Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von vorgemerkten Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 im Rahmen der Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Überschreiten der für diese Anrechnungszeiten zu beachtenden Höchstdauer von 8 Jahren. Korrektur eines von Anfang an rechtswidrigen begünstigenden Feststellungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 149 Abs 5 SGB VI festgestellte bzw vorgemerkte Anrechnungszeiten bei schulischer Ausbildung, welche die Höchstdauer von 8 Jahren übersteigen, sind bei der Feststellung einer Rente zu beachten, soweit die Vormerkung nicht aufgehoben wird. Denn nach der neueren Rechtsprechung des BSG ist die Höchstdauerbegrenzung schon Teil der Begriffsdefinition der Anrechnungszeit und regelt nicht lediglich deren Anrechnung und Bewertung (BSG vom 2.3.2010 - B 5 KN 1/07 R = SozR 4-2600 § 72 Nr 3; anders noch die ständige Rechtsprechung des 4. Senates des BSG vom 24.10.1996 - 4 RA 108/95 = SozR 3-2600 § 58 Nr 9). Die Aufhebung einer solchen Vormerkung ist daher abgesehen von den in § 149 Abs 5 S 2 SGB VI geregelten Fällen nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X möglich (hier jedenfalls wegen Ermessensausfalls verneint).

2. Die Anrechnungszeiten sind in ihrem jeweils vorgemerkten Umfang auch bei der Gesamtleistungsbewertung dahingehend zu berücksichtigen, dass sie die Zahl der belegungsfähigen Kalendermonate nach § 72 Abs 3 Nr 1 SGB VI verringern. Die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 2.3.2010 - B 5 KN 1/07 R aaO) steht dem wegen des auch bindenden zeitlichen Umfangs der Vormerkung nicht entgegen.

3. Der Versicherungsverlauf in einem Rentenbescheid ist nur ein Begründungselement (§ 35 SGB X) des in dem Rentenbescheid verlautbarten Verwaltungsakts über die Rentenhöhe und beinhaltet keinen mit einer Feststellung nach § 149 Abs 5 SGB VI vergleichbaren eigenständigen Verwaltungsakt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.04.2023; Aktenzeichen B 5 R 4/22 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.06.2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente des Klägers und hier um die Aufhebung bzw. Anrechnung von vorgemerkten Zeiten der Fach- bzw. Hochschulausbildung.

Der 1954 geborene Kläger studierte nach dem Abitur ab dem 01.04.1975 bis zum 31.03.1979 an der Mhochschule K. Danach besuchte er in der Zeit vom 17.09.1979 bis zum 30.09.1980 das Seminar für Anthroposophie (H-Kolleg). In der Zeit ab dem 01.10.1980 bis zum 25.06.1982 absolvierte er sodann am Freien Pädagogischen Zentrum in M1 eine Ausbildung zum Waldorflehrer. In den Jahren 1983 und 1984 arbeitete er in S. Ab dem 01.04.1985 studierte er Psychologie an der Universität H1, legte dort am 29.04.1991 die entsprechende Diplom-Hauptprüfung ab und wurde daher zum 24.07.1991 exmatrikuliert. Er war sodann vom 01.10.1992 bis 31.07.2000 in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert beschäftigt.

Der Kläger beantragte, vertreten durch seinen damaligen Bevollmächtigten, am 18.08.2018 die Klärung seines Versicherungskontos sowie die Erteilung einer Rentenauskunft.

Mit Bescheid vom 17.09.2018 stellte die Beklagte daher die Zeiten bis 31.12.2011 verbindlich fest. In dem Versicherungsverlauf berücksichtigte sie dabei folgende Daten, die für die Feststellung und Erbringung von Leistungen erheblich seien:

16.12.1971 bis 30.11.1974 Schulausbildung

01.12.1974 bis 31.03.1975 Schulausbildung

01.04.1975 bis 31.03.1979 Hochschulausbildung

17.09.1979 bis 15.12.1979 Fachschulausbildung

16.12.1979 bis 30.04.1980 Fachschulausbildung

01.05.1980 bis 30.09.1980 Fachschulausbildung

01.10.1980 bis 25.06.1982 Fachschulausbildung

01.04.1985 bis 29.04.1991 Hochschulausbildung

sowie Pflichtbeitragszeiten ab 01.10.1992 bis 31.07.2000.

Die Zeit vom 01.04.1979 bis 16.09.1979 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil die nachfolgende Ausbildung nicht rechtzeitig begonnen worden sei. Die Zeit vom 30.04.1991 bis 24.07.1991 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, da sie nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei.

Der damalige Bevollmächtigte des Klägers legte für diesen Widerspruch ein, nahm ihn nach der erbetenen Erteilung einer Rentenauskunft aber wieder zurück.

Der Kläger beantragte, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am 25.05.2020 Regelaltersrente und bat um Erteilung eines Bescheides mit sämtlichen der Berechnung zugrundeliegenden Anlagen, insbesondere hinsichtlich Entgeltpunkten für Beitragszeiten und für beitragsfreie Zeiten.

Mit Bescheid vom 17.06.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.09.2020 Regelaltersrente in Höhe von 402,80 € monatlich (zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag) zunächst als vorläufige Leistung alleine nach den deutschen Versicherungszeiten. Sie ging dabei von 11,7811 persönlichen Entgeltpunkten (pEP)...

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