Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenerstattungsanspruch gegen den Erben. kein Rückgriff auf § 90 Abs 2 Nr 8 SGB 12. Härteregelung gem § 102 Abs 3 Nr 3 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Inanspruchnahme als Erbe nach dem verstorbenen Hilfeempfänger nach § 102 SGB 12 ist nicht (ergänzend) auf § 90 Abs 2 Nr 8 SGB 12 (Schonvermögen eigengenutzte Wohnung) zurückzugreifen. Vielmehr sind solche Umstände allein im Rahmen der Härtefallregelung nach § 102 Abs 3 Nr 3 SGB 12 zu prüfen. Denn § 90 Abs 2 Nr 8 SGB 12 begründet kein "postmortales Schonvermögen" zugunsten des Erben.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Oktober 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin Ziff. 1 wendet sich gemeinsam mit ihren minderjährigen Söhnen, den Klägern Ziff. 2 und Ziff. 3 gegen die Inanspruchnahme als Erben des verstorbenen hilfebedürftigen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 bzw. Vaters der Kläger Ziff. 2 und 3 durch den Sozialhilfeträger.

Der beklagte Sozialhilfeträger, der Landkreis Tübingen, erbrachte für den verstorbenen Ehemann der Klägerin Ziff. 1 und Vater der Kläger Ziff. 2 und 3 Leistungen in Form der Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung, nachdem dieser nach einem Schlaganfall im Pflegeheim R. in Reutlingen untergebracht war. Dem Beklagten entstand in der Zeit vom 8. März 2004 bis zum 3. September 2005 (Todestag des Ehemannes der Klägerin Ziff. 1) einen Sozialhilfeaufwand in Höhe von insgesamt 49.269,08 €.

Nachdem der Ehemann der Klägerin Ziff. 1 bzw. Vater der Kläger Ziff. 2 und 3 am 3. September 2005 verstorben war, wurden die Klägerin Ziff. 1 zur Hälfte und die Kläger Ziff. 2 und 3 je zu einem Viertel gesetzliche Erben. Im Nachlass befindet sich die Miteigentumshälfte an der Eigentumswohnung M. 2 bis 6, Wohnung Nr. 4 in G. (111 qm). Die Restdarlehenssumme betrug zum damaligen Zeitpunkt 44.777,37 € (derzeit noch 42.232,99 €). Die Wohnung war ursprünglich (1996) von der Klägerin Ziff. 1 und ihrem verstorbenen Ehemann für 345.000,00 DM gekauft worden.

Mit Bescheiden vom 27. Juli 2006 wurde die Klägerin Ziff.1 in Höhe von 23.599,54 € und die Kläger Ziff. 2 und 3 in Höhe von jeweils 11.799,77 € zur Erstattung von an den verstorbenen Ehegatten bzw. Vater gezahlten Sozialleistungen aufgrund der erlangten Erbenstellung aufgefordert. Dem lag folgende Berechnung zugrunde: ausgegangen wurde vom Kaufpreis von 345.000,00 DM, umgerechnet 176.395,70 €. Unter Berücksichtigung der Restschuld zum 30. September 2005 in Höhe von 44.777,37 € sei von einem Nachlasswert von 65.809,17 € auszugehen (176.395,70 € - 44.777,37 € = 131.618,33 € : 2 = 65.809,17 €). Mit dem Tod des Ehegatten habe die Klägerin Ziff. 1 von seinem Eigentumsanteil die Hälfte und die beiden Kinder zusammen die andere Hälfte geerbt. Gemäß § 102 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) seien die Erben zum Ersatz der Kosten, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden seien und das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen würden, verpflichtet. Die Ersatzpflicht der Erben gehöre zu den Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Erbe hafte mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses.

Der Grundbetrag liege derzeit bei 690,00 €. Der dreifache Grundbetrag belaufe sich auf 2.070,00 €. Insgesamt seien in der Zeit, in der sich der Ehemann der Klägerin Ziff. 1 im Pflegeheim befunden habe, 49.269,08 € vom Sozialhilfeträger übernommen worden. Der Betrag, der als Kostenersatz durch die Erben zurückgefordert werde, liege somit bei 47.199,08 €. Entsprechend der Erbanteile der Klägerin Ziff. 1 und der Kläger Ziff. 2 und 3 seien anteilig Kosten in Höhe von 23.599,54 € durch die Klägerin Ziff. 1 und jeweils 11.799,77 € durch die Kläger Ziff. 2 und 3 zu erstatten.

Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Inanspruchnahme der Kläger als Erben würde eine besondere Härte bedeuten. Es würde sich um einen schlimmen Schicksalsschlag handeln, nachdem der Ehemann und Vater im Alter von erst 46 Jahren seiner Familie nach einem Schlaganfall und anschließender Vollpflegebedürftigkeit im Koma entrissen worden sei. Die Klägerin sei nicht einmal 35 Jahre alt, die beiden Söhne elf und zwei Jahre. Die Klägerin Ziff. 1 arbeite halbtags, um ihre Familie über Wasser zu halten und habe ein Gehalt von netto 600,00 € erzielt. Ausreichende Mittel, den Sozialhilfeaufwand zurückzuzahlen, würden damit nicht vorliegen. Eine Verwertung der Wohnung sei indessen praktisch nur durch den Auszug der Familie möglich, was unzumutbar sei. Darüber hinaus sei zu erwarten, dass bei Verwertung der Wohnung die Klägerin selbst Sozialleistungen für sich und ihre Kinder in Anspruch nehmen müsse. Im Übrigen sei der Wohnungsanteil des verstorbenen Ehegatten dessen Schonvermögen gewesen und es auch nunmehr für die Erben.

Mit Wider...

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