Entscheidungsstichwort (Thema)

Medizinisches Versorgungszentrum. Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. Zulassungsentziehung wegen Pflichtverletzung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ liegt nicht bereits darin begründet, dass es an der Aufnahme der Tätigkeit am Vertragsarztsitz fehlt. Ein entsprechendes Verständnis von § 19 Abs 3 Ärzte-ZV widerspricht dem Sinn und Zweck dieser Regelung und führt zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in das durch Art 12 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit.

2. Zu den Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung eines Medizinischen Versorgungszentrums wegen gröblicher Pflichtverletzung.

 

Normenkette

Ärzte-ZV § 19 Abs. 3; SGB V § 95 Abs. 6 S. 1; GG Art. 12 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen B 6 KA 25/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2011 und der Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 tragen die Kosten in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 bis 6, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird endgültig auf 906.678,46 € festgesetzt

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Beendigung ihrer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und der erteilten Anstellungsgenehmigungen für die von ihr beschäftigten Ärzte.

Die Klägerin wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 20.05.2008 unter der Firma Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) B. GmbH mit Sitz in T. gegründet und in das Handelsregister beim Amtsgericht eingetragen. Alleiniger Gesellschafter war und ist der Apotheker H. B., der mit seiner Ehefrau G. B. u.a. die St. in T. betreibt und zunächst auch der alleinige Geschäftsführer des MVZ war. Frau G. B. wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 25.01.2010 zur weiteren Geschäftsführerin bestellt.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk T. - vom 22.07.2008/Bescheid vom 05.09.2008, zur Post gegeben am 08.12.2008, wurde die Klägerin zur vertragsärztlichen Tätigkeit in den Fachgebieten Nervenheilkunde, Innere Medizin (fachärztlich) und Kinderheilkunde im Rahmen eines Medizinischen Versorgungszentrums für die Betriebsstätte in T., B. mit Wirkung vom 01.10.2008 zugelassen. Zugleich wurde ihr mit Wirkung vom 01.10.2008 die Genehmigung erteilt, den Facharzt für Nervenheilkunde Dr. R. B. (geb. 1944 - ärztlicher Leiter des MVZ), den Facharzt für Innere Medizin Dr. St. A. (geb. 1947) und den Facharzt für Kinderheilkunde Dr. K.-E. M. (geb. 1941) als angestellte Ärzte zu beschäftigen. Nach dem Zulassungsbescheid war die ambulante vertragsärztliche Tätigkeit durch die angestellten Ärzte im MVZ spätestens innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides aufzunehmen. Zugleich wurde das Ende der Zulassungen von Dr. B., Dr. A. und Dr. M. zum 30.09.2008 festgestellt.

Beabsichtigt war der Umzug der von der Klägerin angestellten Fachärzte in ein neu zu errichtendes Ärztehaus mit der Anschrift B., für das eine Baugenehmigung durch die Stadt T. am 22.01.2009 erteilt wurde. Am 29.04.2010 wurde aufgrund eines Änderungsantrags der Geschäftsführerin der Klägerin für diesen Neubau die Hausnummer B. vergeben. Die vormals mit der Anschrift B. gekennzeichnete Backsteinvilla erhielt in diesem Zusammenhang die Hausnummer … .

Im September 2008 und Mai 2009 zeigte die Klägerin die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ gegenüber der Beigeladenen Ziff. 1 an. Als Anschrift wurde die B. in T. angegeben (Bl. 537 Verw-Akte).

Die angestellten Ärzte der Klägerin, die auf ihre vertragsärztlichen Zulassungen mit Wirkung zum 30.09.2008 verzichtet hatten, führten ihre Tätigkeit zunächst in ihren ursprünglichen Praxisräumen in T. (M., B., St.) fort.

Das MVZ wird seit Mai 2010 in dem neu errichteten Ärztehaus betrieben. Der mit Anstellungsgenehmigung vom 17.02.2010 seit dem 01.03.2010 auf Dr. M. gefolgte Facharzt für Kinderheilkunde Dr. B. (geb. 1968) bezog das Ärztehaus Anfang Mai 2010. Er wurde mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 27.04.2010 zum ärztlichen Leiter (anstelle von Dr. R. B.) bestellt. Zeitgleich bezog der Internist Dr. H., der seit dem 01.05.2009 mit 6 Stunden beim MVZ angestellt war (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.04.2009), das Ärztehaus. Er ist zwischenzeitlich aus dem MVZ ausgeschieden. Dr. R. B. und Dr. A. bezogen das Ärztehaus am 17.05.2010. Sie sind ebenfalls zwischenzeitlich aus dem MVZ ausgeschieden. Der fachinternistische Vertragsarztsitz ist derzeit mit Dr. F. besetzt, dessen Anstellung vom Zulassungsausschuss zum 01.11.2001 genehmigt worden war. Der Vertragsarztsitz von Dr. R. B. soll mit Dr. H. besetzt werden. Hinsichtlich der hierzu erforderlichen Anstellungsgenehmigung ist gegenwärtig ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg anhängig (S 1 KA 774/12).

Am 28.01.2010 t...

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