Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Erstattung der Beiträge für eine angemessene Alterssicherung der Pflegeperson. sozialgerichtliches Verfahren. Klagebefugnis. Klage des Pflegebedürftigen und der Pflegeperson. Angemessenheit der Alterssicherung. Vermeidung von Sozialhilfebedürftigkeit. Zulässigkeit einer Klage auf Zahlung von Pflichtbeiträgen an die Deutsche Rentenversicherung. Streit um das Bestehen einer Versicherungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch nach § 64f Abs 1 SGB XII setzt voraus, dass nach der Prognose im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung durch die Aufwendungen für die Alterssicherung Sozialhilfebedürftigkeit im Rentenalter vermieden werden kann.

2. Eine Versicherungspflicht nach § 3 S 1 Nr 1a SGB VI setzt voraus, dass der Pflegebedürftige einen Leistungsanspruch nach dem SGB XI hat. Bei Streit über das Bestehen der Versicherungspflicht entscheidet der zuständige Träger der Rentenversicherung durch Verwaltungsakt. Ein Vorgehen gegen den Sozialhilfeträger mit dem Begehren auf Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen ist nicht zulässig.

 

Orientierungssatz

Bereits der Wortlaut des § 61f Abs 1 SGB 12 macht deutlich, dass der Anspruch nicht der Pflegeperson selbst zugestanden wird, sondern lediglich der hilfebedürftigen gepflegten Person; die Pflegeperson ist mithin lediglich im Sinne eines Rechtsreflexes Nutznießer dieser gesetzlichen Regelung (vgl BSG vom 2.2.2012 - B 8 SO 15/10 R = BSGE 110, 93 = SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 14). Ein bloßer Rechtsreflex reicht jedoch für die Begründung einer Klagebefugnis nicht aus.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. November 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren die Entrichtung bzw. Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Klägerin Ziff. 2 wegen der Pflege der von der Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehenden Klägerin Ziff. 1.

Die 1940 geborene Klägerin Ziff. 1 ungeklärter Staatsangehörigkeit ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G und B seit 29. September 2008 festgestellt.

Bis 2008 bezog die Klägerin Ziff. 1 von der Stadt E Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege. Seit Juli 2008 steht sie im Leistungsbezug bei der Beklagten.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) hat bei der Klägerin seit Juli 2008 Pflegestufe I und eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz (Gutachten vom 14. Mai 2009) sowie seit 8. Mai 2017 Pflegegrad 4 festgestellt (Gutachten vom 4. Juli 2017). Sie wohnt zusammen mit ihrem Enkel, S, der als ihr rechtlicher Betreuer bestellt ist, in einem Haushalt. Die Klägerin Ziff. 2 ist die Enkelin der Klägerin Ziff. 1 und ebenfalls als rechtliche Betreuerin bestellt. Die Klägerin Ziff. 1 ist pflegebedürftig und wird von ihrem Enkel sowie der 1983 geborenen, alleinstehenden Klägerin Ziff. 2, die im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) steht, gepflegt. Von der Beklagten bezieht sie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege in Form von Pflegegeld und Betreuungsleistungen.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin Ziff. 1 gemäß §§ 61, 64 SGB XII monatlich Pflegegeld in Pflegestufe I in Höhe von 244,00 EUR. Zusätzlich würden wie bisher Betreuungsleistungen in Höhe von 200,00 EUR ausbezahlt.

Ausweislich eines Vermerks (Bl. 195 VA) beantragte der Betreuer der Klägerin Ziff. 1 bei Abgabe (4. März 2015) des Folgeantrags auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zur Pflege für die Zeit ab 1. Mai 2015 die Übernahme von Rentenversicherungsbeiträgen für die Klägerin Ziff. 2.

Mit Bescheid vom 15. April 2015 teilte die Beklagte der Klägerin Ziff. 1 mit, dass der Antrag auf Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für die Klägerin Ziff. 2 aufgrund ihrer Tätigkeit als Pflegeperson abgelehnt werde, da eine Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII nicht vorgesehen sei. Da die Klägerin Ziff. 1 nicht gesetzlich pflegeversichert sei, erhalte sie keine Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), sondern stattdessen Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe nach dem SGB XII. Die Leistungen der Hilfe zur Pflege entsprächen nicht in vollem Umfang den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem SGB XI. § 61 Abs. 2 Satz 2 SGB XII besage, dass sich der Inhalt der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs. 1 Nr. 1 sowie 5 bis 8 SGB XI aufgeführten Leistungen bestimme. Leistungen zur Sicherung der Pflegepersonen (Rentenversicherungsbeiträge) nach § 44 SGB XI seien in § 28 ...

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