Rz. 17

Die positive oder negative Entscheidung über die örtliche und/oder sachliche Zuständigkeit entfaltet grundsätzlich Bindungswirkung für andere Gerichte, § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 GVG. Auch für das Gericht, welches den Beschluss erlassen hat, ist er bindend. Das angegangene Gericht kann den Beschluss daher auch dann nicht ändern, wenn es sich bei der Auswahl des zuständigen Gerichts geirrt hat (so auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 98 Rn. 8a).

Das bedeutet aber nicht, dass der Rechtsstreit im Falle eines aufdrängenden Verweisungsbeschlusses in keinem Fall weiter verwiesen werden kann. Die Bindungswirkung erstreckt sich grundsätzlich nur auf den festgestellten Tatbestand, d. h. den Verweisungsgrund, sowie darüber hinaus auf die Zuständigkeitsfragen, die das Gericht geprüft und bejaht hat (BSG, Beschluss v. 7.11.2006, B 12 SF 5/06 S; Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 98 Rn. 8c; abweichend Danckwerts, in: Hennig, § 98 Rn. 18, bei Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit; vom BSG offen gelassen, SGb 2000 S. 141, 142). Hat das Gericht eines anderen Gerichtszweigs den Rechtstreit auf den Sozialrechtsweg, aber an das dort sachlich oder örtlich unzuständige Gericht verwiesen, so kann das Sozialgericht ihn an das zuständige Gericht weiter verweisen (insoweit noch allgemeine Meinung; LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1979 S. 187). Genauso erstreckt sich die Bindungswirkung nur auf die örtliche Zuständigkeit, wenn das angegangene Gericht wegen örtlicher Unzuständigkeit verwiesen hat. Das Gericht, an das verwiesen wurde, kann den Rechtsstreit daher noch auf einen anderen Rechtsweg (so auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 98 Rn. 8d) oder an das sachlich zuständige Gericht verweisen.

 

Rz. 18

Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend (vgl. nur BSG, Beschluss v. 3.12.2010, B 12 SF 7/10 S, juris; BSG, Beschluss v. 3.12.2009, B 12 SF 18/09 S, SozR 4-1500 § 58 Nr. 2; BSG, Beschluss v. 8.5.2007, B 12 SF 3/07 S, SozR 4-1500 § 57 Nr. 2 = Breithaupt 2007 S. 907; BSG, Beschluss v. 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S; BSG, Breithaupt 2001 S. 994 = SozR 3-1500 § 98 Nr. 3 und SGb 2000 S. 141 = SozR 3-1720 § 17a Nr. 11). Hat das angegangene Gericht den Rechtsstreit zu Unrecht an ein anderes Gericht verwiesen, kann dieses Gericht den Rechtsstreit nicht wieder zurückverweisen und abgesehen von den vorgenannten Ausnahmen auch nicht weiter verweisen. Auch eine Vorlage an das nächsthöhere Gericht nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 hat im Regelfall keine Aussicht auf Erfolg. Das BSG hat zwar seine frühere Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Antrags nach § 58 aufgegeben; die Unverbindlichkeit eines Beschlusses wird nicht mehr vorausgesetzt (vgl. die Quellen Rn. 16). Jedoch ist über dieselbe Frage im Rahmen der Begründetheit zu entscheiden und die Unverbindlichkeit eines Beschlusses ergibt sich nur in ganz besonderen Ausnahmefällen. Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegen kann, ist im Einzelnen umstritten. Allein die Verletzung materieller oder prozessualer Vorschriften genügt jedenfalls nicht. Es muss vielmehr eine willkürliche oder eine elementare Verfahrensgrundsätze missachtende Entscheidung vorliegen (BSG, SGb 2000 S. 141, 142, und BSG, Urteil v. 8.8.2001, B 7 SF 8/01 S, SozR 3-1500 § 98 Nr. 3; vgl. auch LSG Nds.-Bremen, Beschluss v. 23.12.2010, L 15 SF 5/09 (P), juris). Willkürlich ist der Beschluss, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt. Das ist z. B. angenommen worden bei einer Verweisung an das LSG in einem erstinstanzlichen Verfahren (nach dem bis zum 31.3.2008 geltenden Recht, also ohne die neuen erstinstanzlichen Zuständigkeiten des LSG nach § 29 Abs. 2 bis 4; LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1979 S. 187, 188) oder bei Verletzung des Anspruchs auf das rechtliche Gehör jedenfalls dann, wenn dieser Verfahrensmangel fristgerecht geltend gemacht worden ist (so das BSG, Beschluss v. 3.12.2009, B 12 SF 18/09 S, SozR 4-1500 § 98 Nr. 2, unter Geltung des neuen § 178a seit dem 1.7.2008; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.3.2006, L 1 B 77/06 KR ER; vgl. auch BSG, Beschluss v. 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr. 6 = SGb 2006 S. 116). Allein ein offensichtlicher Irrtum des Gerichts genügt nach der Rechtsprechung des BSG nicht (Beschluss v. 10.3.2010, B 12 SF 2/10 S, u. v. 9.3.2010, B 12 SF 1/10 S, juris; Beschluss v. 3.12.2009, B 12 SF 18/09 S, SozR 4-1500 § 98 Nr. 2; Beschluss v. 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr. 6 = SGb 2006 S. 116, in Abgrenzung zu BAG, Beschluss v. 11.11.1996, 5 AS 12/96, AP Nr. 51 zu § 36 ZPO = NJW 1997 S. 1091). Willkürlichkeit wird angenommen bei Nichtbeachtung einer vom Kläger getroffenen Wahl, nicht dagegen bei absichtlicher Abweichung des angegangenen Gerichts von der Rechtsprechungspraxis zu Zuständigkeitsfragen des Berufungsgerichts (LSG Niedersachsen, Beschluss v. 31.7.2001, L 4 KR 107/01, NZS 2002 S. 224). Eine Verweisung wegen eines Wohnsitzwechsels des Klägers hat das BSG als willkürlich angesehen (BSG, Beschluss v. 16.11.2006, B 12 SF 4/06 ...

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