Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Aussicht auf Übernahme in ein Richterverhältnis auf Probe. Beteiligung des Richterwahlausschusses. konkreter Anhaltspunkt

 

Orientierungssatz

Bei einer Eigenkündigung liegt grobe Fahrlässigkeit iS von § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 vor, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung keine konkreten Anhaltspunkte auf einen Anschlussarbeitsplatz hat. Konkrete Anhaltspunkte für die Übernahme in ein Richterverhältnis auf Probe und somit für die Annahme, einen neuen Arbeitsplatz zu erhalten, liegen nicht vor, wenn nach § 8 RiG HE der Richterwahlausschuss noch nicht mitentschieden hat.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen das Ruhen seines Arbeitslosengeldanspruchs im Zeitraum vom 1. September 2018 bis 31. Oktober 2018 wegen Eintritts einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.

Der 1980 geborene Kläger war als angestellter Rechtsanwalt zunächst bei der Kanzlei B. und Partner vom 15. Februar 2017 bis 31. März 2018 und anschließend bei der Kanzlei E. und Partner vom 1. April 2018 bis 31. August 2018 jeweils in B-Stadt in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig.

Er meldete sich am 30. Mai 2018 mit Wirkung zum 1. September 2018 bei der Agentur für Arbeit München arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab gegenüber der Beklagten am 28. August 2018 an, das letzte Arbeitsverhältnis am 29. Mai 2018 zum 31. August 2018 gekündigt zu haben, da er seit Anfang Mai die ernsthafte Aussicht auf Einstellung als Richter beim Hessischen Finanzgericht in Kassel habe und mit einer Einstellung zum 1. November 2018 rechne.

Der Kläger wurde zum 1. November 2018 als Richter beim Hessischen Finanzgericht eingestellt.

Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 3. September 2018 teilte die Beklagte dem Kläger den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. September 2018 bis 23. November 2018 mit. Dazu führte sie aus, während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma E., C., G. und Partner durch eigene Kündigung selbst gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Der Kläger habe keinen wichtigen Grund für sein Verhalten mitgeteilt. Die Sperrzeit dauere 12 Wochen. Sie mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage - ein Viertel der Anspruchsdauer. Die Entscheidung beruhe auf §§ 159, 148 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III). Auch nach Ablauf der Sperrzeit würden dem Kläger keine Leistungen gezahlt, weil er am 1. November 2018 eine Arbeit aufnehmen werde und somit nicht arbeitslos sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10. September 2018 Widerspruch ein und machte geltend, schon vor der Kündigung bei E. die konkrete Aussicht auf Einstellung als Richter beim Hessischen Finanzgericht gehabt zu haben. Bei seiner Vorstellung dort Anfang Mai habe man ihm mitgeteilt, dass man seine Einstellung empfehlen werde. Er habe also einen Anschlussarbeitsplatz und damit einen wichtigen Grund für seine Kündigung gehabt. Er sei von einer Einstellung zum 1. November 2018 ausgegangen. Angesichts erforderlicher Wohnungssuche und Umzug nach A-Stadt sei der Zeitraum von zwei Monaten zwischen Ende der bisherigen und Beginn der neuen Beschäftigung so bemessen, dass von einem Anschlussarbeitsplatz auszugehen sei. Jedenfalls habe er sich nicht im Sinne der Sperrzeitbestimmung versicherungswidrig verhalten. Die Voraussetzungen für den Sperrzeiteintritt würden nicht vorliegen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit E-Mail vom 10. Oktober 2018 u.a. Folgendes mit: „Wie ich in meinem Widerspruch dargelegt habe, hatte ich mich bereits am 02.05.2018 beim Hessischen Finanzgericht vorgestellt. Dort hatte mir der damalige Präsident des Finanzgerichts, Herr D., persönlich mitgeteilt, man werde meine Einstellung empfehlen. […] In jedem Fall bestanden auf Grund des vorstehend Geschilderten ernstzunehmende Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz […]

Präsident D. teilte mir am 02.05.2018 zudem mit, eine Einstellung werde wegen der verwaltungsinternen Abläufe (Hessisches Ministerium der Justiz, Richterwahlausschuss) nicht mehr vor seiner Pensionierung zum Ablauf des 30.09.2018 erfolgen. […] Beim Hessischen Ministerium der Justiz teilte man mir später telefonisch mit, dass der Richterwahlausschuss am 09.10.2018 tagt, weshalb eine Einstellung ab dem 01.11.2018 möglich sei.“

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Arbeitsaufnahme ab 1. November 2018 auf.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2018 als unbegründet zurück. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis bei E., C., G. und Partner zum 31. August 2018 durch...

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