Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtlinie 2004/18/EG. Öffentliche Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. Gesetzliche Krankenkassen. Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Öffentliche Auftraggeber. Ausschreibung. Anfertigung und Lieferung von individuell an die Bedürfnisse der Patienten angepassten orthopädischen Schuhen. Ausführliche Beratung der Patienten

 

Beteiligte

Hans & Christophorus Oymanns

Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik

AOK Rheinland/Hamburg

 

Tenor

1. Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster Fall der Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass eine überwiegende Finanzierung durch den Staat vorliegt, wenn die Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge finanziert werden, die nach öffentlich-rechtlichen Regeln, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, auferlegt, berechnet und erhoben werden. Derartige Krankenkassen sind für die Anwendung der Vorschriften dieser Richtlinie als Einrichtungen des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber anzusehen.

2. Hat ein gemischter öffentlicher Auftrag sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand, besteht das für die Bestimmung, ob der fragliche Auftrag als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag anzusehen ist, anzuwendende Kriterium im jeweiligen Wert der in diesen Auftrag einbezogenen Waren und Dienstleistungen. Bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden und über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, ist die Anfertigung der genannten Waren dem Auftragsteil der „Lieferung” für die Berechnung des Wertes des jeweiligen Bestandteils zuzuordnen.

3. Sollte sich die Erbringung von Dienstleistungen bei dem fraglichen Auftrag als im Verhältnis zur Warenlieferung überwiegend herausstellen, ist eine zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossene Vereinbarung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in der die Vergütung für die verschiedenen, von diesem Wirtschaftsteilnehmer erwarteten Versorgungsformen sowie die Laufzeit der Vereinbarung festgelegt werden, wobei der genannte Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung übernimmt, Leistungen gegenüber den Versicherten zu erbringen, die diese bei ihm nachfragen, und die genannte Kasse ihrerseits die alleinige Schuldnerin der Vergütung für das Tätigwerden dieses Wirtschaftsteilnehmers ist, als eine „Rahmenvereinbarung” im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 anzusehen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Mai 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 2007, in dem Verfahren

Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik,

gegen

AOK Rheinland/Hamburg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richter T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und G. Arestis,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Glahs und U. Karpenstein,
  • der AOK Rheinland/Hamburg, vertreten durch Rechtsanwalt A. Neun,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms und D. Kukovec als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c und d, 4, 5 und 9 Unterabs. 2 Buchst. c erster und zweiter Fall der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hans & Christophorus Oymanns GbR, Orthopädie Schuhtechnik, und der AOK Rheinland/Hamburg, in dem es darum geht, ob, erstens, die deutschen gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber für die Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 2004/18 anzusehen sind, ob, zweitens, die aufgrund einer Vereinbarung mit der gesetzlichen Krankenkassen erfolgende Zurverfügungstellung individuell nach den Bedürfnissen der Patienten hergestellter und angepasster orthopädischer Schuhe durch spezialisierte Schuhtechniker in Verbindung mit einer ausführlichen Beratung der Patienten vor und nach dieser Zurverfügungstellung als Lieferauftrag oder als Dienstle...

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