Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Begriffs "Gemeindliche Verkehrsunternehmen" iS des RAM-Erl 1942-03-16 Nr 4 = AN 1942, 201.

 

Normenkette

RVO § 628 Abs. 1 Fassung: 1942-03-09, Abs. 2 Fassung: 1942-08-20; RAMErl 1942-03-16 Nr. 4

 

Tenor

Die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. September 1958 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Juni 1956 werden aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Stadt Heilbronn war seit dem Jahre 1893 mit ihrem damals errichteten Regiebetrieb "Städtische Industriebahn in Kleinäulein " bei der Straßenbahn-Berufsgenossenschaft (BG) versichert, die im Jahre 1948 mit der Privatbahn-BG zur BG für Straßen-, Privat- und Kleinbahnen vereinigt wurde. Über diese Industriebahn hat das Landessozialgericht (LSG) folgende Feststellungen getroffen: "Der Betrieb besteht in einer 6 bis 7 km langen Gleisanlage, die die Verbindung zwischen der Bundesbahn und den anliegenden Industrien herstellt. Die Unterhaltung der Gleisanlage obliegt dem Tiefbauamt der Stadt Heilbronn. Eigene Betriebsmittel, wie Transportwagen und Zugmaschinen, sind nicht vorhanden. Den Zustelldienst versieht die Deutsche Bundesbahn, die neben den Betriebsmitteln auch das Zugbegleitpersonal stellt. Nach Bedarf werden Arbeitnehmer des Tiefbauamts zur Reinigung und Unterhaltung der Gleisanlage und zur Weichenstellung eingesetzt, dabei unterstehen sie der Aufsicht der Bundesbahnbediensteten. Zwischen der Bundesbahn und der Stadt besteht ein Vertrag über Benutzung der Gleisanlage und Benutzungsgebühren. Die als Nebenanschließer am Vertrag beteiligten Industrieunternehmen entrichten an die Bundesbahn eigene Gebühren und Zustellungskosten."

Im Jahre 1948 übersandte die BG dem Tiefbauamt der Stadt Heilbronn einen Fragebogen über Betriebsanlagen und -einrichtungen; danach stellte sie das Betriebsverzeichnis neu auf und erteilte der Stadt einen erneuerten Mitgliedschein nebst Gefahrtarifeinstufung, in der das Unternehmen als "Anschlußbahn" (Gefahrtarifstelle 6) bezeichnet wurde. Anläßlich des Entschädigungsverfahrens über zwei im November 1950 eingetretene Arbeitsunfälle schaltete sich der Württembergische Gemeindeunfallversicherungsverband (GUV) ein und machte seine Zuständigkeit geltend. Die BG lehnte eine Überweisung der Industriebahn an den GUV ab. Hierauf bat die Stadt Heilbronn das Oberversicherungsamt (OVA) um Entscheidung, wer der zuständige Unfallversicherungs - (UV) - träger sei. Auf Anregung des OVA beantragte die Stadt bei der BG die Löschung des Industriebahnbetriebs im Kataster. Diesen Antrag lehnte die BG mit einem Schreiben vom 30. Januar 1952 ab. Die Stadt Heilbronn erhob hiergegen am 19. April 1952 Beschwerde gemäß § 1791 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die nach § 215 Abs. 2 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht (SG) Heilbronn überging. Das SG lud den Württembergischen GUV unter Bezugnahme auf § 75 Abs. 2 SGG bei und veranstaltete eine Augenscheinseinnahme. Durch Urteil vom 21. Juni 1956 hat das SG den Bescheid vom 30. Januar 1952 aufgehoben und festgestellt, daß der Betrieb der Industriebahn mit Wirkung vom 1. Januar 1952 an dem Württembergischen GUV zugerechnet wird: Rechtsgrundlage sei § 668 RVO. Zwar solle der Katasterbestand einer BG nach Möglichkeit gewahrt werden; im Betrieb der Industriebahn habe sich sicherlich seit Jahrzehnten nichts geändert, auch sei der Betrieb seinerzeit nicht etwa irrtümlich bei der BG versichert worden. Die Belassung des Bahnunternehmens bei der BG sei jedoch als eine Unbilligkeit anzusehen, da die Stadt hierdurch jährlich mit etwa 800,- DM belastet werde und auch eine gewisse verwaltungstechnische Mehrarbeit leisten müsse.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 17. September 1958 (vgl. SozEntsch. IV RVO § 628 Nr. 2 = Breith. 1959, 26, Fußnote) das Urteil des SG dahin geändert, daß die Beklagte verurteilt wird, den Betrieb der Industriebahn mit Wirkung vom 1. Januar 1952 an in ihrem Betriebsverzeichnis zu löschen. Im übrigen ist die Berufung zurückgewiesen worden: Allerdings finde das Überweisungsverfahren nach § 668 hier keine Anwendung. Die Klägerin habe jedoch gemäß § 628 Abs. 1 in Verbindung mit § 624 Abs. 3 RVO ihren Austritt erklären können und dies auch in ihren Anträgen erkennbar zum Ausdruck gebracht. Die Berechtigung der Austrittserklärung hänge nicht von den für eine Betriebsüberweisung geltenden Voraussetzungen ab. Die BG könne dem Austritt nur widersprechen, wenn er gegen gesetzliche Vorschriften verstoße. Dies sei hier nicht der Fall. Bei der Industriebahn in Kleinäulein handele es sich nicht um eine Verkehrsunternehmung im Sinne der Nr. 4 des Erlasses des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 16. März 1942 betr. Durchführung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der UV (6. ÄndG), hier: Gemeindliche UV (AN 1942, 201). Diesem Bahnbetrieb fehle das wesentliche Merkmal eines Verkehrsunternehmens, nämlich der Einsatz von beweglichen Transportmitteln. Neben diesem entscheidenden Merkmal träten andere Gesichtspunkte - wie etwa die gelegentliche Weichenstelltätigkeit der Arbeitnehmer des Städtischen Tiefbauamts - völlig in den Hintergrund. Der gesetzlich nirgends festgelegte Begriff des Verkehrsunternehmens deute doch jedenfalls unmißverständlich auf den regelmäßigen oder mindestens sich unregelmäßig wiederholenden Einsatz von Transportfahrzeugen hin. Dahingestellt könne bleiben, ob der Begriff "Verkehr" darüber hinaus nicht etwa als "öffentlicher", einem unbegrenzten Teilnehmerkreis zugänglicher Verkehr aufzufassen sei, wie es bei Anwendung von Abschnitt A Ziffer XVII Nr. 1 der Bestimmung von Berufsgruppen der Angestelltenversicherung vom 8. März 1924 (RGBl I 274) das Reichsversicherungsamt (RVA) wiederholt angenommen habe (AN 1928, 198 Nr. 3191 = EuM Bd. 22, 430; AN 1929, 343 Nr. 3520 = EuM Bd. 25, 501). Auch die Rechtsprechung des RVA zur UV spreche gegen die Zuständigkeit der Beklagten (AN 1930, 307 Nr. 3797 = EuM Bd. 27, 388; EuM Bd. 15, 327, Bd. 17, 92).

Da hiernach die Klägerin bereits im Mai 1951 wirksam ihren Austritt erklärt habe, sei die Beklagte verpflichtet, die Industriebahn mit Wirkung vom 1. Januar 1952 an in ihrem Betriebsverzeichnis zu löschen. Auf Grund des § 39 der fünften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (5. AufbauVO) vom 21. Dezember 1934 (RGBl I 1274) in Verbindung mit Nr. 1 des RAM-Erlasses vom 16. März 1942 sei der beigeladene GUV mit dem 1. Januar 1952 ohne weiteres zuständiger UV-Träger geworden. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 22. Oktober 1958 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. November 1958 Revision eingelegt und sie zugleich begründet. Innerhalb der bis zum 22. Januar 1959 verlängerten Frist (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGG) sind weitere schriftsätzliche Begründungen am 21. November und 20. Dezember 1958 sowie am 7. und 13. Januar 1959 eingegangen. Die Revision verweist allgemein auf den nach Meinung der Beklagten in derartigen Auseinandersetzungen zu berücksichtigenden Grundsatz der Besitzstandswahrung und macht im einzelnen folgendes geltend: Dem Klagebegehren stehe der Umstand entgegen, daß der beigeladene GUV die mit Schreiben vom 11. Juni 1951 von der Beklagten ausgesprochene Ablehnung einer Betriebsüberweisung zunächst widerspruchslos hingenommen habe.

Bei seiner Auslegung der Nr. 4 des RAM-Erlasses vom 16. März 1942 verkenne das LSG den Grundsatz, daß der Primat für die Trägerschaft in der UV nach § 623 RVO bei den BGen liege. Dieser Vorrang sei aus der geschichtlichen Entwicklung der Zuständigkeitsregelungen zu erklären. Bis zum Erlaß des 6. ÄndG hätten die GUVe nur einen sehr beschränkten Zuständigkeitsbereich gehabt. Auch nach der Erweiterung dieses Bereichs durch das 6. ÄndG habe weiterhin die Zuständigkeit der BGen die Regel, die Zuständigkeit einer Gemeinde oder eines GUV hingegen die Ausnahme gebildet. § 628 RVO sei mithin als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, während Abweichungen von dieser Vorschrift - wie hier Nr. 4 des RAM-Erlasses vom 16. März 1942 - von vornherein einer weiten Auslegung bedürften. Demzufolge müsse man bei der Auslegung des Begriffs "Verkehrsunternehmen" den Sinnzusammenhang mit der herkömmlichen Zuständigkeit der Beklagten beachten, nicht dagegen eine hiervon losgelöste philologische Betrachtungsweise anwenden. Auszugehen sei somit von den Begriffsmerkmalen, die seinerzeit für den Zuständigkeitsbereich der BGen Nr. 56, 57 (RVA-Bekanntmachung vom 15.9.1885, AN 1885, 217) maßgebend gewesen seien. Für die Zuständigkeit der Beklagten sei es unerheblich, ob die Klägerin mit eigenen Transportmitteln einen Fahrbetrieb auf der Industriebahnanlage unterhalte. Zu demselben Ergebnis führe auch die vom Reichsgericht (RGZ 1, 247; AN 1897, 291 Nr. 2) und vom RVA vertretene Auffassung.

Schließlich sei die Zuständigkeit der Beklagten insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt einer sachgerechten Unfallverhütung geboten. Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des LSG nebst den ihm zugrunde liegenden Feststellung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er pflichtet dem angefochtenen Urteil im Ergebnis bei und meint insbesondere, die von der Beklagten vertretene Ansicht, die BGen besäßen hinsichtlich der Zuständigkeit einen Primat gegenüber der gemeindlichen UV, treffe nicht zu. Nr. 4 des RAM-Erlasses vom 16. März 1942 sei mithin als Ausnahmebestimmung eng auszulegen. Entgegen der Ansicht des LSG habe es eines Austritts der Klägerin auf Grund von § 628 Abs. 1 in Verbindung mit § 624 Abs. 3 RVO nicht bedurft, da der Übergang der gemeindlichen Betriebe zum GUV bereits kraft Gesetzes erfolgt sei (Schwinger, "Gemeindeunfallversicherung", 1942, Anm. 7 zu § 628 RVO; Bestimmungen des RVA vom 8.7.1942 und 7.10.1942, AN 1942, 433 und 520).

Die Klägerin beantragt gleichfalls Zurückweisung der Revision und schließt sich dem Vorbringen des Beigeladenen an.

II

Die Revision ist statthaft, zulässig und begründet.

Die Vorinstanzen sind mit Recht davon ausgegangen, daß der von der Stadt Heilbronn gegen die Ablehnung ihres Löschungsantrags erhobene Rechtsbehelf nicht etwa wegen Überschreitung der Beschwerdefrist als unzulässig anzusehen ist. Dies kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Ablehnungsschreiben der Beklagten keine entsprechende Belehrung enthielt (vgl. EuM Bd. 37, 292, Bd. 38, 359). Aus demselben Grunde konnte auch das Schreiben der Beklagten an den Beigeladenen vom 11. Juni 1951 nicht rechtskräftig werden. Keinen verfahrensrechtlichen Bedenken unterliegt ferner die Annahme des LSG, es handele sich um eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des im angefochtenen Urteil näher gekennzeichneten Inhalts.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1952 an aus der katasterrechtlichen Zugehörigkeit zur Beklagten ausgeschieden ist. Über die Vorfrage, welche katasterrechtlichen Vorschriften für die Erreichung dieses Ziels in Betracht kämen, bestehen drei voneinander abweichende Auffassungen. Während die Beklagte und das SG das Überweisungsverfahren (§§ 666 ff RVO) für einschlägig halten, der Beigeladene hingegen in Anknüpfung an Schwinger (aaO, ferner Anm. 1 zu § 649) einen Übergang kraft Gesetzes ohne Rücksicht auf eine Austrittserklärung annimmt, hält das LSG die Vorschriften des § 628 Abs. 1 in Verbindung mit § 624 Abs. 3 RVO für anwendbar. Welche von diesen Auffassungen den Vorzug verdient, brauchte nicht näher geprüft zu werden (vgl. BSG 16, 227, 232), da sie zu demselben Ergebnis führen. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Betriebsüberweisung sind der Sache nach - entgegen der vom SG vertretenen Ansicht - nicht gegeben, da in den vom SG hervorgehobenen Umständen eine "unbillige Härte" nicht zu erblicken ist (vgl. BSG 15, 282, 291). Einer Austrittserklärung wie auch der Annahme eines ohne weiteres kraft Gesetzes sich vollziehenden Betriebsübergangs steht entgegen, daß Nr. 4 des RAM-Erlasses vom 16. März 1942 (aaO) die Zugehörigkeit des Industriebahnbetriebs zur Beklagten vorschreibt. Die Auslegung, die das LSG dieser wirksam zustande gekommenen (vgl. BSG 16, 232 ff) Bestimmung hinsichtlich des darin enthaltenen Begriffs "Verkehrsunternehmen" gegeben hat, trifft nach Meinung des Senats nicht zu.

Dabei kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob den BGen grundsätzlich ein Vorrang bezüglich der Zuständigkeit gebühre, auf sich beruhen bleiben. Nach Meinung des Senats ist jedenfalls Nr. 4 des angeführten Erlasses weder einengend (a.M. Schwinger aaO Anm. 2; Hess. LSG, Breith. 1958, 1131) noch erweiternd auszulegen; vielmehr kommt lediglich eine Auslegung in Betracht, welche dem erkennbaren Sinn und Zweck dieser Bestimmung entspricht (vgl. LSG Niedersachsen, Breith. 1961, 1100). Dies bedeutet, wie die Revision im Ergebnis zutreffend dargelegt hat, daß die Erlaßbestimmung im Zusammenhang mit den Zuständigkeitsbereichen der betroffenen BGen gewürdigt werden muß, da sie offensichtlich der Wahrung des Katasterbestands dieser Versicherungsträger dient. Unter Außerachtlassung dieses Gesichtspunkts hat das LSG eine Begriffsbestimmung für "Verkehrsunternehmen" aufgestellt, welcher die innere Rechtfertigung fehlt. Die - vom LSG freilich offen gelassene - Annahme, es müsse sich um öffentlichen, der Allgemeinheit zugänglichen Verkehr handeln, kann sich auf die vom LSG angeführten RVA-Entscheidungen schon deshalb nicht stützen, weil diese (aaO, ferner AN 1931, 231 Nr. 4073 = EuM Bd. 30, 67) als entscheidendes Kriterium die Merkmale einer Staatsbahn oder einer dieser gleichkommenden Eisenbahn zur Beurteilungsgrundlage hatten; daß Bedienstete von Werksbahnen an sich im Verkehrswesen tätig sind, hat das RVA in einer dieser Entscheidungen (AN 1929, 343 Nr. 3520 = EuM Bd. 25, 501) sogar ausdrücklich bejaht.

Geht man nun von der erkennbaren Zweckbestimmung der Nr. 4 des RAM-Erlasses aus, so erscheint es nicht angängig, die von der Klägerin unterhaltene Industriebahnstrecke, auf der Bedienstete der Klägerin beim Weichenstellen sowie bei der Reinigung und Unterhaltung der Gleisanlage (im Unterschied zu AN 1889, 157 Nr. 670) tätig werden, allein deshalb nicht als Verkehrsunternehmen anzusehen, weil die Klägerin keine eigenen Schienenfahrzeuge besitzt und auch kein fahrendes Bahnpersonal beschäftigt. Bei der Kennzeichnung der Hauptmerkmale eines Eisenbahnbetriebs hat es der Rechtsprechung durchaus ferngelegen, der Gleisanlage als solcher eine geringere Bedeutung beizumessen als dem Vorhandensein fahrbarer Transportmittel (vgl. RVA, AN 1886, 182 Nr. 192; 1904, 622 Nr. 2073; EuM 15, 327, 331; RG, AN 1897, 291 Nr. 2; RGZ 7, 40; s. auch Handbuch der UV, 3. Aufl., Bd. 1, S. 143 f mit weiteren Nachweisen). In einem dem hier zu entscheidenden Sachverhalt weitgehend vergleichbaren Fall hat übrigens das RVA (AN 1886, 274 Nr. 231) zu den bei einer Zweigbahn gegebenen versicherungsrechtlichen Verhältnissen ausgeführt, es liege ein doppelter Betrieb vor, nämlich derjenige, den die (Staats)Eisenbahn durch das Befahren der Gleise durchführe und derjenige, welchen die der Bahn angeschlossenen Industriefirmen mit der Instandhaltung und Bewachung der Bahn durch ihre Bahnwärter ausübten.

Wenn nun auch die Zuständigkeitsmerkmale der Beklagten auf eisenbahntechnische Faktoren ausgerichtet sind, während der Begriff des Verkehrsunternehmens mehr auf wirtschaftliche Gesichtspunkte abzielt, so läßt doch die angeführte Rechtsprechung über die Merkmale von Eisenbahnbetrieben erkennen, daß ein so enger Begriff des Verkehrsunternehmens, wie ihn das LSG gebildet hat, mit der herkömmlichen Kennzeichnung eines wesentlichen Teils von Unternehmen, die von jeher bei der Beklagten versichert gewesen sind, nicht in Einklang zu bringen ist. Daß aber der RAM beabsichtigt haben könnte, mittels einer solchen Divergenz mehr oder minder große Gruppen von Unternehmen aus der Zuständigkeit der Beklagten herauszulösen, erscheint - insbesondere im Hinblick auf die Entstehungszeit des Erlasses - sehr wenig wahrscheinlich. Näher liegt vielmehr die Annahme, daß mit dem Ausdruck "gemeindliche Verkehrsunternehmungen" allgemein die Betriebe gemeint waren, die damals zur Straßen- und Kleinbahn-BG, zur Privatbahn-BG und auch zur BG für gewerbsmäßige Fahrzeughaltungen gehörten. Nicht übersehen werden darf nach Meinung des Senats schließlich auch der Umstand, daß der Gesetzgeber den Begriff des Verkehrsunternehmens offensichtlich umfassender verstanden wissen will, als es der vom LSG gewählten Definition entspricht; denn bei "Umschlagsbetrieben" (vgl. BT-Drucksache IV/120 § 658 Abs.2) kommt es zweifellos auf den Besitz des Unternehmers an eigenen Transportfahrzeugen überhaupt nicht an.

Hiernach ist die Beklagte auch weiterhin für den Betrieb der Industriebahn in Kleinäulein zuständig. Das Verlangen der Klägerin, mit diesem Regiebetrieb im Verzeichnis der Beklagten gelöscht zu werden, ist unberechtigt. Die Klage mußte deshalb unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2297111

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