Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Sozialdatenschutz. Anwendbarkeit des § 220 Abs 2 SGB 7. Abgrenzungskriterien: ärztliches Gutachten und beratungsärztliche Stellungnahme. Einbindung des Arztes in die Verwaltungsstruktur des Unfallversicherungsträgers. besondere Rechtsbeziehung: Rahmenvertrag zur Erbringung ärztlicher Beratungsleistungen. Bestellung zum Beratungsarzt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung des § 200 Abs 2 SGB 7 setzt voraus, dass Daten an einen Dritten übermittelt werden. Wird ein Gutachten von einem Arzt erstattet, der in die Verwaltungsstruktur des Unfallversicherungsträgers eingegliedert ist, ist der Tatbestand des § 200 Abs 2 SGB 7 nicht erfüllt, da es nicht zu einer Datenübermittlung kommt (Anschluss an BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R = SozR 4-2700 § 200 Nr 4  = juris RdNr 26 und vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R = BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1 = juris RdNr 9).

2. Neben den beim Unfallversicherungsträger angestellten/verbeamteten Ärzten sind auch solche Ärzte in die Verwaltungsstruktur des Unfallversicherungsträgers eingegliedert, mit denen dieser eine besondere (Rechts-)Beziehung eingegangen ist.

3. Eine solche besondere (Rechts-)Beziehung besonderer Art iS eines Dienstvertrages höherer Art liegt vor, wenn ein nicht beim Unfallversicherungsträger angestellter/verbeamteter Arzt mittels eines Rahmenvertrages zur Erbringung ärztlicher Beratungsleistungen verpflichtet, mithin zum Beratungsarzt bestellt ist, und der Arzt aufgrund einer Verpflichtung nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen vom 2.3.1974 nicht nur der ärztlichen Schweigepflicht, sondern denselben Amts- und Verschwiegenheitspflichten unterworfen ist, die auch für die Angestellten/Beamten des Unfallversicherungsträgers gelten.

 

Orientierungssatz

Zu den Abgrenzungskriterien eines medizinischen Gutachtens von einer beratungsärztlichen Stellungnahme.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.01.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine von der Beklagten eingeholte und in ihren Akten dokumentierte Äußerung von Dr. T. vom 07.11.2011 zu einem Gutachten von Dr. Ku. aus den Verwaltungsakten der Beklagten zu entfernen ist.

Der 1940 geborene Kläger arbeitete zuletzt als (selbständiger) Estrich- und Fußbodenleger. Der Kläger bezieht in Folge eines Arbeitsunfalles am 28.04.1988 seit 01.02.1989 eine Rente nach einer MdE von 20. Im Übrigen begehrte der Kläger in der Vergangenheit in verschiedenen Verfahren Rentenleistungen (dazu vgl. beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ≪LSG≫ z.B. L 10 U 1008/98 und L 10 U 1921/02). Zuletzt begehrte der Kläger die Anerkennung einer Erkrankung an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK 2108). In diesem Zusammenhang erstellte der Chirurg Dr. Ku. am 12.08.2010 für die Beklagte ein Gutachten (Gutachtensauftrag vom 07.04.2010, vgl. Blatt 63 der Senatsakte; Gutachten vgl. Blatt L 79 der Verwaltungsakte der Beklagten), in dem er zu dem Ergebnis gelangte, beim Kläger liege die Konstellation B 1 der Konsensempfehlungen und damit ein belastungskonformes Schadensbild vor. Der Verlauf der Erkrankung spreche für einen wesentlichen Ursachenzusammenhang. Er empfahl die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit.

Mit Schreiben vom 03.11.2011 (L 93 der Verwaltungsakte der Beklagten; Blatt 64 der Senatsakte) wandte sich die Beklagte unter Übersendung der Akten an Dr. T. :

“EINSCHREIBEN

Herrn Dr. med. W. T.

Chirurg/Beratungsarzt der BG

 …

Wir legen Ihnen die Akte vor mit der Bitte um beratungsärztliche Stellungnahme zum vorliegenden Gutachten des Dr. Ku., O. (AS 590 ff.).

Bitte nehmen Sie insbesondere dazu Stellung,

- ob ein Krankheitsbild im Sinne der genannten Listen-Nummer mit Vollbeweis nachgewiesen ist.

- ob das Krankheitsbild in die zutreffende Kategorie der Konsensempfehlungen eingeordnet wurde.

- ob tatsächlich keine konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar sind und ob eine Begleitspondylose sicher nachweisbar ist.

- ob Sie der gutachtlichen Kausalitätsbeurteilung insgesamt folgen.

- ob die MdE-Bewertung, insbesondere die Staffelung, den aktuell gültigen Bewertungssätzen entspricht.

Die vorliegenden Bilder (Röntgen, CT, MRT, etc.) sind beigefügt.

Bitte beachten Sie bei Ihrer Stellungnahme insbesondere unsere Hinweise an den Gutachter in unseren Auftragsschreiben vom 07.04.2010 (AS 577 ff.). Bitte geben Sie Hinweise, falls die Vorgaben vom Gutachter erkennbar nicht beachtet wurden.

Bitte beachten Sie: Der Beratende Arzt kann zur Unterstützung und Beratung der Sachbearbeitung bei der Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes, zur Klärung der Diagnose und in medizinisch unkomplizierten Sachverhalten (z.B. einfach gelagerte MdE- oder Zusammenhangsfragen) tätig werden. Soweit es sich um die Beurteilung komplexer (Zusammenhangs-)Fragen handelt, ist die Einholung eines Guta...

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