Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Verbindlichkeit der Festlegung des Gesamtpunktzahlvolumens durch Zulassungsausschuss (ZA) bei Jobsharing. Beantragung einer Erweiterung durch Kassenärztliche Vereinigung beim ZA. Bindung der Gerichte an festgesetztes Gesamtpunktzahlvolumen. Abweichungen nur in singulären Sonderfällen bei Vertrauensschutz oder Verwirkung

 

Orientierungssatz

1. Die Festlegung des Gesamtpunktzahlvolumens bei Jobsharing durch den Zulassungsausschuss (ZA) ist für alle Beteiligten, auch für eine Kassenärztliche Vereinigung verbindlich (vgl LSG Stuttgart vom 29.8.2012 - L 5 KA 2439/10 und LSG Darmstadt vom 12.12.2007 - L 4 KA 62/06).

2. Hält eine Kassenärztliche Vereinigung die Erbringung zusätzlicher vertragsärztlicher Leistungen und damit die Erweiterung der Leistungsmenge zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 S 1 SGB 5) für erforderlich, muss sie ggf die Zulassungsinstanzen einschalten und etwa auf die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen (§ 24 ÄBedarfsplRL) durch den ZA hinwirken oder bei diesem gemäß § 23e S 3 ÄBedarfsplRL (§ 28k ÄBedarfsplRL) die Anpassung des Gesamtpunktzahlvolumens einer Jobsharing-Praxis bzw eine Ausnahme von dieser Leistungsbegrenzung (§ 101 Abs 1 S 1 Nr 5 Halbs 1 SGB 5 aE) beantragen.

3. Die Gerichte sind im Vergütungsstreit, bei der Rechtskontrolle von Honorar- oder Berichtigungsbescheiden, ebenfalls an das vom ZA festgesetzte Gesamtpunktzahlvolumen bei Jobsharing gebunden. Die Festlegung des ZA ist im Vergütungsstreit nicht (inzident) zu überprüfen. Abweichungen sind nur in singulären Sonderfällen nach Maßgabe der Rechtsgrundsätze zum Vertrauensschutz oder zur Verwirkung möglich. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass die Kassenärztliche Vereinigung ausnahmsweise Honorar nicht zurückfordern darf, das dem Vertragsarzt wegen Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens bei Jobsharing an sich nicht hätte gezahlt werden dürfen.

 

Normenkette

SGB V § 75 Abs. 1 S. 1, § 101 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4-5, § 106a; BMV-Ä § 45 Abs. 2 S. 1; EKV-Ä § 34 Abs. 4 S. 2; ÄBedarfsplRL §§ 24, 28k, 23e S. 3; Ärzte-ZV § 32b Abs. 1-2; SGB X § 50 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.08.2013; Aktenzeichen B 6 KA 43/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.9.2011 und der Bescheid der Beklagten vom 25.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.8.2010 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 6.748,87 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Vertragsarzthonorar für die Quartale 3/08 und 4/08 in Höhe von 6.748,87 € im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung.

Der Kläger nimmt als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) mit Sitz in W. an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Mit Bescheid vom 7.4.2008 erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk K. - (ZA) dem Kläger antragsgemäß die Genehmigung zur Beschäftigung der HNO-Ärztin Dr. E. als angestellte Ärztin im Umfang von 10 Wochenstunden ab 1.4.2008 gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 32b Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV (Jobsharing) i. V. m. den Bedarfsplanungsrichtlinien. In dem Bescheid ist u. a. ausgeführt, die Genehmigung sei an folgende (wörtlich wiedergegebene) Nebenbestimmung gebunden:

Herr Dr. F. und Frau Dr. E. haben sich gegenüber dem Zulassungsausschuss schriftlich bereit erklärt, während des Bestands der gemeinsamen Tätigkeit den zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Umfang der Praxis nicht wesentlich zu überschreiten. Als Kriterium für den bisherigen Praxisumfang wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Bedarfsplanungsrichtlinien (§ 23 i - m) ein quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen auf der Basis mindestens vier vorausgegangener Quartale angesetzt; als Grenze für die zulässige prozentuale Überschreitung des Punktzahlvolumens wurden 3 % des Fachgruppendurchschnitts festgelegt.

Der Zulassungsausschuss hat vor der Erteilung der Genehmigung in einer verbindlichen Feststellung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der gegenüber Herrn Dr. F. in den vorausgegangenen vier Quartalen ergangenen Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlen festgelegt, welche bei der Abrechnung der ärztlichen Leistungen im Rahmen der gemeinsamen Tätigkeit nach der Genehmigung gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze).

Diese quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumen lauten wie folgt:

III/06: 1.022.035, IV/06: 1.028.220; I/07: 1.099.920; II/07: 1.063.260

Diese Feststellungen wurden von Herrn Dr. F. und Frau Dr. E. nicht beanstandet.

Die Punktzahlvolumina sind so festgelegt, dass die in einem entsprechenden Vorjahresquartal anerkannten Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3% überschritten werden. Das Überschreitungsvolumen von 3 % wird jeweils auf den Fa...

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