Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Auskehrung des Rückkaufswertes einer gekündigten Lebensversicherung auf ein überzogenes Girokonto. Schuldentilgung. wesentliche Änderung des Verkehrswertes des Vermögens. sozialgerichtliches Verfahren. Grundurteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verwendung eigenen Vermögens (hier einer gekündigten Lebensversicherung) nach § 12 SGB II zur Schuldentilgung in Form des Ausgleichs eines Kontosolls führt zu dessen Verbrauch (Abgrenzung zur Berücksichtigung des einem Konto zugeflossenen und gutgeschriebenen Einkommens nach § 11 SGB II im Rahmen einer Kontokorrentabrede, s BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 70 mwN).

2. Zum Erlass eines Grundurteils nach § 130 SGG (erst) im Berufungsverfahren.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Oktober 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des SG wie folgt geändert wird:

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2012 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 9. Juli 2012 bis zum 31. Oktober 2012 Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung von Vermögen zu gewähren.

Der Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beklagtenberufung wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger im Zeitraum vom 09.07.2012 bis 31.10.2012.

Der am 1965 geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt und war von 1985 bis April 2011 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er bewohnt zusammen mit seiner 1942 geborenen Mutter eine im jeweils hälftigen Eigentum stehende 78 m² große Eigentumswohnung in W.. Diese Eigentumswohnung wurde im Jahr 1997 mit einem Gesamtaufwand von 192.602 DM erworben. Zur Zahlung des Kaufpreises bestehen Darlehensverbindlichkeiten bei der Kreissparkasse W. (insgesamt sechs Verträge) sowie ein Bauspardarlehen der L. B.-W.. Zum 22.06.2012 bestanden insoweit noch Verbindlichkeiten in Höhe von 45.160,01 EUR (vgl. Bl. 11 d. Beklagtenakten - KdU-Teil). Intern haben die Mutter und der Kläger vereinbart, dass der Kläger die Darlehen 67256763 (monatliche Rate 175,38 EUR bei einer jährlichen Zinsbelastung in 2012 in Höhe von 865,54 EUR) und 67256804 (monatliche Rate 18,70 EUR, Kreditvertrag am 09.07.2012 durch Zahlung von 1801,82 EUR vom Kläger abgelöst) bei der K. W. bedient. Ferner zahlt der Kläger auf den allein in seinem Namen abgeschlossenen Bausparvertrag monatlich 153,39 EUR (Zinsbelastung 2012: 225,89 EUR). Der Kläger zahlt zudem monatlich 150 EUR an seine Mutter für Heizkosten und kalte Nebenkosten, ferner jeweils zum 15.02., 15.05., 15.08. und 15.11. seinen - hälftigen - Anteil an den Grundsteuern (29,79 EUR). Das Girokonto des Klägers wies am 30.05.2012 ein Soll in Höhe von 2.242,50 EUR aus, die Kreditlinie war mit 2.900 EUR angegeben (vgl. Blatt 25 der Akten der Beklagten).

Bevor der Kläger am 08.06.2012 den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Beklagten stellte, erzielte er Einkommen aus einer am 25.04.2012 aufgenommenen Beschäftigung bei der Firma A. D. GmbH. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 12.06.2012. Hieraus erzielte der Kläger im Mai ein Einkommen in Höhe von brutto 1.373,96 EUR (Gutschrift des Nettolohns in Höhe von 1072,46 EUR auf dem Girokonto des Klägers am 15.06.2012) sowie im Juni in Höhe von brutto 266,06 EUR (Gutschrift des Nettolohns in Höhe von 212,16 EUR auf dem Girokonto des Klägers am 16.07.2012).

Der Kläger hatte bereits zum 01.01.1990 eine kapitalbildende Lebensversicherung mit zusätzlicher Leistung bei Berufsunfähigkeit bei der S. S. abgeschlossen. Nach den Angaben der KSK W. vom 09.07.2012 belief sich die vereinbarte Versicherungssumme auf 20.452 EUR mit einer Fälligkeit zum 01.11.2025. Es waren 10.900 EUR einbezahlt, der Rückkaufswert bzw. Auszahlungsbetrag belief sich auf 10.402,46 EUR. Die Kündigungsfrist betrug einen Monat, im Falle des Rückkaufs fallen keine Gebühren an.

Der Kläger hat den Versicherungsvertrag gekündigt. Am 09.07.2012 wurden dem Girokonto des Klägers 10.459,51 EUR gutgeschrieben. Am 06.07.2012 wies dieses noch ein Soll in Höhe von 3.329,82 EUR aus. Am 09.07.2012 löste der Kläger das Darlehen 67256804 (s.o.) durch eine Tilgung mit einer Überweisung von 1.801,82 EUR von seinem Girokonto auf das Darlehenskonto ab. Ferner übertrug er 5.100 EUR auf das von ihm am 04.07.2012 eröffnete Sparbuch (“Tempus Flex„). Am 31.07.2012, 08.08.2012, 21.08.2012 und 31.08.2012 hob er insgesamt 2.150,00 EUR wieder ab bzw. überwies Teilbeträge auf sein Girokonto.

Mit Bescheid vom 26.07.2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab, wei...

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