Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch einer Krankenkasse auf Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen durch eine andere Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Für die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung des sozialversicherungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gelten die gleichen Regeln wie für den Unterlassungsanspruch nach dem UWG. Nach dem entsprechend anwendbaren § 12 UWG ist den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt, einem unlauteren Wettbewerb auch im Wege einer Abmahnung und einer einstweiligen Verfügung ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der sonst im gerichtlichen Verfahren erforderlichen Voraussetzungen entgegenzutreten.

2. Nach § 4 Abs. 3 S. 2 SGB 5 können Krankenkassen die Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen von anderen Krankenkassen verlangen (BSG Urteil vom 21. 3. 1998, B 1 KR 9/95 R).

3. Für einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung stellt es eine unsachliche Werbemaßnahme dar, wenn er einen Arbeitgeber auffordert, seinen Beschäftigten einen Kassenwechsel zu empfehlen.

4. Mit den Wettbewerbsgrundsätzen ist es auch nicht zu vereinbaren, mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2018 aufgehoben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Bundesrepublik Deutschland

a) an Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber heranzutreten und diese aufzufordern, die Krankenkassen-Leistungen der Antragsgegnerin den Beschäftigten des Unternehmens zu empfehlen sowie

b) mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten mit der Maßgabe angedroht, dass die Haft an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin zu vollziehen ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2018 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Bundesrepublik Deutschland

a) an Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber heranzutreten und diese aufzufordern, die Krankenkassen-Leistungen der Antragsgegnerin den Beschäftigten des Unternehmens zu empfehlen,

und/oder

b) mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird,

und/oder

c) mit Hilfe von Wechselprämien um Mitglieder zu werben,

wenn dies jeweils geschieht wie in Anlage AS 1 wiedergegeben,

ist in dem tenorierten Umfang begründet.

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt in dem angefochtenen Beschluss mangelt es dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit zunächst nicht am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Bezüglich des vorliegend auf § 4 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) gestützten Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin ist auf die spezialgesetzlichen Regelungen in § 12 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zurückzugreifen, durch welche die in § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geforderten Voraussetzung der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs verdrängt wird. Durch Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG gelten für die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung des sozialversicherungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die gleichen Regeln wie für den Unterlassungsanspruch nach dem UWG. Das bedeutet vor allem, dass Krankenkassen einem unlauteren Wettbewerb auch im Wege einer Abmahnung entgegentreten können und einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der sonst im gerichtlichen Verfahren erforderlichen Voraussetzung erlassen werden können (G. Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 4 SGB V, Rn. 35). Der Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG verfolgt das Ziel den Krankenkassen die Möglichkeit einzuräumen, einem unlauteren Wettbewerb im Wege der Abmahnung und des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG unter Beachtung einer gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung entgegenzutreten. Diese folgt aus § 12 Abs. 2 UWG,...

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