2.1.1.1 Einführung

 

Rz. 2

Die Berufung ist beim LSGinnerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Berufung bei dem SG eingelegt wird, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1). Adressat der Berufungsschrift ist nicht ein beliebiges LSG oder SG, sondern das SG, welches das Urteil erlassen hat und das LSG, das hierüber zu entscheiden (Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl. 3/1996, § 151 Rn. 72; Knecht, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2008, §  151 Rn. 8).

2.1.1.2 fehlgeleitete Berufung

 

Rz. 3

Fraglich ist, wie bei fehlgeleiteten Berufungen zu verfahren ist. Die Berufung ist dann nur zulässig, wenn sie innerhalb der Frist an des LSG gelangt. Das SG (hierzu Rz. 2) ist verpflichtet, die Berufung unverzüglich (§ 121 BGB) an das LSG weiterzuleiten (§ 153 Abs. 2 Satz 2 SGG). "Sozialgericht" meint nicht die gerichtliche sondern die behördliche Funktion (Zeihe, SGG, 10/2010, § 151 Rn. 9b). Hiernach hat die Verwaltung sicher zu stellen, dass fehlgeleitete Berufungen auch ohne Einschaltung des Richters unverzüglich an das LSG weitergeleitet werden. Soweit hiergegen verstoßen wird, kann dies Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB, Art. 34 GG) auslösen (so Zeihe, SGG, § 151 Rn. 9a). Verzögerungen gehen insoweit nicht zulasten des Berufungsführers (Knecht, SGG, § 151 Rn. 8).

 

Rz. 4

Die Einlegung der Berufung bei einem anderen SG oder bei einer Behörde wahrt die Frist nicht, denn § 91 SGG gilt wegen § 153 Abs. 1 nicht (vgl. BSG, Beschluss v. 31.3.2005, B 11a/11 AL 229/04 B; LSG Saarland, Beschluss v. 1.3.2005, L 8 AL 24/04). Wer bei einer anderen Stelle Berufung einlegt, trägt das Risiko der Fristversäumnis, wenn das Schriftstück nach Weiterleiten nicht innerhalb der Frist beim LSG oder SG eingeht (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss v. 23.7.1993, 7 Ta 23/93, NZA 1994 S. 335). Die andere Stelle ist nicht verpflichtet, jedes Schriftstück sofort daraufhin zu überprüfen, ob darin etwa eine Rechtsmittelschrift enthalten ist, die an das zuständige Gericht weitergeleitet werden muss (vgl. BSG, Urteil v. 26.11.1987, 2 RU 42/87, Breithaupt 1988 S. 429). Die andere Stelle ist insbesondere auch nicht verpflichtet, ggf. Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtzeitigen Eingang der Rechtsmittelschrift beim zuständigen Gericht zu gewährleisten; das zu erwartende pflichtgemäße Handeln der angegangenen Stelle beschränkt sich darauf, die Rechtsmittelschrift im ordnungsgemäßen Geschäftsgang weiterzuleiten (vgl. BSG, Beschluss v. 10.12.1974, GS 2/73, NJW 1975 S. 1380; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 17.3.2005, 1 BvR 950/04, NJW 2005 S. 2137 betreffend das vorbefasste Gericht).

 

Rz. 5

Die Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang erfordert nicht die telefonische Benachrichtigung des Rechtsmittelführers über die falsche Adressierung oder die Weiterleitung des Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht per Telefax (BAG, Urteil v. 20.8.1997, 2 AZR 9/97, NJW 1998 S. 923, Rohwer-Kahlmann, SGG, VII/2000, § 151 Rn. 14). Neben der von Verfassungs wegen gebotenen fairen Verfahrensgestaltung ist zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Danach muss der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 20.6.1995, 1 BvR 166/93, BVerfGE 93 S. 99, 114). Die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht werden überspannt, wenn den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und den unzuständigen Gerichten übertragen werden (BVerfG, Beschluss v. 17.1.2006, 1 BvR 2558/05, NJW 2006 S. 1579; Beschluss v. 3.1.2001, 1 BvR 2147/00, NJW 2001 S. 1343; vgl. auch VerfGH Saarland, Beschluss v. 19.11.2007, Lv 9/06). Ist für das unzuständige Gericht ohne weiteres zu erkennen, dass die Rechtsmittelschrift an ein anderes Gericht hätte gerichtet werden müssen, hat es sie an letzteres im ordentlichen Geschäftsgang weiterzuleiten (BGH, Beschluss v. 17.8.2011, XII ZB 50/11, NJW 2011 S. 3240; Beschluss v. 24.6.2010, V ZB 170/09, WuM 2010 S. 592; Urteil v. 1.12.1997, II ZR 85/97, NJW 1998 S. 908; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 17.1.2006, 1 BvR 2558/05, NJW 2006 S. 1579; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 151 Rn. 73). Wäre der fristgerechte Eingang der Rechtsmittelschrift beim zuständigen Gericht bei der gebotenen Weiterleitung zu erwarten gewesen, ist dem Rechtsmittelführer bei unterbliebener Weiterleitung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu gewähren, wenn er vom zuständigen Gericht zutreffend über die Einlegung der Beschwerde belehrt worden ist (BGH, Beschluss v. 17.8.2011, XII ZB 50/11, NJW 2011 S. 3240; BAG, Urteil v. 20.8.1997, 2 AZR 9/97, NJW 1998 S. 923; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 17.3.2005, 1 BvR 950/04, NJW 2005 S. 2137 betreffend das vorbefasste Gericht; Leitherer...

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