rückzahlung eingezahlter Höherversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 27.000,- € zuzüglich fünf Prozent Zinsen begehrt hat, ist mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2008 zurückgewiesen worden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge bestehe nicht. Ausweislich eines Aktenvermerks des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 6. August 2008 ist der Gerichtsbescheid zugestellt worden, wurde aber vom Kläger im ungeöffneten Umschlag zurückgesandt. Es werde davon ausgegangen, dass der Kläger die Annahme verweigere, nicht mit Zustellungsurkunde übersandte Schreiben des Gerichts schicke der Kläger generell ungeöffnet zurück. Mit seiner am 11. September 2007 beim SG erhobenen (weiteren) Untätigkeitsklage (S 21 R 6805/07) hat der Kläger Auskunft über den Verbleib seiner Höherversicherungsbeiträge begehrt; mit der am 10. Oktober 2007 erhobene Klage (Az. ursprünglich S 21 R 7454/07) hat er (wiederum) die Auszahlung dieser Beiträge verlangt und sich (erneut) gegen den Abzug des Beitrags zur Krankenkasse gewandt. Das SG hat diese Klagen mit Beschluss vom 24. Januar 2008 unter dem Az. S 21 R 6805/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen und mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2008 beide Klagen (als unzulässig) abgewiesen. Eine erneute vom Kläger am 30. April 2008 erhobene - wieder auf Gewährung höherer Rente aus seiner Höherversicherung gerichtete - Untätigkeitsklage (S 21 R 3241/08) hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2008 abgewiesen. Mit weiterem Gerichtsbescheid vom selben Tag hat das SG die zuvor ruhenden - unter dem Az...

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