2.1 § 113 Abs. 1

 

Rz. 2

Tatbestandsvoraussetzung der Verbindung i. S. d. § 113 Abs. 1 ist das Bestehen eines Zusammenhangs der streitgegenständlichen Ansprüche oder eine Sachlage dergestalt, dass die Ansprüche von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

Der Begriff des Zusammenhangs ist mit Blick auf die Zweckrichtung der Vorschrift auszulegen. Dem Gericht soll es ermöglicht werden, Verfahrensschritte, die identisch wären oder zumindest Gemeinsamkeiten aufweisen würden, auf ein Verfahren zu konzentrieren. Eine rechtliche Identität der zugrundeliegenden Ansprüche ist dementsprechend nicht erforderlich.

In Zusammenhang stehen die Ansprüche immer dann, wenn über sie seitens der Verwaltung innerhalb eines einzigen Widerspruchsverfahrens mit einem Widerspruchsbescheid entschieden worden ist. Wenn ein Kläger etwa aus Gründen der Übersichtlichkeit seine Begehren trennt und gegen die betreffenden Teile des Bescheids verschiedene Klagen erhebt, so ist es dem Gericht gestattet, wegen der Existenz eines einzigen zusammenfassenden Widerspruchsbescheids die Ansprüche zusammenzuführen.

 

Rz. 3

Die zweite Tatbestandsalternative des § 113 Abs. 1 verweist auf § 56, aber auch auf § 74 SGG i. V. m. §§ 59, 60 ZPO. Eine eigenständige Bedeutung dieser Alternative ist nicht erkennbar angesichts der Tatsache, dass gerade § 56 SGG neben weiteren Voraussetzungen auch das Zusammenhangserfordernis ausdrücklich normiert.

 

Rz. 4

Gegenstand der Verbindung sind mehrere bei dem Gericht anhängige Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten oder verschiedener Beteiligter. Bei verschiedenen Beteiligten wird durch die Verbindung eine Streitgenossenschaft geschaffen (vgl. BSG, Urteil v. 3.2.1988, 9/9a RV 36/86, SozR 3200 § 88 Nr. 5). In derartigen Fällen und in Fällen, in denen denselben Beteiligten in den jeweiligen Verfahren unterschiedliche Rollen zukommen, sollte der Rationalisierungseffekt der Verbindung indessen sehr hoch sein und den Wegfall von Übersichtlichkeit überwiegen.

 

Rz. 5

Die Rechtsstreitigkeiten müssen bei ein- und demselben Gericht anhängig sein. Nicht erforderlich ist die Anhängigkeit bei ein- und demselben Spruchkörper. Allerdings sind bei der Verbindung von bei verschiedenen Spruchkörpern anhängigen Streitsachen die unterschiedlichen Besetzungen wegen der differenzierten Qualifikationserfordernisse der ehrenamtlichen Richter gemäß § 12 zu beachten. Die Verbindung einer Angelegenheit der Sozialversicherung mit einer Angelegenheit des sozialen Entschädigungsrechts etwa ist nicht möglich.

 

Rz. 6

Die Verbindung erfolgt zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang zu bringen ist die Auffassung, eine Verbindung sei allein zur gemeinsamen Beweisaufnahme zulässig. Hierfür besteht auch de lege ferenda kein Anlass, denn das Gericht ist durchaus befugt, ohne formelle Verbindung für zwei Verfahren etwa einen einheitlichen Gutachtenauftrag zu erteilen mit aus beiden Verfahren zusammengefassten Beweisfragen (BSG, Beschluss v. 28.8.1989, 2 BU 128/89, juris; inzwischen auch Zeihe, § 113 Rn. 8a).

Durchaus möglich wiederum ist die Verbindung zweier Rechtsstreitigkeiten innerhalb der mündlichen Verhandlung einer dieser beiden Verfahren. Indessen ist im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG sehr sorgfältig zu prüfen, ob die Beteiligten auch hinsichtlich des hinzugekommenen Anspruchs ausreichend vorbereitet und zu sachdienlichem Vortrag in der Lage sind.

 

Rz. 7

Die Entscheidung über die Verbindung steht im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Gerichts. Gegen eine Verbindung wird regelmäßig die Entscheidungsreife einer der Streitigkeiten sprechen.

Als verfahrensfehlerhaft i. S. v. § 160 stellt sich eine Verbindung allenfalls dann dar, wenn sie willkürlich, ohne sachlichen Grund beschlossen wurde und wenn ein Beteiligter dadurch in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt worden ist (BSG, Beschluss v. 29.7.2005, B 7a AL 162/05 B, juris; BSG, Beschluss v. 25.2.2010, B 11 AL 114/09 B, juris).

Das Unterlassen einer Verbindung begründet keinen Verfahrensmangel, auf dem die Sachentscheidung zu den verschiedenen Streitgegenständen beruhen kann (BSG, Beschluss v. 17.6.2009, B 6 KA 36/08 B, juris).

 

Rz. 8

Die Verbindung erfolgt durch Beschluss. Der Beschlusstenor kann etwa lauten:

 

Die Streitsache ... wird mit der Streitsache ... zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen ... als dem gemeinsamen Aktenzeichen fortgeführt.

Einer mündlichen Verhandlung zur Beschlussfassung bedarf es nach Maßgabe von § 124 Abs. 3 nicht.

Eine Beschwerde gegen den Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 2 unzulässig. Dies wiederum hat gemäß § 142 Abs. 2 zur Folge, dass der Beschluss nicht begründet zu werden braucht.

Stehen Streitfälle verschiedener Spruchkörper eines Gerichts zur Verbindung, so ist der Beschluss von sämtlichen betroffenen Kammern zu fassen. Das Ansichziehen eines Streitfalls, für den nach Präsidialbeschluss originär keine Zuständigkeit gegeben ist, ist ohne Einvernahme mit dem betreffenden g...

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