Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Unterkunftsbegriff. Nutzung eines Gewerberaums als Wohnraum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden Geschäftsräume teilweise als privater Wohnraum genutzt, können die anteiligen Kosten, die auf die private Nutzung entfallen, im Rahmen von § 22 Abs 1 SGB 2 übernommen werden.

2. Auch wenn die Unterkunft nicht über ein Bad oder eine Küche verfügt, kann sie geeignet sein, als Unterkunft iS von § 22 Abs 1 SGB 2 zu dienen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19.11.2014 abgeändert und wie folgt gefasst:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 10.11.2014 bis 31.05.2015, längstens bis zur Beendigung des Klageverfahrens in dem Rechtsstreit S 16 AS 5159/14 beim Sozialgericht Freiburg, monatlich 69,39 € als Kosten der Unterkunft und Heizung zu erbringen. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt 1/6 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen.

Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt K., F., beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU).

Der 1963 geborene Antragsteller ist mit der Vermittlung u.a. von Versicherungen und Bausparverträgen selbstständig tätig. Er meldete sich zum 01.07.2014 von W. kommend unter der Adresse „ A.-H.-Str., F.“ an (Anmeldung/Anmeldebestätigung der Stadt F. vom 03.07.2014). Hierbei handelt es sich um Geschäftsräume (60 qm), von denen der Antragsteller nach eigenen Angaben 10 qm privat als Wohnung nutzt. Die Räume verfügen nicht über Küche oder Bad. Als monatliche Kosten hat er in seinem Antrag zur Feststellung der angemessenen KdU unter dem 15.07.2014 angegeben, dass er 340,00 € als Miete, 34,00 € für die Nebenkosten (Strom), 29,00 € für Gas und 13,34 € für Wasser, d.h. insgesamt 416,34 € zu zahlen hat.

Mit Schreiben vom 23.06.2014 kündigten die Erben der bisherigen Vermieterin in Erbengemeinschaft die von dem Antragsteller mündlich angemieteten Geschäftsräume unter der genannten Adresse fristlos zum 01.07.2014, spätestens zum 31.12.2014, wegen Zahlungsverzuges (Mietschulden i.H.v. insgesamt 2.380,00 € betreffend die Monate Juli 2013 und Januar bis Juni 2014). Die Nutzung zu Wohnzwecken untersagten sie in einem weiteren Schreiben vom 06.08.2014, in dem sie auch weitere Kosten für den Monat Juli 2014 (340,00 €) geltend machten.

Der Antragsteller beantragte am 03.07.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei dem Antragsgegner, da er nach seiner vorläufigen Einschätzung nur Verluste aus seiner Tätigkeit erwarte. Mit Bescheid vom 21.08.2014 bewilligte der Antragsgegner Arbeitslosengeld II (Alg II) ab dem 01.07.2014 bis 31.12.2014 vorläufig und berücksichtigte dabei nur den Regelbedarf und Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Kosten der Unterkunft könnten nicht gewährt werden, da das Mietverhältnis gekündigt sei.

Der Antragsteller legte hiergegen Widerspruch ein, da er noch in der Wohnung lebe und gerade dabei sei, sich mit seinem Vermieter zu einigen. Das „gestörte“ Mietverhältnis werde aufgrund des Leistungsanspruches ab dem 01.07.2014 „geheilt“. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass keine Erklärung oder Bestätigung der Vermieter vorliege. Es erscheine auch unwahrscheinlich, dass die Räume ohne Küche und Bad zu Mietzwecken geeignet seien.

Der Antragsteller hat am 09.11.2014 beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, da er ab 01.01.2015 keine Unterkunft habe, ein Mietrückstand über 3.740,00 € bestehe, wozu noch die Mieten für November und Dezember 2014 hinzu kämen. Ferner sei die Gasheizung kaputt; die Reparatur koste laut Kaminfeger ca. 200,00 bis 250,00 €. Die Badenova habe den Gaszähler wegen fehlender Nachzahlung und Vorauszahlungen abgehängt. Auch stehe die Müllgebühr noch aus. Der Antragsteller hat ferner ein Schreiben einer Miterbin vom 19.10.2014 vorgelegt, in dem „Rückstände“ für die vertragswidrige Nutzung der Räume bis Oktober 2014 geltend gemacht wurden. Der Antragsteller hat ferner zur Fristwahrung Klage erhoben (Az. S 16 AS 5159/14). Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hatte er beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Januar 2015 eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, den Mietrückstand in Höhe von 3.740,00 € sowie die laufende Miete für November und Dezember 2014, die Kosten für die Reparatur der Gasheizung und der Wiederinbetriebnahme der Gasversorgung und die Müllgebühren seit Juli 2014 zu übernehmen.

Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass die Kosten für die Räumlichkeiten i.H.v. 315,83 € in der Berechnung des selbstständigen Einkomme...

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