Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Nachweis. Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

Ist nach den ermittelbaren Umständen die Einlegung einer vom Arbeitnehmer von vornherein beabsichtigten eigenwirtschaftlichen Unterbrechung wahrscheinlich und ist nicht feststellbar, ob er während der versicherten Tätigkeit oder einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung verunfallt ist, trägt - anders als in den vom Bundessozialgericht in den Urteilen vom 4.9.2007 - B 2 U 28/06 R und vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R = entschiedenen Fällen - nicht die Berufsgenossenschaft die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat, sondern trägt der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass er an seinem Arbeitsplatz beziehungsweise nicht während einer von ihm beabsichtigten eigenwirtschaftlichen Unterbrechung der an sich versicherten Tätigkeit verunfallt ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.01.2012; Aktenzeichen B 2 U 2/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.03.2009 aufgehoben und wird die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Ereignis vom 07.04.2003 als Arbeitsunfall festzustellen ist.

Der 1953 geborene Kläger war bei der Firma J. H. Transporte (H) als Kraftfahrer beschäftigt. Er hatte den Auftrag, am 07.04.2003 Waren zur Firma C. Reformwarenvertriebsgesellschaft mbH (C) in Baden-Baden zu transportieren. Nach dem Abladevorgang bei C in Baden-Baden bewegte sich der Kläger mit einem Hämatom am Kopf langsam taumelnd. Beim Eintreffen des Rettungssanitäters zeigte sich der Kläger desorientiert und bewusstseinsgetrübt. Ferner zeigte er einen schwankenden Gang und konnte keine adäquaten Angaben zum vorangegangenen Geschehen machen (Durchgangsarztbericht vom 04.06.2003). Sodann erfolgte eine notärztliche Betreuung und eine stationäre Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. vom 07.04.2003 bis zum 29.04.2003. Auch dort bestand hinsichtlich des Unfallhergangs eine vollständige Amnesie. Diagnostiziert wurden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma unklarer Genese, eine Kalottenfraktur okzipital, multiple Einblutungen fronto-basal rechts, ein passagerer Verwirrtheitszustand, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine retrograde Amnesie und eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus (Befundbericht vom 30.04.2003). Sodann wurde der Kläger vom 29.04.2003 bis zum 03.06.2003 in den Kliniken Sch. in G. stationär behandelt. Diagnostiziert wurden ein gedecktes Schädel-Hirn-Trauma mit traumatischer subarachnoidaler Blutung, bifrontale Kontusionsblutungen beidseits und ein posttraumatisches organisches Psychosyndrom mit affektiver Beteiligung (Befundberichte vom 05.05.2003 und 28.05.2003 sowie Entlassungsbericht vom 15.08.2003).

Die Beklagte gewährte Heilbehandlung und ab 20.05.2003 Verletztengeld.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte am 04.06.2003 Telefongespräche mit dem Inhaber der H. H. sowie dem bei C beschäftigten E. Der Inhaber der H gab an, der Kläger habe vor seiner Abfahrt noch einen Kaffee mit Bekannten getrunken. Zu diesem Zeitpunkt habe es keine Anzeichen für eine Verletzung gegeben. Anhand des Fahrtenschreibers sei es nachvollziehbar, dass der Kläger am 07.04.2003 um 1:00 Uhr in Markgröningen losgefahren und um circa 2:30 Uhr in der unmittelbaren Umgebung von Baden-Baden angekommen sei. Um circa 9:00 Uhr habe der Geschäftsführer der C bei H angerufen und mitgeteilt, die Fracht sei noch nicht angekommen. Daraufhin habe ihm der Kläger auf seine telefonische Anfrage hin mitgeteilt, er werde in circa 10 Minuten bei C ankommen. Um circa 9:30 Uhr sei der Kläger bei C angekommen und habe seinen Lkw rückwärts an die Rampe geparkt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der fraglichen Nacht überfallen worden sei, da weder Geld und Papiere fehlten noch der Lkw beschädigt gewesen sei. Die vom Kläger zwischen circa 2:30 Uhr und circa 9:00 Uhr gemachte Pause sei sehr ungewöhnlich, da er eigentlich um 7:00 Uhr hätte abladen sollen. Der bei C beschäftigte E. führte aus, der Kläger sei mit seinem Lkw leicht gegen die Rampe gestoßen. Nachdem er den Lkw entleert habe, was circa 15 Minuten gedauert habe, und er sich darüber gewundert habe, dass der Kläger die Frachtpapiere immer noch nicht abgegeben habe, sei er auf die Rampe gegangen und habe gesehen, wie sich der Kläger mit einem Hämatom an seinem Auge langsam taumelnd bewegt habe (Aktenvermerk vom 05.06.2003).

Die Weiterbehandlung des Klägers erfolgte stationär in den Kliniken Sch. in G. vom 05.06.2003 bis zum 16.07.2003 (Kurzmitteilung vom 16.07.2003 und Entlassungsbericht vom 29.08.2003) und ambulant in der Gemeinschaftspraxis Dr. B./Dr. F. (Arztbriefe vom 25.06.2003, 22.07.2003 und 26.11.2003), durch den Arzt für Ne...

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