Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragsberechnung. Satzung. Geschäftsjahr 2000. unklare Regelung. Rechtswidrigkeit. Nichtigkeit. analoge Anwendung des § 139 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Anhang 2 der Satzung der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung vom 1.9.2000 ist nichtig.

2. Die Regelungen über die Erhebung fester Beiträge bei Lohnunternehmen, bei Jagden und Imkereien sind inhaltlich unbestimmt, weil sie keine ausreichenden Vorgaben u.a. darüber enthalten, inwieweit die Aufwendungen für diese Unternehmen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sind.

3. Unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit und damit des Rechtsstaatsprinzips begegnen die Regelungen über die Ermittlung des Flächenwertbeitrages Bedenken, weil die satzungsrechtlichen Bestimmungen einerseits suggerieren, dass alle Unternehmen, von denen Flächenwertbeiträge - hierzu gehören auch forstwirtschaftliche Unternehmen - erhoben werden, im Rahmen einer Solidarhaftung am nicht durch andere Einnahmen gedeckten Finanzbedarf beteiligt sind, während die forstwirtschaftlichen Unternehmen tatsächlich nur einen Teil der in ihrem Unternehmensbereich angefallenen Aufwendungen zu tragen haben und am nicht durch andere Einnahmen gedeckten Finanzbedarf überhaupt nicht beteiligt sind. Dies bedeutet, dass die forstwirtschaftlichen Unternehmen insbesondere durch die Unternehmen der Landwirtschaft in erheblichem Maße subventioniert werden, ohne dass dies aus der Satzung für einen normalen Betrachter erkennbar wäre.

4. Eine rechtswidrige beitragsrechtliche Satzungsbestimmung ist nichtig und keine ausreichende Rechtsgrundlage für einen Beitragsbescheid (Abgrenzung von BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 = SozR 4-2700 § 182 Nr. 1).

5. Die Nichtigkeit eines Teils einer Beitragssatzung führt in analoger Anwendung des § 139 BGB grundsätzlich zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.12.2007; Aktenzeichen B 2 U 36/06 R)

 

Tenor

Der Bescheid vom 9. März 2004 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Beklagte von der Klägerin als land- und forstwirtschaftliche Unternehmerin zu Recht Beiträge für das Jahr 2000 zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung erhoben hat.

Die Klägerin, eine Kommune, war am 1. Juli 2000 als Eigentümerin von 16,02 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 2.268,83 ha Forst gemeldet und bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Württemberg versichert. Diese hatte im Jahr 2000 Aufwendungen in Höhe von mehr als 145 Mio. DM. Zur Feststellung der Aufwendungen - soweit hier von Interesse - im Einzelnen und deren Deckung wird auf die Übersicht Bl. 127 der LSG-Akte und die ergänzenden Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 16. Oktober 2006 verwiesen.

Am 1. September 2000 schlossen sich die Badische Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft und die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Württemberg zur Beklagten zusammen. Nach § 40 der von beiden Vertreterversammlungen am 15. Juni 2000 beschlossenen, mit Erlass des Sozialministeriums Baden-Württemberg vom 29. Juni 2000 genehmigten und am 1. September 2000 in Kraft getretenen Satzung (in der Folge: Satzung) galten bis zur Neuregelung der Beitragsgestaltung (ab dem Umlagejahr 2001) die §§ 32 bis 37 sowie 39 der Satzung der Badischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft i. d. F. des 12. Nachtrages - Anhang 1 - und die §§ 32 bis 39 der Satzung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Württemberg in der Fassung des 10. Nachtrages - Anhang 2 - für das Umlagejahr 2000 für die jeweiligen vorherigen Zuständigkeitsbereiche weiter. Zur Feststellung der für das Jahr 2000 geltenden Satzungsbestimmungen wird auf Bl. 84 ff. LSG-Akten, hinsichtlich der für das Jahr 2001 geltenden Satzungsbestimmungen auf Bl. 83 ff. SG-Akten und hinsichtlich der für das Jahr 2006 geltenden Satzungsbestimmungen auf Bl. 103 ff. der LSG-Akte Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 3. Januar 2001 bewilligte das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELF) dem Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen zur Weiterleitung an die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für das Haushaltsjahr 2001 Bundesmittel in Höhe von 500.000.000,00 DM (davon für die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg für den Bereich Württemberg vier Teilbeträge von je 11.506.323,00 DM) mit - anders als in den Vorjahren - der besonderen Nebenbestimmung, dass landwirtschaftliche Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - Unternehmen u.a. der Land- und Forstwirtschaft -, die unabhängig von ihrer jeweiligen Rechtsform wirtschaftlich der öffentlichen Hand zuzurechnen waren, von der Bundesmittelberechtigung ausgeschlossen seien (wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid des BMELF vom 3. Januar 2001 verwiesen). Auch in den Folgejahren blieb dieser Ausschluss bestehen.

Die Beklagte erh...

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