Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung. Einstufung einer Rechtsmaterie als schwierig. Geschäftsgebühr bei Entscheidung über Sofortvollzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Einstufung einer Rechtsmaterie als schwierig ist auf die Schwierigkeiten abzustellen, die typischerweise mit der Rechtsmaterie verbunden sind (hier: Probleme des Kassenarztrechts sowie der Sonderbedarfszulassung) und nicht auf die konkreten Vorkenntnisse des Rechtsanwalts.

2. Eine Entscheidung über den Sofortvollzug ist keine verschiedene Angelegenheit iS des § 17 RVG, die eine weitere Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV RVG entstehen läßt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.10.2007; Aktenzeichen B 6 KA 4/07 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2005 wird insoweit aufgehoben, als dem Kläger eine weitere Gebühr für die Anordnung des Sofortvollzugs zuerkannt wurde. Die Klage gegen den Bescheid vom 15. August 2006 wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und wird die Klage abgewiesen.

Kläger und Beklagter tragen die Kosten beider Instanzen je zur Hälfte. Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 7) sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Anwaltsgebühren für die Widerspruchsbegründung und die Vertretung vor dem beklagten Berufungsausschuss. Umstritten ist ferner, ob für den Antrag auf Sofortvollzug, dem der Beklagte sofort entsprochen hat, eine weitere eigene Anwaltsgebühr entstanden ist.

Dipl. Soz. Arb (FH) M. H. (H.) stellte im Dezember 2003 den Antrag, sie im Wege der Sonderbedarfszulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in K. zuzulassen. Mit Bescheid vom 6.4.2004 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag ab, eine der in Nr. 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte genannten Ausnahmen liege in ihrem Falle nicht vor, insbesondere könne ein nachweislich lokaler Versorgungsbedarf in dem teilweise städtischen Planungsbereich K. mit einem Versorgungsgrad von 245,7 % nicht gesehen werden. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologische Psychotherapeuten stellten zusammen die psychotherapeutische Versorgung sicher, eine eigene Bedarfsplanung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gebe es nicht. H. erhob mit selbst verfasstem Schreiben vom 3.5.2004 Widerspruch. Mit Schreiben vom 24.5.2004 teilte der Beklagte H. mit, die mündliche Verhandlung werde voraussichtlich am 14. Juli 2004 stattfinden und lud sie mit Schreiben vom 23.6.2004 zu diesem Termin. Unter dem 5.7.2004 holte der Beklagte bei der Beigeladenen Nr. 1 eine Auskunft zu Entfernungen im Planungsbezirk ein, forderte von ihr Gebührennummernübersichten an und befragte sämtliche im Planungsbereich K. tätigen psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach dem Umfang ihres Angebots an tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapien bei Kindern und Jugendlichen, nach den entsprechenden Fallzahlen, der Auslastung ihrer Praxis und den Wartezeiten für Kinder und Jugendliche.

Mit Schreiben mit dem Datum vom 2.7.2004, bei der Beklagten eingegangen am 7.7.2004, legitimierte sich Rechtsanwalt S. für die H., teilte mit, diese habe ihn mit der Übernahme des Mandats beauftragt, er bitte um Verlegung des Verhandlungstermins am 14.7.2004 und um Akteneinsicht. Der Beklagte übersandte ihm daraufhin Kopien seiner Ermittlungsergebnisse. Mit am 13. Juli 2004 eingegangenem Schriftsatz kündigte der Kläger an, er werde in der Verhandlung die Zulassung der H. im Wege der Sonderbedarfszulassung sowie den Sofortvollzug der Entscheidung aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung beantragen. Zur Begründung seines insgesamt sechs Seiten umfassenden Schriftsatzes setzte sich der Kläger mit den Ermittlungsergebnissen der Beklagten auseinander, rügte die Vorgaben in den Bedarfsplanungs-Richtlinien und setzte sich insbesondere mit der Versorgungssituation der Kinder und Jugendlichen in der Altersgruppe bis 14 Jahren auseinander. Ausführungen zum Sofortvollzug enthielt dieser Schriftsatz nicht.

In der mündlichen Verhandlung des Beklagten am 14.7.2004, die von 14:30 Uhr bis 15:50 Uhr dauerte, vertrat der Kläger die H., die ihrerseits persönlich nicht anwesend war. Er stellte den Antrag auf Zulassung, hilfsweise einen weiteren Ermittlungs-/Beweisantrag und beantragte den Sofortvollzug der Entscheidung. Mit Beschluss vom 14.7.2004/Bescheid vom 19.8.2004 hob der Beklagte den Bescheid des Zulassungsausschusses auf und ließ H. in K. als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zu. Zugleich ordnete er den Sofortvollzug dieser Entscheidung an. Der Bescheid des Beklagten wurde bestandskräftig.

Mit Schriftsatz vom 9.9.2004 beantragte der Kläger die Feststellung, dass der H. die notwendigen Auslagen zu erstatten seien, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich gewesen sei sowie die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit auf 120.000 € und die Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs...

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