Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Überschreitung der Angemessenheitsgrenze. Zumutbarkeit des Umzugs. Anforderungen an die Eigenbemühungen bei der Wohnungssuche. Ablauf des 6-Monats-Zeitraums nach Aufforderung zur Kostensenkung. sozialgerichtliches Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Zur Angemessenheitsprüfung und Überschreitung der Angemessenheitsgrenze iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 (hier 45qm für 1-Personen-Haushalt, Kaltmiete einschl Nebenkosten 4,78 Euro pro qm).

2. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 und - B 7b AS 18/06 R = SGb 2007, 543) ist der Umzug im ländlichen Bereich in einem Umkreis von ca 12 bis 15 km zumutbar iS von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aF bzw § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nF.

3. Der Nachweis einer angemessenen konkreten Unterkunftsalternative durch den Grundsicherungsträger kann dann unterbleiben, wenn der Hilfebedürftige seiner Pflicht aus § 22 Abs 1 S 2 bzw 3 SGB 2, sich ernsthaft und intensiv um eine andere angemessene, dh kostengünstigere Wohnung zu bemühen und seine Bemühungen nachzuweisen, nicht bzw nur teilweise nachgekommen ist.

4. Die Obliegenheit zu umgehenden ernsthaften Kostensenkungsbemühungen entfällt auch nicht deshalb, weil der Grundsicherungsträger nicht im Einzelnen aufgeklärt hat, mit welcher Intensität nach einer angemessenen Unterkunft gesucht werden muss und welche Nachweise dafür zu erbringen sind. Eine wirksame Aufforderung zur Kostensenkung iS von § 22 Abs 1 S 2 bzw 3 SGB 2 liegt vor, wenn der Grundsicherungsträger auf die Pflicht zu unverzüglichen Kostensenkungsbemühungen und die Nachweispflicht unter Angabe der Angemessenheitsgrenze und des eingeräumten Übergangszeitraumes hingewiesen hat. Bei der Übergangsfrist von 6 Monaten nach § 22 Abs 1 S 2 bzw 3 SGB 2 handelt es sich nicht um eine Such- oder Überlegungsfrist, sondern um eine Regelhöchstfrist.

5. Zur Nichtbeteiligung des vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen getrennt lebenden minderjährigen Kindes am Verfahren, wenn die Eltern das Kind gem § 1629 Abs 1 S 2 BGB gemeinschaftlich vertreten und der andere Elternteil der Beteiligung des Kindes am Verfahren nicht zugestimmt hat.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 10. April 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin weitere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), u. a. Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Der 1962 geborene Antragsteller bewohnt seit 1. Oktober 2003 in der A-Straße in A-Stadt eine Wohnung (2 Zimmer, 1 Kammer, Küche, Diele, Bad mit WC) mit einer Wohnfläche von 65 m² zu einem Mietpreis von 286,00 EUR monatlich zuzügl. 65,00 EUR Betriebskosten incl. Heizkosten, insgesamt 351,00 EUR. Der Antragsteller ist der Vater der 1987 geborenen M.B. und der 1993 geborenen R.B. Er übt zusammen mit der Kindesmutter B.B., mit der er nicht verheiratet ist und nicht zusammenlebt, die gemeinsame Sorge für die Tochter R.B. aus (Landkreis LN., Urkunde über die gemeinsame Sorge vom 14. Juni 2002). Die Tochter R.B. ist mit Hauptwohnsitz in der W.-Straße in A-Stadt (bis Juli 2006) bzw. in M-Straße, LN.-Stadt (ab August 2006), dem Wohnsitz der Kindesmutter, gemeldet.

Der Antragsteller beantragte am 16. September 2004 Leistungen nach dem SGB II, die die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 in Höhe von 776,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 bewilligte. Dabei berücksichtigte sie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 351,00 EUR. Den dagegen mit Schreiben vom 20. Januar 2005 eingelegten Widerspruch des Antragstellers u.a. wegen des Zuschlags nach § 21 SGB II wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2005 als unbegründet zurück, weil ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 3 SGB II allein solchen Personen zustehe, die allein für die Pflege und Erziehung eines oder mehrerer mit ihnen zusammen lebender minderjähriger Kinder sorgten. Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 am 19. August 2005 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2005 abgewiesen hat (S 20 AS 345/05). Über die dagegen am 18. Januar 2006 eingelegte Berufung (L 9 AS 38/06) hat der Senat bisher nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass die Unterkunftskosten für die von ihm bewohnte Wohnung unangemessen hoch seien und nur noch für einen Übergangszeitraum von sechs Monaten in tatsächlicher Höhe als Bedarf berücksichtigt werden könnten. Der Antragsteller werde daher aufgefordert, sich innerhalb dieser Frist nachweislich um eine kostengünstigere Wohnung entsprechend den genannten Höchstbeträgen (215,00 EUR zuzügl. Heizkosten 32,50 EUR = 247,50 EUR) zu bemühen. Sollte er ...

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