Rz. 20

Das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist in Art. 103 Abs. 1 GG normiert und hat ausdrückliche Ausprägungen in §§ 62, 127 und 128 Abs. 2 erfahren (vgl. die dortige Kommentierung). § 62 stellt klar, dass rechtliches Gehör vor jeder gerichtlichen Entscheidung zu gewähren ist. Nach § 127 muss ein Beteiligter darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass in der mündlichen Verhandlung eine Beweisaufnahme erfolgen soll. Andernfalls darf in diesem Termin kein für ihn ungünstiges Urteil ergehen. § 128 Abs. 2 stellt klar, dass das Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern durften. Gerichtskundige Tatsachen, z. B. über die zumutbare Verweisbarkeit auf bestimmte Tätigkeiten bzw. die Vereinbarkeit bestimmter Leistungseinschränkungen mit den Anforderungen, die eine bestimmte Berufstätigkeit stellt, müssen vom Gericht in den Prozess eingeführt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden. Bei allgemeinkundigen Tatsachen ist dies nicht erforderlich. Der Verfassungsgrundsatz gebietet es nicht, dass das Gericht auf die Rechtsmeinungen der Beteiligten eingeht und vor der Entscheidung in der Sache seine rechtliche Sichtweise offenlegt. Etwas anderes gilt, wenn erkennbar wird, dass die Beteiligten aufgrund einer fehlerhaften rechtlichen Sichtweise es unterlassen, zu bestimmten Tatsachen vorzutragen. Dann ist ein rechtlicher Hinweis des Gerichts geboten.

 

Rz. 21

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ist auch dann verletzt, wenn das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet, obwohl der Kläger durch Urlaub oder Krankheit gehindert war zu erscheinen und obwohl er zu erkennen gegeben hat, dass er an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollte. In einem solchen Fall muss die mündliche Verhandlung vertagt werden (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 128). Der Grundsatz ist ferner verletzt im Falle einer Überraschungsentscheidung. Insoweit gebietet der Grundsatz, den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Verfassungsgrundsatz ist gegenüber dem aus der Konzentrationsmaxime erwachsenden Bestreben zur Erledigung des Rechtsstreits möglichst aufgrund einer mündlichen Verhandlung vorrangig.

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