Rz. 8

Ein in der sozialgerichtlichen Praxis, die von dem Umgang mit medizinischen Sachverhalten in einer Vielzahl von Fällen geprägt ist, bedeutsames Beweismittel ist der Beweis durch Sachverständige. Das Gericht erhebt diesen Beweis, wenn es nicht über die ausreichende Sachkunde zur Bewertung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verfügt. Das Gericht hat etwa Zurückhaltung zu üben bei dem Versuch, mit Hilfe der Versorgungsmedizinischen Grundsätze die innerhalb eines aus anderem Anlass und in anderem Zusammenhang über den Kläger erstatteten Sachverständigengutachtens erhobenen Befunde mit Einzel-GdB zu belegen und den Rechtsstreit ohne weitere medizinische Ermittlungen zu entscheiden (Bay LSG, Urteil v. 12.12.2000, L 18 SB 119/99, Breithaupt 2001 S. 456 ff., für die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit). Ähnlich verhält es sich in Fällen, da in Gestalt von Gutachten verschiedener Fachrichtungen medizinische Einzelbeurteilungen vorliegen und es nur noch einer Gesamtbeurteilung bedarf. Auch in solch einem Fall überschreitet das Gericht regelmäßig die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung, wenn es diese Gesamtbeurteilung selbst vornimmt (BSG, Urteil v. 10.12.2003, B 5 RJ 24/03 R, SozR 4-1500 § 128 Nr. 3). Ansonsten ist das Gericht in seinen Ermittlungen frei. Ob das Gericht den Beweis durch Sachverständige erhebt oder etwa den Versuch unternimmt, über die Einholung von Befundberichten eine Klärung herbeizuführen, entscheidet der zuständige Richter in richterlicher Unabhängigkeit. Jegliche mit Einsparüberlegungen begründete Versuche der Justizverwaltung, Einfluss auf die Ermittlungsweise des Richters zu nehmen, sind ggf. zurückzuweisen unter Hinweis auf dessen Rechtsstellung.

§ 118 Abs. 1 verweist ausnahmslos auf die Vorschriften der ZPO zum Beweis durch Sachverständige, § 402 ZPO seinerseits erklärt die Vorschriften der ZPO über den Beweis durch Zeugen generell für entsprechend anwendbar.

§ 404 ZPO gibt dem Gericht ein Auswahlermessen bei der Bestellung zum Sachverständigen. Eine Ausnahme besteht für das sozialgerichtliche Verfahren nur, wenn Antrag nach § 109 gestellt ist. Es besteht auch kein gesetzlicher Ausschluss der Bestellung von Sachverständigen, die auch für Sozialversicherungsträger tätig werden (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 22.12.2006, L 4 B 12/06 U, UV-Recht Aktuell 2007 S. 134 ff.) . Eine solche Vorgehensweise des Gerichts ist allein nicht geeignet, Zweifel an seiner Eigenständigkeit bzw. Unabhängigkeit zu begründen (BSG, Beschluss v. 8.12.1998, B 2 U 222/98 B, HVBG-INFO 1999 S. 258 ff.; Bay LSG, Beschluss v. 9.10.2002, L 2 B 278/02 U, HVBG-INFO 2002 S. 3081 f.).

Sachverständiger ist immer eine natürliche Person, wie den §§ 402 ff. ZPO inzidenter zu entnehmen ist.

In § 404a ZPO kommt zum Ausdruck, dass der Sachverständige als Hilfsperson des Richters fungiert. Der Richter behält die Verantwortung für den Rechtsstreit. Der Richter bestimmt auch insbesondere, ob zur Bewertung eines medizinischen Sachverhalts das bloße Aktenstudium ausreichend erscheint oder ob eine ambulante oder gar stationäre Untersuchung des Beteiligten vorgenommen werden soll. In der Praxis geschieht es aber nicht selten, dass der Sachverständige dem Gericht gegenüber anregt, seine betreffende Entscheidung zu überprüfen. Gleiches gilt hinsichtlich der Einholung von Zusatzgutachten (vgl. § 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der verständige Richter wird sich diesen Anregungen, insbesondere wenn sie mit einer substantiierten medizinischen Begründung einhergehen, nur mit guten Gründen verschließen können, wobei auch hier fiskalische Überlegungen unzulässig sind.

Geht mit der Erstattung des Sachverständigengutachtens eine körperliche Untersuchung eines Beteiligten einher, so hat dieser Beteiligte grundsätzlich ein Recht auf Anwesenheit einer Person seines Vertrauens, etwa auch seines Prozessbevollmächtigten bei der Untersuchung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.2.2010, L 31 R 1292/09 B, juris; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 20.11.2009, L 2 R 516/09 B, juris).

 

Rz. 8a

§ 406 ZPO verweist hinsichtlich der Ablehnung eines Sachverständigen auf §§ 41, 42 ZPO mit der Einschränkung des § 406 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Sozialgerichtliche Besonderheiten sind dabei zu berücksichtigen. So würde es insbesondere einen Wertungswiderspruch zu dem Recht des Klägers nach § 109 darstellen, einen Arzt seiner Wahl und damit oftmals einhergehend seines Vertrauens als Sachverständigen beauftragen zu lassen, würde man bei diesem Arzt allein deshalb, weil er Behandler des Klägers ist und bereits in Kurzform eine für diesen prozessual günstige Bewertung abgegeben hat, die Besorgnis der Befangenheit annehmen.

Für eine Besorgnis der Befangenheit reicht es auch nicht aus, dass der Sachverständige in einem anderen Verfahren einmal eine für den Kläger ungünstige Stellungnahme abgegeben hat (BayLSG, Beschluss v. 14.1.2011, L 2 SB 183/10 B, juris). Auch können etwaige sachliche Mängel des Gutachtens nicht die Besorgnis der Vergangenheit rec...

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