2.1.3.1 Einschränkung auf das Unerlässliche

 

Rz. 25

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 vor, soll die Leistung bis auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche eingeschränkt werden. Es handelt sich damit um eine Ermessensvorschrift, die allerdings die Kürzung im Regelfall vorsieht. Lediglich in atypischen Fällen kann von ihr abgesehen werden (vgl. VG Oldenburg, Beschluss v. 10.9.2003, 13 B 3126/03; Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 29). Sowohl das Ob als auch das Wie, d. h. die Höhe der Kürzung, sind dabei zu begründen (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Sind keine atypischen Umstände ersichtlich, kann sich der Sozialhilfeträger hinsichtlich des Ob darauf beschränken, dies festzustellen. Als atypischer Fall kann z. B. ein geringes Maß an Schuld angesehen werden. Kommt ein Fall des Abs. 1 Satz 2 in Betracht, ist wegen der insoweit bestehenden Sonderregelungen stets eine eingehende Begründung erforderlich.

 

Rz. 26

Was zum Lebensunterhalt unerlässlich ist, ist im Gesetz nicht definiert. Es handelt sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff (Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 25). Die wesentlichen Gründe sind in dem Bescheid, mit dem die Leistungseinschränkung erfolgt, zu nennen. In Betracht kommen z. B. eine Änderung des Bewilligungszeitraums (statt monatlicher eine wöchentliche oder tägliche Auszahlung der Leistungen), eine Änderung der Leistungsart (Sachleistung und/oder Wertgutscheine statt Geldleistung) und schließlich eine Kürzung (Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 26 Rz. 13). Dabei ist es insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei den gewährten Leistungen regelmäßig um solche zur Sicherung des Existenzminimums handelt, oftmals schwierig, den Umfang der Einschränkung festzulegen. Stets kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Nach bisheriger Praxis handelt es sich um etwa 70 bis 80 % der regelmäßigen Unterstützung (zur Kürzung auf 80 % vgl. OVG Bremen, Beschluss v. 19.2.1988, 2 B 17/88, FEVS 37 S. 471; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 29.1.2007, L 7 SO 5672/06 ER-B; SG Aachen, Beschluss v. 9.3.2007, S 20 SO 8/07 ER; zur Kürzung auf 70 % vgl. BayVGH, Urteil v. 5.11.1991, 12 B 91.219, FEVS 42 S. 405; zum Ganzen vgl. Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 26 Rz. 4). Diskutiert wird zum einen im Hinblick auf die Harmonisierung von SGB II und SGB XII und vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Regelung zur Höhe der Aufrechnung in § 43 Abs. 2 SGB II die Möglichkeit einer Einschränkung auf 70 % der Regelleistung im SGB XII (befürwortend: Holzhey, a. a. O., § 26 Rz. 23), zum anderen eine Orientierung an § 39a und damit eine Einschränkung auf 75 % der Regelleistung (so Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 26 Rz. 4). Mehrbedarfszuschläge können ganz oder teilweise versagt werden. Zulässig ist es, die Einschränkungen stufenweise zu erhöhen. Ein solches Stufenverhältnis wird nicht zuletzt durch die frühere Regelung in § 25 Abs. 1 BSHG legitimiert. Zu beachten ist dabei regelmäßig der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Er gebietet, das mildeste Mittel zu wählen, das in dem jeweiligen Einzelfall geeignet ist, die mit der Regelung verfolgten Ziele zu erreichen.

2.1.3.2 Schutzklausel

 

Rz. 27

Abs. 1 Satz 2 dient dem Schutz der unterhaltsberechtigten Angehörigen der von Satz 1 erfassten Leistungsberechtigten oder anderer mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebender Leistungsberechtigter. Diese haben zwar regelmäßig einen eigenen (Individual-)Anspruch auf Sozialhilfe, der – soweit sie nicht selbst die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllen – nicht gekürzt wird. Allerdings werden sie tatsächlich von einer Kürzung oftmals erheblich (mit-)betroffen, da sich Auswirkungen auf die gesamte Haushaltsgemeinschaft nicht verhindern lassen (vgl. dazu auch Adolph, in: Linhart/Adolph, a. a. O., § 26 Rz. 41). Nur der unwirtschaftlich Handelnde selbst, nicht jedoch seine Familienangehörigen, sollen nach Abs. 1 Satz 2 durch die Einschränkungen getroffen werden. Damit wird die Regelung in § 16 konkretisiert. Hintergrund ist die Besorgnis, dass der Hilfesuchende die auf ihn zukommenden Belastungen auf seine Angehörigen abwälzt. Sie sollen nicht für sein unlauteres oder unwirtschaftliches Verhalten haften müssen (BVerwG, Urteil v. 31.1.1968, V.C 109.66 zum BSHG; Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 26 Rz. 11). Gegebenenfalls muss der Sozialhilfeträger den Angehörigen daher Sachleistungen gewähren, um ihre Benachteiligung auszuschließen. Lässt sich eine solche Benachteiligung nicht ausschließen, muss unter Umständen auf die Kürzung verzichtet werden (vgl. OVG Bremen, Beschluss v. 19.2.1988, 2 B 17/88, FEVS 37 S. 471). Dies gilt insbesondere für den allen Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft zugute kommenden Mietanteil.

 

Rz. 28

Die Einschränkung der Hilfe steht – wie jede andere öffentlich-rechtliche Sanktion – unter dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Sie muss daher aufgehoben werden, wenn sie sich als offensichtlich ungeeignet erweist.

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