Rz. 3

Die im "Grundtatbestand" vorsätzliche Betreuung eines Kindes oder die Aufnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt ohne Pflegeerlaubnis (§ 104 Abs. 1 Nr. 1) oder der Betrieb einer Einrichtung ohne Erlaubnis (§ 104 Abs. 1 Nr. 2) wird als Straftat geahndet, wenn dadurch leichtfertig ein Kind oder ein Jugendlicher in seiner körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung schwer gefährdet wird. Voraussetzung ist mithin, dass der Täter den "Grundtatbestand" vorsätzlich verwirklicht und darüber hinaus (mindestens) leichtfertig die genannte schwere Gefährdung verursacht.

 

Rz. 3a

Leichtfertigkeit liegt vor, wenn der Täter grob achtlos handelt und nicht beachtet, was sich unter den Voraussetzungen seiner Erkenntnisse und Fähigkeiten aufdrängen muss. Weitere Voraussetzung für eine Straftat ist, dass durch das leichtfertige Verhalten eine schwere Gefährdung in der Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen verursacht worden ist. Eine schwere Gefährdung ist anzunehmen, wenn zu befürchten ist, dass in der Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen der normale Ablauf des körperlichen, geistigen oder sittlichen Reifungsprozesses dauernd oder nachhaltig gestört wird.

 

Rz. 3b

Der Straftatbestand erfordert daher nach Nr. 1 zwar die Erfüllung des Merkmals Leichtfertigkeit, fordert aber im Gegensatz zu der Nr. 2 ausdrücklich keine Vorsatztat. Damit wird gerade nicht eine vorsätzliche Begehung unter Strafe gestellt (auf den insoweit bestehenden Wertungswiderspruch weist zutreffend hin: Noak, HRRS 2016 S. 505).

 

Rz. 3c

Für die Erfüllung des Straftatbestandes ist weiter erforderlich, dass die schwere Gefährdung in einer Betreuungssituation von Kindern und Jugendliche ohne eine entsprechende Erlaubnis i. S. v. § 104 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 erfolgen muss; erfolgte die schwere Gefährdung daher trotz erteilter Erlaubnis, scheidet ein Straftatbestand nach Nr. 1 aus (dies ist zu Recht in der Literatur auf Kritik gestoßen, vgl. stellv.: Noak, HRRS 2016 S. 505); diese Beschränkung des Straftatbestandes auf eine Situation der schweren Gefährdung ohne entsprechende Erlaubnis verkürzt den Schutz des Kindes oder Jugendlichen in erheblichem Maße. Auch bei einer erlaubten Betreuung besteht ein ähnliches Strafbedürfnis zum Schutz des Kindeswohls.

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