Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vereinbarkeit von satzungsrechtlichen Regelungen mit höherrangigem Recht. Bezuschussung von Sehhilfen für Erwachsene

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Vereinbarkeit von satzungsrechtlichen Regelungen einer Krankenkasse mit höherrangigem Recht (hier: Bezuschussung von Sehhilfen für Versicherte ab 18 Jahren).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Satzungsänderung der Klägerin.

Die Klägerin beabsichtigte u. a., zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen Leistungen ab dem 1. Januar 2013 Versicherten für alle ausgestellten personalisierten Rechnungen zu Brillen und Kontaktlinsen ab Vollendung des 18. Lebensjahres einen Zuschuss in Höhe von maximal 50,00 € - unabhängig von einer Änderung der Sehfähigkeit - alle zwei Kalenderjahre zu gewähren. Der Anspruch auf diese Leistung sollte bestehen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung eine ungekündigte Mitgliedschaft oder eine Familienversicherung vorliege. Einen entsprechenden Entwurf für den 3. Satzungsnachtrag zur Satzung der Klägerin vom 1. Januar 2011 leitete die Klägerin der Beklagten mit der Bitte um Vornahme einer Vorprüfung am 31. Oktober 2012 zu. Im Rahmen der Vorprüfung wies die Beklagte mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 darauf hin, dass für die geplanten zusätzlichen Satzungsleistungen Konkretisierungsbedarf gesehen werde. Aufgrund der Formulierung “Zuschuss für Brillen„ sei zunächst nicht ersichtlich, ob der geplante Zuschuss für Brillengestelle oder Brillengläser oder für beides gezahlt werden solle. Zudem sei eine augenärztliche Untersuchung und Verordnung zu fordern. Darüber hinaus solle eine Altersgrenze (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres) eingeführt werden, die sich an der Familienversicherung - § 10 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) - orientiere. Gegen die Bezuschussung von Prämien für eine Pflegezusatzversicherung (Art. II Anlage 2 § 14) bzw. gegen die geplanten Regelungen zum Wahltarif Selbstbehalt (Art. I § 12a Abs. IX) bestünden hingegen keine Bedenken. Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 11. Dezember 2012 eine Ergänzung in dem Art. I § 12 Abs. VII (Leistungen) der Satzung vom 1. Januar 2011 mit dem folgenden Inhalt:

“Zusätzliche Leistungen Die Betriebskrankenkasse übernimmt ab dem 01.01.2013 zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen Leistungen die nachfolgend aufgeführten Leistungen aus dem Bereich Hilfsmittel für alle Versicherten ab 18 Jahren.

Die Leistung, Zuschuss für Brillengläser und Kontaktlinsen bei einer vorliegenden Sehschwäche, wird nach erfolgter augenärztlicher Untersuchung alle zwei Kalenderjahre, unabhängig von der Änderung der Sehfähigkeit, mit einem Maximalbetrag von insgesamt bis zu 50,00 € bezuschusst. Liegen die Kosten dieser Leistung unter dem genannten Zuschuss, wird maximal der tatsächliche Rechnungsbetrag erstattet.

Die Erstattung erfolgt nach Vorlage einer personalisierten Rechnung eines Augenarztes oder Augenoptikers und einer Verordnung vom Augenfacharzt.

Der Anspruch auf diese Leistung besteht nur, wenn zum Zeitpunkt der Beantragung eine ungekündigte Mitgliedschaft oder Familienversicherung nach § 10 SGB V bei der Betriebskrankenkasse besteht.„

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 die Genehmigung des 3. Nachtrags zu der Satzung vom 1. Januar 2011 bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 30. Januar 2013 genehmigte die Beklagte den vom Verwaltungsrat am 11. Dezember 2012 beschlossenen 3. Nachtrag zur Satzung mit Ausnahme von Art. I § 12 Abs. VII (Zusätzliche Leistungen) und insoweit Art. II (Inkrafttreten) gemäß § 195 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 90 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV). Gegen den vorgesehenen Kostenzuschuss bestünden Bedenken, da die Verordnungsfähigkeit von Sehhilfen (Brillengläser und Kontaktlinsen) für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, nach dem Gesetz und den Hilfsmittelrichtlinien an enge Voraussetzungen geknüpft sei. Die geplante Regelung der Klägerin finde in § 11 Abs. 6 SGB V keine rechtliche Grundlage. Diese Norm ermögliche ein Tätigwerden des Satzungsgebers lediglich innerhalb des vorgegebenen normativen Rahmens und nicht im Sinne einer schrankenlosen Bereichsausweitung. Ähnlich wie beim Zahnersatz, bei dem im Gesetz keine Satzungsausweitung zugelassen worden sei, um das bewährte System von Festbeträgen und Festzuschüssen nicht zu gefährden, verhalte es sich auch bei Sehhilfen und Kontaktlinsen. Die satzungsrechtliche Eröffnung eines voraussetzungslosen Anspruchs für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, stelle einen neuen Versicherungsfall außerhalb des durch § 33 SGB V definierten Bereichs dar.

Hiergegen hat die Klägerin am 27. Februar 2013 Klage bei dem Hessischen Landessozialge...

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