Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Unfallentschädigung für einen landwirtschaftlichen Unternehmer erst ab einer Mindest-MdE von 30 %

 

Leitsatz (amtlich)

§ 80 a Abs. 1 SGB VII verstößt nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz, soweit die Vorschrift Rente für den nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a versicherten Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens erst bei einer Mindest-MdE von 30 v. H. vorsieht.

 

Orientierungssatz

1. Eine Gesundheitsstörung muss, um als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt zu werden, im Vollbeweis nachgewiesen sein, d. h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen.

2. Für die Kausalitätsfeststellung zwischen dem durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen gilt der geringere Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.

3. Landwirtschaftliche Unternehmer erhalten im Gegensatz zur Regelung in § 56 Abs. 1 SGB 7 nach § 80a Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB 7 Rente erst bei einer Mindest-MdE von 30 %. Die Regelung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

4. Bei der Unfallversicherung für die landwirtschaftlichen Unternehmer geht es um eine genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Basis aufgebaute Eigenhilfe. Der Berufsstand der landwirtschaftlichen Unternehmer geht davon aus, dass bei Verletzungen, die eine MdE von weniger als 30 % bedingen, kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1970 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Die Klägerin wurde am 1. März 2008 gegen 10:40 Uhr im Rahmen ihrer Tätigkeit als selbstständige Pferdewirtin beim Verladen eines Pferdes von diesem getreten und am Kopf- sowie Brustbereich getroffen. Sie verlor das Bewusstsein und konnte sich an den Vorgang und die Ereignisse danach nicht erinnern. In dem D-Arztbericht vom 3. März 2008 werden als Erstdiagnosen ein Schädelhirntrauma I. Grades, eine große Riss-/Quetschwunde occipital, eine dislozierte NC-V-Köpfchenfraktur rechts, eine Thoraxprellung sowie eine Alveolarfortsatzfraktur 11-24 genannt. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 Verletztengeld vom 1. März 2008 bis zum 20. Juni 2008 sowie die zur Behandlung der Verletzungsfolgen notwendige Heilbehandlung. Die Klägerin gab im Jahr 2010 ihren Betrieb auf. Sie ist seitdem nicht mehr erwerbstätig gewesen.

Am 11. Mai 2010 stellte die Klägerin einen Rentenantrag bei der Beklagten und gab an, dass sie bei körperlicher Anstrengung Kopfschmerzen und Schwindelgefühle bekomme. Sie sei vergesslich geworden und könne sich nicht mehr konzentrieren. Sie könne ihre Arbeit mit den Pferden und Reitschülern nicht mehr ausüben. Die Klägerin gab weiter an, dass sie keine Schmerzmittel einnehme, sondern bei ihrem Hausarzt seit 05/2008 eine Neuraltherapie absolviere. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei sowie die Ergebnisse einer Computertomographie (CT) vom 8. Mai 2008 und einer Magnetresonanztomographie (MRT) vom 24. November 2010, welche im Bereich des Schädels einen altersentsprechenden unauffälligen Befund zeigten. Die Beklagte ließ sodann ein nervenärztliches Gutachten der Ärzte Dr. Dr. D. und Dr. E. vom 12. Januar 2011 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin F. vom 13. Dezember 2010 und einem klinisch-psychologischen Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin G. vom 13. November 2010 erstatten. Die Diplom-Psychologin F. stellte dabei gewisse Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bezüglich der geringen Belastbarkeit und herabgesetzten Konzentrationsleistungen fest. Ein begründeter Simulationsverdacht bestünde nicht, die Äußerungen der Klägerin hätten aber teilweise im Widerspruch zur Verhaltensbeobachtung gestanden. Eine Einschränkung der visuellen Verarbeitung habe nicht nachgewiesen werden können. Der Nachweis einer exekutiven Störung gelinge eindeutig. Es hätten sich deutliche Schwierigkeiten bei einer komplexen Aufgabenstellung sowie Defizite in den korrespondierenden Aufmerksamkeitsbereichen gezeigt, so dass eine exekutive Dysfunktion nicht auszuschließen sei. Die Auffälligkeiten in der Aufmerksamkeitsprüfung ließen sich am ehesten dadurch erklären, dass die Klägerin entsprechend ihrer eigenen Erwartungen, begründet durch die subjektiv wahrgenommene erheblich herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit und psychophysische Belastbarkeit in ihrem Alltag, deutlich verlangsamt reagiert habe. Die Diplom-Psychologin G. beschrieb bei der Klägerin eine somatoforme Störung. Die Ä...

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