Entscheidungsstichwort (Thema)

Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung

 

Orientierungssatz

§ 158 Abs 2 VwGO ist im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin, die ein Seniorenheim betreibt, begehrte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Gießen von der Antragsgegnerin - der Schiedsstelle gemäß § 76 SGB XI - die vorläufige Festsetzung höherer Pflegevergütungen in zahlenmäßig bestimmter Höhe. Nachdem die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 11. Juni 2002 zahlenmäßig bestimmte Pflegesätze festgelegt hatte, erklärte die Antragstellerin den Eilantrag für erledigt und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dem entsprach das Sozialgericht mit Beschluss vom 20. Mai 2003 mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe durch ihr Verhalten Anlass für die beantragte einstweilige Anordnung gegeben, da sie sich zunächst geweigert habe, die Pflegeentgelte in konkreter Höhe festzusetzen, obwohl dies erforderlich gewesen sei, da die Antragstellerin und die Verbände der Pflegekassen sich nicht über die Höhe der Entgelte hätten einigen können und damit die alten - nicht mehr angemessenen - Pflegesätze weitergegolten hätten, wodurch der Antragstellerin erhebliche Einnahmeverluste entstanden seien. Der Beschluss sei nach § 197 a SGG i.V.m. § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.

Gegen den ihr am 28. Mai 2003 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 25. Juni 2003 Beschwerde erhoben, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Sie meint, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 SGG zulässig; § 158 Abs. 2 VwGO finde im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung. Für die Durchführung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens habe kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden; es sei um geringfügige Differenzen bei der Umrechnung der Pflegesätze gegangen, für die nächste Sitzung der Schiedsstelle am 11. Juni 2002 sei bereits am 14. Mai 2002 geladen worden und ein wirtschaftlicher Schaden sei der Antragstellerin nicht entstanden.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 20. Mai 2003 aufzuheben und zu entscheiden, dass die Antragstellerin die Kosten zu tragen hat.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt (sinngemäß),

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss des Sozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unzulässig.

Gemäß § 197 a SGG - eingefügt durch das 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 mit Wirkung ab dem 2. Januar 2002 - sind, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben; die §§ 184 - 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154-162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Mit dieser Verweisung ist auch § 158 Abs. 2 VwGO in Bezug genommen. Danach ist in den Fällen, in denen in der Hauptsache eine Entscheidung nicht ergangen ist, die Entscheidung über die Kosten nicht anfechtbar. Dies trifft den vorliegenden Fall, denn die Beteiligten gehören nicht zu dem in § 183 SGG genannten, kostenmäßig privilegierten Personenkreis und die Kostenentscheidung ist ergangen, nachdem die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

Der Auffassung, § 158 Abs. 2 VwGO sei trotz der Verweisung in § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG unanwendbar, weshalb auch diese Kostenentscheidungen gemäß § 172 Abs. 1 SGG mit der Beschwerde angefochten werden könnten (LSG NRW, Breithaupt 2003, S. 878 m.w.N.) ist nicht zu folgen. Zwar ist zuzugeben, dass die Anwendung von § 158 Abs. 2 SGG zu einer schwer verständlichen und sachlich kaum begründbaren unterschiedlichen Verfahrensweise im Vergleich zu den von §§ 183, 193 SGG erfassten gerichtskostenfreien Verfahren führt, in denen Kostenbeschlüsse allgemein mit der Beschwerde anfechtbar sind (vgl. die Kritik bei Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 197 a Rdnr. 21). Derartige systematische Unstimmigkeiten, die möglicherweise ein Zeichen für mangelnde Sorgfalt im Gesetzgebungsverfahren sind, können aber nicht dazu führen, einen eindeutigen Gesetzeswortlaut zu missachten, sofern sich nicht feststellen lässt, dass es sich lediglich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelt. Dafür gibt es aber keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber hat mit den kostenrechtlichen Neuregelungen durch das 6. SGG-Änderungsgesetz ein zweites, im Vergleich zur bisherigen Regelung völlig neues Kostensystem in das SGG eingefügt, welches auch hinsichtlich der Rechtsmittel eigene Wege gehen kann. Für die Auslegung, dass der Gesetzgeber mit der "entsprechenden" Anwendung der §§ 154-162 VwGO nur die materiellrechtlichen Grundsätze der Kostenentscheidung im Blick hatte (LSG NRW a.a.O.) bieten die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 14/5943, S. 29) keine ausreichende Stütze. Diese lassen lediglich erkennen, dass...

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