Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG. fortgelte Aufenthaltsbefugnis gem § 30 Abs 4 AuslG 1990 als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG 2004. langjähriger Aufenthalt. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtkonformität

 

Orientierungssatz

1. Eine staatenlose Person, der im Jahr 1993 eine Aufenthaltsbefugnis gem § 30 Abs 4 AuslG 1990 erteilt wurde, welche als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG 2004 fortgilt, ist leistungsberechtigt gem § 1 AsylbLG und daher - unabhängig von der Aufenthaltsdauer - gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2 von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen.

2. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2 ist verfassungsgemäß und verletzt nicht Europarecht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.12.2014; Aktenzeichen B 14 AS 8/13 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 07. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die im Jahr 1989 in AN. geborene und in A-Stadt wohnhafte Klägerin ist ausweislich der vorliegenden Akten staatenlos. Sie ist Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Das Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel enthält die Angabe "Beschäftigung jeglicher Art erlaubt. Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet." In den Jahren 2009 und 2010 bezog die Klägerin mit ihrer im Jahr 2008 geborenen Tochter zeitweise Leistungen nach dem SGB II, zuvor bezog sie zeitweise auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zuletzt wurde die Leistungsgewährung nach dem SGB II durch Aufhebung des Bewilligungsbescheides durch Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 ab dem 01. Juni 2010 aufgehoben. Sie erhielt Leistungen nach dem AsylbLG (zuletzt Bescheid vom 13. Januar 2011 bezüglich des Zeitraumes Februar bis Mai 2011).

Im Februar 2011 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 04. März 2011 unter Hinweis auf das Bestehen eines Leistungsanspruchs nach dem AsylbLG abgelehnt. Der hiergegen mit Schreiben vom 10. März 2011 eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 02. Mai 2011 zurückgewiesen.

Die Klägerin erhob am 12. Mai 2011 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie war der Ansicht, dass sie kein "Fall des § 25 Abs. 5 AufenthG" sei. Sie sei nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Es sei niemals gegen sie eine Ausreiseverfügung erlassen worden. Sie könne daher nicht auf die beschränkten Leistungen nach dem AsylbLG verwiesen werden, deren Grund gerade darin liege, dass der hiernach leistungsberechtigte Ausländer sich "eigentlich" gar nicht mehr in Deutschland aufhalten solle. Sie sei auch nicht, wie die Berechtigten nach dem AsylbLG, in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt; vielmehr seien ihr Beschäftigungen jeglicher Art gestattet. Sie zähle gerade zu dem Personenkreis, der von dem Beklagten - ganz im Unterschied zu den Leistungsberechtigten des AsylbLG - gefordert und gefördert werden solle. Die Klägerin legte ein Schreiben des Ordnungsamts der Stadt A-Stadt vom 07. Oktober 2011 vor, wonach die ihr am 02. Juli 1993 erteilte Aufenthaltsbefugnis nach § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG fortgilt. Die Klägerin war darüber hinaus der Ansicht, dass aufgrund der gesetzlichen Regelungen weder für die Ausländerbehörde noch für sie die Möglichkeit bestehe, einen Aufenthaltstitel nach einer anderen Vorschrift des AufenthG zu erhalten. Ein Rechtssatz in dem Sinne, dass der Beklagte oder das angerufene Gericht daran gebunden seien, ihr Leistungen nach dem SGB II zu versagen, weil die Ausländerbehörde ihr aus ausländerrechtlichen Gründen den Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG gegeben habe, bestehe nicht. Das Gericht sei frei darin zu entscheiden, dass der Aufenthalt der Klägerin nicht den Aufenthaltsstatus nach § 25 Abs. 5 AufenthG darstelle, den das SGB II als Leistungsausschlussgrund normiere. Es lägen daher keine Gründe vor, sie aus dem nach dem SGB II zu fordernden und zu fördernden Personenkreis auszunehmen.

Der Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin einen Leistungsanspruch nach dem AsylbLG habe. Damit sei sie von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Es gebe keine Öffnungsklausel und kein Ermessen, wonach eine anderweitige Entscheidung zu treffen möglich wäre. Ursache des Leistungsausschlusses sei der Aufenthaltsstatus der Klägerin. Hierfür sei der Beklagte nicht zuständig.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies durch Ger...

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