2.1 Einleitung des Verfahrens (Abs. 1)

 

Rz. 3

Das Verfahren zum Abschluss einer Vereinbarung wird jeweils durch eine schriftliche Verhandlungsaufforderung eingeleitet (§ 77 Abs. 1). Das Schriftformerfordernis richtet sich nach den Regeln in §§ 126, 126a BGB. Erforderlich ist also i. d. R. eine eigenhändig von einem Vertretungsberechtigten unterzeichnete schriftliche Erklärung (§ 126 Abs. 1 BGB). Das Schriftformerfordernis dient auch dazu, das Verlangen nach Vertragsverhandlungen hinreichend eindeutig und zu Beweiszwecken geeignet zu dokumentieren. Dementsprechend muss es mit der erforderlichen Eindeutigkeit in der Aufforderung zum Ausdruck kommen. Das bloße Übersenden von Kalkulationsunterlagen und dergleichen reicht daher z. B. nicht aus.

 

Rz. 4

Der Zugang der Erklärung richtet sich nach § 130 BGB. Erforderlich ist daher, dass die Aufforderung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnisnahme imstande ist. Die 6-Wochen-Frist beginnt am Folgetag (§ 187 Abs. 1 BGB) und endet mit dem Ablauf des letzten Tages der 6. Woche nach dem Zugang (§ 187 Abs. 2 BGB). Erfolgt dieser an einem Montag, so läuft die 6-Wochen-Frist also am Montag der 6. Woche darauf um 24.00 Uhr ab. Handelt es sich dabei um einen Samstag, einen Sonntag oder einen allgemeinen Feiertag, fällt das Fristende auf den nächsten Werktag. Sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsträger können die Initiative zum Abschluss einer Vereinbarung ergreifen. Satz 2 bestimmt, dass in der schriftlichen Aufforderung die Verhandlungsgegenstände konkret zu benennen sind, soweit der Abschluss einer Folgevereinbarung angestrebt wird.

 

Rz. 5

Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass Vertragsparteien nur noch die Träger der Einrichtung (also nicht auch deren Verbände) und der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe sind. Mit der Bindungswirkung der einrichtungsbezogenen abgeschlossenen Vereinbarungen, die dem Vorbild des § 72 Abs. 2 Satz 2 SGB XI folgt, soll sichergestellt werden, dass auch andere Träger der Sozialhilfe, z. B. bei einer Belegung von Plätzen mit Bewohnern aus anderen Ländern, mit dem Einrichtungsträger Vereinbarungen gleichen Inhalts abschließen (BT-Drs. 16/2711 S. 11 zu Nr. 11).

Sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsträger können die Initiative zum Abschluss einer Vereinbarung ergreifen. Satz 2 bestimmt, dass in der schriftlichen Aufforderung die Verhandlungsgegenstände konkret zu benennen sind, soweit der Abschluss einer Folgevereinbarung angestrebt wird.

2.2 Anrufung der Schiedsstelle (Abs. 2)

 

Rz. 6

Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, entscheidet nach § 77 Abs. 2 auf Antrag einer Partei eine unabhängige Schiedsstelle mit der Mehrheit ihrer Mitglieder über die strittigen Punkte.

 

Rz. 7

Anders als die Aufforderung zu Vertragsverhandlungen bedarf der Antrag an die Schiedsstelle keiner besonderen Schriftform. Allerdings sehen die auf der Grundlage von § 81 Abs. 2 (bzw. § 94 Abs. 4 BSHG) erlassenen Ausführungsverordnungen der Länder zum Teil zusätzliche Formerfordernisse vor. Gegen solche weitergehenden Anforderungen bestehen keine rechtlichen Bedenken.

In § 77 sind keine Vorgaben für den notwendigen Inhalt des Antrags enthalten. Auch insoweit enthalten die Ausführungsverordnungen der Länder teilweise detaillierte Angaben. Als Mindesterfordernis werden der notwendige Gegenstand des Schiedsverfahrens und die Beteiligten benannt werden müssen.

 

Rz. 8

Der Antrag auf Durchführung des Schiedsverfahrens kann von beiden Vertragspartnern gestellt werden. Solange beide Anträge anhängig sind, besteht zwischen den Antragstellern eine uneigentliche notwendige Streitgenossenschaft (OVG Lüneburg, Beschluss v. 9.6.1995, 8 P 2267/95).

 

Rz. 9

Mit der Einleitung des Schiedsverfahrens ist den Parteien nicht die Herrschaft über die Vertragsverhandlungen entzogen. Zweifelhaft ist allerdings, ob der Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens ohne weiteres zurückgenommen werden kann. Dagegen spricht, dass § 77 der Beschleunigung des Verfahrens dient. Dieses Prinzip könnte dadurch unterlaufen werden, dass eine Partei zunächst das Schiedsverfahren einleitet, um ihm sodann durch Antragsrücknahme die Grundlage zu entziehen. Im Hinblick darauf erscheint es gerechtfertigt, die Antragsrücknahme von der Zustimmung der Gegenseite abhängig zu machen (ebenso Armborst, in: Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2003, Rz. 508 m. w. N. zum Streitstand).

 

Rz. 10

Im Unterschied zum bisher geltenden Recht sind sowohl die Leistungs- als auch die Vergütungsvereinbarung schiedsstellenfähig. Die Erweiterung der Schiedsstellenfähigkeit auch auf die Leistungsvereinbarung diene – so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/9522 S. 342 – der gleichgewichtigen Ausgestaltung des Vereinbarungsverfahrens. Zugleich werde insoweit das Schiedsstellenrecht des SGB XI und SGB XII harmonisiert.

 

Rz. 11

Die bisherige Frist von 6 Wochen in dem bis zum 31.12.2019 geltenden § 77 Abs. 1 Satz 3 hat sich in der Praxis vielfach als zu kurz und daher nicht praxisgerecht erwiesen, da die Verhandlungen in dieser Zeitsp...

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