Rz. 12

Die Untätigkeitsklage ist begründet, wenn der/die Beklagte über den Antrag bzw. Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden hat. Bis zum Ablauf der Wartefrist wird unwiderlegbar vermutet, dass die Frist für die Bearbeitung noch angemessen ist. Nach Fristablauf kommt es auf das Vorliegen eines zureichenden Grundes an. Eine längere Bearbeitungsfrist ist danach solange noch als angemessen anzusehen, wie ein zureichender Grund vorliegt. Solange die Behörde sachgerechte Ermittlungen vornimmt, besteht ein zureichender Grund und ist die Wartefrist entsprechend zu verlängern (so auch LSG NRW, Beschluss v. 11.2.2003, L 7 B 10/03 SB, VersorgVerw 2003 S. 57). Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Kläger der Grund für die Nichtbescheidung von der Behörde mitgeteilt wird oder ihm sonst bekannt ist (LSG NRW, Beschluss v. 16.2.2007, L 2 B 24/05 KN KR).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen eines zureichenden Grundes liegt bei der beklagten Behörde. Sind die von der Behörde vorgetragenen Gründe nicht schlüssig oder trägt die Behörde gar keine Gründe vor, so ist das grundsätzlich der Amtsermittlungspflicht unterliegende Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet (BSG, Urteil v. 8.12.1993, 14a RKa 1/93, SozR 3-1500 § 88 Nr. 1 = BSGE 73 S. 244, 252 f.). Ein Anlass zu Ermittlungen besteht nur, wenn es streitentscheidend auf einzelne offene oder umstrittene Tatsachen ankommt. Ist das nicht der Fall und ist ein zureichender Grund nicht ersichtlich, ist der Klage stattzugeben.

 

Rz. 13

Das Vorliegen eines zureichenden Grundes hängt einerseits von den Möglichkeiten der Behörde, andererseits aber auch von der Dringlichkeit des Bescheidungsinteresses des Klägers ab. Die Frist ist insofern variabel. Ist die Angelegenheit z. B. aus gesundheitlichen Gründen eilig, so muss sich die Verwaltung hierauf einstellen. Dazu, wann im Einzelfall ein zureichender Grund i. S. d. § 88 vorliegt, können Fallgruppen gebildet werden. Ein zureichender Grund ist anzunehmen:

  • bei einer kurzfristig aufgetretenen und vorübergehenden besonderen Belastungssituation der Behörde, etwa aufgrund einer Gesetzesänderung (vgl. BSG, Urteil v. 8.12.1993, 14a RKa 1/93, BSGE 73 S. 244, 250 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1995 S. 975 f.; LSG Berlin, NZS 1993 S. 184; SG Hamburg, SozSich 1998 S. 200; a. A. SG Dortmund, Breithaupt 2000 S. 1077);
  • bei Schwierigkeiten bei der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, vor allem wenn Zeugen zu vernehmen oder Sachverständigengutachten einzuholen sind, insbesondere wenn die Behörde nicht mehr Zeit aufwendet, als der Widerspruchsführer für seine Begründung benötigt (LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1995 S. 975 f.; SG Freiburg, Breithaupt 1992 S. 864 f.);
  • wenn der Widerspruchsführer die Abgabe einer Begründung angekündigt oder er um Aussetzung des Verfahrens gebeten hat (LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1995 S. 975, 977).

Die Behörde ist dann allerdings gehalten, die jeweils notwendigen Maßnahmen zu treffen und für eine zügige Umsetzung Sorge zu tragen. Ferner muss sie den Kläger über den jeweiligen Sachstand informieren (vgl. auch LSG NRW, Beschluss v. 16.2.2007, L 2 B 24/05 KN KR; LSG Berlin, Beschluss v. 3.11.2003, L 3 B U 131/02 U).

 

Rz. 14

Ein zureichender Grund ist dagegen nicht anzunehmen:

Unterschiedlich beantwortet wird in der Literatur die Frage, ob das Abwarten auf die Entscheidung in einem Musterverfahren einen zureichenden Grund darstellt.

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