Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgung mit Zahnersatz. fiktive Genehmigung. Anspruch auf den doppelten Festzuschuss

 

Leitsatz (amtlich)

Gelten ein Heil- und Kostenplan über die Versorgung mit Zahnersatz sowie ein gleichzeitig gestellter Antrag des Versicherten auf Übernahme auch des Eigenanteils als (fiktiv) genehmigt, besteht (nur) ein Anspruch auf den doppelten Festzuschuss.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.08.2019; Aktenzeichen B 1 KR 9/19 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 03.01.2018 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wird, Kosten der Klägerin für Zahnersatzbehandlung gemäß Heil- und Kostenplan vom 02.03.2016 von mehr als insgesamt 1.668,08 € zu übernehmen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet 1/5 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versorgung mit Zahnersatz über den bereits bewilligten Festzuschuss hinaus.

Die 1953 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Mit Heil- und Kostenplan der Zahnärztin Dr. P. vom 02.03.2016 begehrte die Klägerin die Versorgung eines Lückengebisses mit Brücke oder Prothese. Die Gesamtkosten waren mit 3.834,31 € angegeben. Abzüglich des Festzuschusses von 1.084,24 € betrage der voraussichtliche Eigenanteil 2.750,07 €. Mit Schreiben vom 02.03.2016, eingegangen bei der Beklagten am 07.03.2016, bat die Klägerin um Überprüfung. Sie sei 2011 an einem Mammakarzinom erkrankt. Infolge der Chemotherapie und Bestrahlungen seien ihre Zähne erkrankt. 2014 habe sie Brücken und neue Kronen erhalten und dafür ca 5.000 € zugezahlt. Ihre jetzigen Kosten würden sich auf ca 2.700 € belaufen. Sie fragte, ob es sein könne, dass sie als ehemalige Chemo- und Bestrahlungspatientin alle paar Jahre so viel Geld für ihre Zähne aufbringen müsse.

Mit Bescheid vom 31.03.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin den Festzuschuss iHv 1.084,24 €. Mit Schreiben vom 02.04.2016 erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Beantwortung ihrer ursprünglichen Frage.

Mit Bescheid vom 02.05.2016 verwies die Beklagte auf den bereits bewilligten Festzuschuss. Ein Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils iHv 2.750,07 € bestehe nicht. Das Vorbringen, die Zahnschäden seien durch die Strahlenbehandlung der Krebserkrankung verursacht, rechtfertige keine weitere Kostenübernahme. Die Ansprüche bei der Versorgung mit Zahnersatz seien in § 55 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) abschließend geregelt; es würden lediglich Zuschüsse in Höhe der ausgewiesenen Regelversorgung geleistet. Ein ursächlicher Zusammenhang mit anderen Erkrankungen führe nicht zu einem weitergehenden Zuschuss.

Mit ihrem Widerspruch vom 13.05.2016 machte die Klägerin das Vorliegen eines Härtefalls geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung des 30 vH Vorsorgebonus seien Festzuschüsse von 1.084,24 € bewilligt worden. Eine weitere Kostenbeteiligung dürfe auch unter Berücksichtigung der Härtefallregelung nicht erfolgen. Eine unzumutbare Belastung liege vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen des Versicherten 40 vH der monatlichen Bezugsgröße nicht überschreiten. 2016 betrage die Härtefallgrenze für Versicherte mit einem Angehörigen im Haushalt 1.597,75 €. Die monatlichen Bruttoeinkünfte der Klägerin (und ihres Ehemannes) zum Lebensunterhalt beliefen sich auf 2.935,22 €, so dass der doppelte Festzuschuss nicht gewährt werden könne. Die gesetzlichen Bestimmungen und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ließen eine höhere Kostenbeteiligung aufgrund des schweren Krankheitsbildes nicht zu. Auch der Hinweis auf das Patientenrechtegesetz könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Vom Versicherten zu tragende Zuzahlungen und Eigenanteile seien nicht von der Kasse zu übernehmen.

Hiergegen richtet sich die am 01.03.2017 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die beantragte Leistung gelte nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V bereits als genehmigt, so dass es auf die mit Bescheid vom 02.05.2016 erfolgte Ablehnung der Übernahme des Eigenanteils nicht mehr ankomme. Schon zum Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung am 31.03.2016 sei die dreiwöchige Frist abgelaufen. Die Genehmigungsfiktion gelte auch für Leistungen, zu deren Erbringung keine Verpflichtung bestehe. Außerdem habe ein Härtefall nach § 55 Abs 2 SGB V geprüft werden müssen. Danach bestehe zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Abs 1 Satz 2 Anspruch auf einen Betrag in gleicher Höhe, wenn die Versicherten ansonsten unzumutbar belastet würden. Da die Klägerin die Erkrankung ihrer Zähne nicht verschuldet habe, sondern diese eine Folge der Chemo- und Strahlentherapie sei, sei von einer unzumutbaren Belastung im Sinne der Vorschrift auszugehen. Diese treffe die Klägerin umso härter, als die Problematik vor erst zwei Jahren schon einmal aufgetreten sei und zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Klägerin ge...

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