Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit einer Satzungsänderung der Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Nach § 195 Abs. 1 S. 1 SGB 5 i. V. m. § 90 Abs. 1 SGB 4 bedarf eine Satzung bzw. Satzungsänderung in ihrer Gesamtheit der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Sie ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Satzung.

2. Die Satzung darf nach § 194 Abs. 2 SGB 5 keine Bestimmungen enthalten, die den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung widersprechen.

3. Die Krankenkassen dürfen die Leistungen nach Voraussetzungen, Inhalt und Umfang, nicht aber in ihrer Art und Funktion verändern. Im Rahmen des § 11 Abs. 6 S. 1 SGB 5 ist die Krankenkasse auf die Gewährung lediglich zusätzlicher, nicht aber neuer, d. h. anderer als im Gesetz vorgeformter Leistungen, beschränkt.

4. Maßnahmen, die sich als Teil der künstlichen Befruchtung erweisen, regelt das Gesetz allein im Rahmen des § 27a SGB 5 als eigenen Versicherungsfall. Der in § 27a SGB 5 verwendete Begriff der künstlichen Befruchtung erfasst nur Maßnahmen, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen. Dazu zählen nicht eine Kryokonservierung und Lagerung von Samenzellen oder vorsorglich gewonnener Eizellen für die Wiederholung eines Versuchs der Befruchtung (BSG Urteil vom 12. 9. 2015, B 1 KR 15/14 R).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Satzungsänderung der Klägerin.

Die Klägerin beabsichtigte u.a., zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen Leistungen ab dem 1. Januar 2015 Versicherten für eine im Geltungsbereich ihrer Satzung vorgenommene Kryokonservierung - Aufbewahren von Zellen oder Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff - (Konservierungsvorgang, Lagerung sowie Auftauzyklus), die im Zusammenhang mit einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung medizinisch empfohlen und wegen einer bei ihnen nachgewiesenen Krebserkrankung (gesicherte Diagnose Hoden- bzw. Eierstock-/Gebärmutterkrebs) erforderlich sei, einen Zuschuss von maximal 1.200 EUR zu den dafür anfallenden Kosten zu gewähren. Der Anspruch auf diese Leistung sollte bestehen, wenn der Versicherte während der gesamten Maßnahme und zum Zeitpunkt der Beantragung des Zuschusses bei der Klägerin versichert sei und der Nachweis der Krebserkrankung durch ein ärztliches Attest erfolge. Einen entsprechenden Entwurf für den 64. Nachtrag zur Satzung der Klägerin vom 1. März 2003 leitete die Klägerin der Beklagten mit der Bitte um Vornahme einer Vorprüfung am 7. Juli 2014 zu. Im Rahmen der Vorprüfung wies die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juli 2014 darauf hin, dass die Kryokonservierung in zeitlicher Hinsicht nicht unmittelbar der Herbeiführung einer Schwangerschaft in Ersetzung des natürlichen Zeugungsaktes diene. Ihre Bedeutung liege darin, im Fall des Scheiterns des Befruchtungsversuchs die Durchführung weiterer Befruchtungsmaßnahmen unter Vermeidung erneuter Eingriffe zu ermöglichen. Dies sei eine präventive Maßnahme, die neben dem betreffenden einzelnen Befruchtungsvorgang stehe und diesem nicht mehr zuzurechnen sei. Die Leistungsvoraussetzungen seien in § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) abschließend genannt, sodass eine Genehmigung im Rahmen des § 11 Abs. 6 SGB V ausscheide. Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 16. Juli 2014 eine Ergänzung in dem Art. I Ziff. 3 § 22 Buchst. d) der Satzung der Klägerin vom 1. März 2003 mit dem folgendem Inhalt:

"IV. Versicherte, die Anspruch auf Leistungen nach Absatz I. und II. haben, erhalten für eine im Geltungsbereich dieser Satzung vorgenommene Kryokonservierung (Konservierungsvorgang, Lagerung sowie Auftauzyklus), die im Zusammenhang mit einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung medizinisch empfohlen und wegen einer bei ihnen nachgewiesenen Krebserkrankung (gesicherte Diagnose Hoden- bzw. Eierstock-/Gebärmutterkrebs) erforderlich ist, einen Zuschuss zu den dafür anfallenden Kosten. Der Nachweis der Krebserkrankung erfolgt durch die Vorlage eines ärztlichen Attests. Die Einhaltung des Deutschen Embryonenschutzgesetzes gilt als Voraussetzung. Der Leistungserbringer muss in entsprechender Anwendung des Absatzes III. zugelassen bzw. berechtigt sein.

V. Die Versicherten erhalten den Zuschuss nachträglich auf Antrag. Der Zuschuss beträgt maximal 600 EUR, jedoch nicht mehr als die tatsächlich entstandenen Kosten. Sind die Voraussetzungen des Absatz II. gegeben, erhöht sich der Zuschuss auf maximal 1.200 EUR begrenzt auf die tatsächlich entstandenen Kosten. Voraussetzung ist die Vorlage des ärztlichen Attests gemäß Absatz IV. Satz 2, der Originalrechnung des Leistungserbringers und des Zahlungsnachweises des Versicherten als Nachweis der Anspruchsvoraussetzung und als zahlungsbegründende Unterlagen. Der Antrag ist zusammen mit dem Antrag auf Kost...

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