Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bei vorhandenem verwertbarem Vermögen

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung setzt u. a. das Bestehen von Hilfebedürftigkeit voraus. Hilfebedürftig i. S. von § 9 SGB 2 ist u. a. derjenige nicht, der seinen Lebensunterhalt durch verwertbares Vermögen bestreiten kann.

2. Geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, sind nur dann vom Vermögen abzusetzen, wenn der Anspruchsinhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann.

3. Ein Verwertungsausschluss besteht bei Vorliegen einer besonderen Härte i. S. von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 2. Alt. SGB 2. Diese liegt u. a. bei einem Selbständigen vor, wenn er bei bestehenden Vertragslücken kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.03.2019; Aktenzeichen B 14 AS 1/18 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 24. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger über seine Bedürftigkeit ausschließendes Vermögen verfügt.

Der 1966 geborene Kläger verfügte über ein Aktiendepot in Höhe von 18.277,88 Euro zum 31. Dezember 2013. Über das Bestehen dieses Depots informierte der Kläger den Beklagten spätestens im Mai 2011. Dabei teilte er mit Schreiben vom 4. Mai 2011 mit, dass die Wertpapiere ausschließlich der Altersvorsorge dienten und von ihm vor dem Eintritt des Rentenalters nicht angetastet werden würden. Mit Schreiben vom 12. September 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Vermögenswerte keinen Einfluss auf die Leistungszahlung hätten, da sie der Alterssicherung dienten und unter der Vermögensfreigrenze lägen. Die Angelegenheit habe sich damit erledigt. Der Kläger bezog in der Folgezeit Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten, zuletzt in Höhe von 749,00 Euro monatlich in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2014 (Bescheid vom 9. September 2014).

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. September 2014 lehnte der Beklagte den Weiterbewilligungsantrag des Klägers für die Zeit ab 1. November 2014 mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 18.277,88 Euro, welches den Vermögensfreibetrag von 7.950,00 Euro überschreite. Er sei daher nicht hilfebedürftig. Die angerechneten Vermögenswerte seien aufgrund der vorgelegten Unterlagen ermittelt worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 zurück.

Die für Folgezeiträume ab Mai 2015 bis einschließlich Mai 2016 gestellten Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatten ebenfalls keinen Erfolg (Zeitraum ab Mai 2015: Bescheid vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2015, Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2016 - S 25 20 AS 946/15 - rechtskräftig; Zeitraum ab Oktober 2015: Bescheid vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2016, Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2017 - S 25 AS 573/16 -, Berufung anhängig unter dem Az. L 9 AS 522/17; Zeitraum Mai 2016: Bescheid vom 28. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2016, Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2017 S 25 AS 574/16 -, Berufung anhängig unter dem Az. L 9 AS 523/17).

Der Kläger hat gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 15. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2014 am 12. Dezember 2014 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe dem Beklagten schon im Jahre 2011 mitgeteilt, dass sein Aktiendepot für ihn die einzige Alterssicherung sei. Der Beklagte habe ihm damals mitgeteilt, dass das Depot nur dann als Alterssicherung anerkannt werden könne, wenn er schriftlich auf die Verwertung des Depots vor dem Eintritt des Rentenalters verzichten würde. Daraufhin habe der Kläger dem Beklagten die schriftliche Verzichtserklärung vom 4. Mai 2011 eingereicht. Auch in einem weiteren Schreiben aus dem Jahr 2011 habe ihm der Beklagte die Auskunft erteilt, dass die Verzichtserklärung Grundlage dafür sei, dass § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II anwendbar sei und die Vermögensfreigrenze in Höhe von 50.250,00 Euro gelte. Damit sei das Depot als Alterssicherung anerkannt worden. Der Beklagte müsse diese Zusicherung einhalten. Weitere Zukäufe zum Depot seien aufgrund dieser Zusicherung erfolgt. Es handele sich um eine besondere Härte. Der Kläger habe eine Rente von nur 130,80 Euro monatlich zu erwarten. Es bestehe eine Versorgungslücke. Im Alter wäre oh...

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