Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 14.03.1962)

SG Hamburg (Urteil vom 15.09.1961)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 14. März 1962, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. September 1961 und der Bescheid der Beklagten vom 23. März 1961 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger wegen des Unfalls vom 28. November 1960 Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger befand sich am 28. November 1960 kurz nach 19 Uhr auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte, dem Gebäude der … AG in H …, nach seiner Wohnung in der B. straße. Bevor er an der unweit seiner Arbeitsstätte gelegenen Straßenbahnhaltestelle Gerhart-Hauptmann-Platz eine Bahn bestieg, suchte er in unmittelbarer Nähe der Haltestelle eine unterirdische Bedürfnisanstalt auf, um seine Notdurft zu verrichten. Beim Abstieg rutschte er auf der Treppe aus, stürzte und zog sich eine komplizierte Unterschenkelfraktur zu.

Den Entschädigungsanspruch des Klägers lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. März 1961 mit folgender Begründung ab: Der Versicherungsschutz sei unterbrochen worden, als der Kläger von seinem Heimweg abgewichen sei, um die Bedürfnisanstalt aufzusuchen; die Verrichtung der Notdurft gehöre zu den sogenannten höchstpersönlichen Verrichtungen; mit der vorausgegangenen betrieblichen Tätigkeit des Klägers habe der Gang zur Bedürfnisanstalt nicht in innerem Zusammenhang gestanden.

Diesen Bescheid hat der Kläger mit der Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg angefochten. Er hat die Auffassung vertreten, Versicherungsschutz sei gegeben, weil sich der Unfall nicht im häuslichen Bereich abgespielt, sondern örtlich, zeitlich und insofern auch innerlich mit dem Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung zusammengehangen habe, als das Aufsuchen der Bedürfnisanstalt notwendig gewesen sei, um die Fortsetzung des Heimwegs zu ermöglichen und die Konzentration im Straßenverkehr nicht zu beeinträchtigen.

Das SG hat durch Urteil vom 15. September 1961 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner, Entscheidung hat es ausgeführt: Die natürlichen Vorgänge des menschlichen Körpers, wie zB das Verrichten der Notdurft, seien der unversicherten Privatsphäre zuzurechnen. Auch wenn solche Vorgänge in zeitlicher oder räumlicher Verbindung mit der Betriebsarbeit oder dem betrieblichen Heimweg aufträten, stehe die Forderung des Naturgesetzes beherrschend im Vordergrund. Es fehle an einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Arbeit bezw. dem Heimweg von der Arbeitsstätte. Das Aufsuchen der Bedürfnisanstalt habe einen Abweg dargestellt, welcher der Erledigung einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung gedient und einen neuen, arbeitsunabhängigen Gefahrenbereich eröffnet habe.

Mit der Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat der Kläger vorgetragen: Das Verrichten der Notdurft auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte stehe in gleicher Weise unter Versicherungsschutz wie eine solche Verrichtung im Betrieb. Entscheidend sei nicht, daß das Bedürfnis als solches alle Menschen hatten, vielmehr müsse die Herkunft der Gefahr und der Grund, weshalb der Versicherte gerade dieser Gefahr ausgesetzt sei, berücksichtigt werden. Beides aber habe in solchen Fällen seinen Grund in der betrieblichen Tätigkeit, denn nur infolge dieser Tätigkeit sei er gezwungen gewesen, hierfür einen außerhalb seines privaten Gefahrenbereichs liegenden Ort zu wählen.

Demgegenüber hat die Beklagte ausgeführt: Der Kläger verkenne die rechtlichen Unterscheidungsmerkmale zwischen Unfällen im Betrieb und solchen auf dem Wege nach oder von der Arbeitsstätte. Im Gegensatz zu Unfällen auf der Arbeitsstätte, bei denen regelmäßig eine enge Bindung des Versicherten zum Betrieb bestehe, sei der Beschäftigte auf dem Heimweg mit dem Verlassen der Arbeitsstätte dem Einfluß des Betriebes in wesentlichen entzogen. Aus diesem Grunde seien Unfälle während einer eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Unterbrechung des Weges strenger zu beurteilen als Unfälle im Unternehmen.

Das LSG hat durch Urteil vom 14. März 1962 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwischen dem Unfall des Klägers und seiner Betriebstätigkeit bestehe weder ein innerer, ursächlicher noch ein zeitlicher Zusammenhang. Das Verrichten der Notdurft gehöre – wie Essen, Trinken, Schlafen, An- und Auskleiden – der privaten Lebensphäre an. Allerdings habe der Begriff des Arbeitsunfalls durch Gesetz und Rechtsprechung eine erweiternde Auslegung erfahren. So habe das Reichsversicherungsamt (RVA) einen Arbeitsunfall nicht nur dann angenommen, wenn das Unfallereignis unmittbelbar durch die dem Zwecke des Unternehmens dienende Tätigkeit verursacht worden sei und auf einer für diese Tätigkeit typischen Gefahr beruht habe, sondern – mit gewissen Einschränkungen – auch bei „Unfällen des täglichen LebensZ, die sich während der versicherten Tätigkeit ereignet hätten. Diese Rechtsprechung sei damit begründet worden, daß die Befriedigung derartiger persönlicher Bedürfnisse während der Arbeitszeit kein Loslösen vom Betrieb bedeute, solange sich der Arbeitnehner im Gefahrenbereich des Betriebes aufhalte. Insoweit bestehe Versicherungsschutz also nicht wegen der Notwendigkeit der Einnahme des Essens, sondern ausschließlich deshalb, weil das Essen an Plätzen eingenommen werde, die zur Betriebssphäre und damit zum Gefahrenbereich des Unternehmens gehörten. – Auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Wege nach oder von der Arbeitsstätte genieße der Versicherte zwar grundsätzlich Versicherungsschutz, nicht aber, wenn er diesen Weg zur Verrichtung einer ausschließlich der privaten Lebenssphäre zuzurechnenden Tätigkeit unterbreche. Ein solcher den Versicherungsschutz ausschließender Sachverhalt liege hier vor. Das Aufsuchen der Bedürfnisanstalt habe den Heimweg des Klägers unterbrochen. Es müsse also zwischen den versicherten Teilen des Weges vor und nach der Unterbrechung einerseits und dem Bereich der Unterbrechung andererseits unterschieden werden, Während der Unterbrechung sei der Kläger versicherungsrechtlich nicht geschützt gewesen. Die Erwägungen, nach denen während der Arbeitszeit die sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten mit gewissen Einschränkungen noch unter Versicherungsschutz ständen, könnten bei den nach anderen rechtlichen Gesichtspunkten abzugrenzenden Wegeunfällen nicht Platz greifen. Der Versicherte unterliege dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung beim Verrichten der Notdurft grundsätzlich nur dann, wenn er diesem Bedürfnis in Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit außerhalb seines häuslichen Bereichsnachkommen müsse. Dazu gehörten wohl noch die Betriebswege, nicht aber die Fälle, in denen er den Heimweg unterbreche, um hierzu fremde Räumlichkeiten aufzusuchen. Es sei daher auch rechtsunerheblich, ob für den Kläger trotz des verhältnismäßig kurzen Heimwegs überhaupt – wie er behaupte – ein unaufschiebbares Bedürfnis zum Aufsuchen der Bedürfnisanstalt vorgelegen habe.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist dem Kläger am 14. Mai 1962 zugestellt worden. Er hat am 5. Juni 1962 Revision eingelegt und diese, nachdem die Begründungsfrist bis zum 14. August 1962 verlängert worden war, am 13. August 1962 begründet.

Die Revision führt aus: Die Verrichtung des menschlichen Bedürfnisses dürfe versicherungsrechtlich nicht unterschiedlich danach beurteilt werden, ob sie sich im Betrieb, auf einem Betriebsweg oder auf dem Heimweg abspiele. Für eine solche Verrichtung gelegentlich eines nach § 543 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF geschützten Weges entfalle der Versicherungsschutz nur, wenn besondere – hier nicht vorliegende – Umstände des Einzelfalles dagegen sprachen, wie zB in Fällen der selbst geschaffenen Gefahr, des leichtsinnigen oder sorglosen Verhaltens und des vermeidbaren Um- oder Abwegs. Es dürfe keinen Unterschied in der rechtlichen Beurteilung machen, ob jemand auf verkehrsarmer Landstraße sich hinter ein am Straßenrand stehendes Gebüsch begebe, um seine Notdurft zu verrichten, oder ob er im Großstadtverkehr eine zur Wahrung von Sitte und Anstand errichtete öffentliche Bedürfnisanstalt zu diesem Zweck betrete. Im übrigen habe das Aufsuchen der Bedürfnisanstalt für den Kläger ein so geringfügiges Abweichen vom Heimweg mit sich gebracht und nur von so kurzer Dauer sein sollen, daß man entgegen der Auffassung des LSG nicht von einer rechtlich ins Gewicht fallenden Unterbrechung des Heimwegs sprechen könne.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des am 28. November 1960 infolge eines Arbeitsunfalls eingetretenen Bruchs des linken Unterschenkels Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie pflichtet der Begründung des angefochtenen Urteils bei.

 

Entscheidungsgründe

II

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig; sie hatte auch Erfolg.

In Übereinstimmung mit dem LSG ist der Senat davon ausgegangen, daß der Kläger seinen nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF versicherungsrechtlich geschützten Heimweg von der Arbeitsstätte an der Verkehrsinsel Mönckebergstraße/Gerhart-Hauptmann-Platz, an der er eine Straßenbahn besteigen wollte, unterbrochen hat. Von dort aus hat er sich nach den getroffenen Feststellungen über die südliche Fahrbahn an der Mönckebergstraße hinweg auf das Gelände begeben, auf dem die Bedürfnisanstalt liegt, und ist die Treppe hinabgeschritten, um in dem unterirdischen Toilettenraum seine Notdurft zu verrichten. Diese Unterbrechung des Heimwegs ist – auch darin stimmt der Senat mit dem LSG überein – nicht als so geringfügig anzusehen, daß sie rechtlich außer Betracht bleiben könnte. Ein Abweg, der den unter Versicherungsschutz stehenden Weg nach oder von der Arbeitsstätte gar nicht erst unterbricht, ist zB der Gang zu einem am Straßenrand oder Bürgersteig befindlichen Briefkasten oder Verkaufsstand, an dem man gewissermaßen im Vorbeigehen eine Besorgung erledigen kann (vgl. BSG SozR RVO § 543 aF Bl. Aa Nr. 5). Von solcher Geringfügigkeit war das Verhalten des Klägers nach den gegebenen Umständen nicht; denn er hat den Bereich der Straffe und des Bürgersteigs durch Betreten eines mit einem Gebäude vergleichbaren Raumes eindeutig und für eine nicht ganz unerhebliche Zeit verlassen. Schließlich ist dem LSG auch darin beizupflichten, daß die Unterbrechung des Heimwegs im vorliegenden Falle einem Zweck gedient hat, der in der Regel dem rein persönlichen und daher unversicherten Lebensbereich eines Beschäftigten zuzurechnen ist. Das Verrichten der Notdurft gehört anerkanntermaßen ebensowohl zu diesem Bereich wie zB Essen, Trinken und Schlafen. Gleichwohl ist hieraus nicht zu folgern, daß eine an sich rein persönliche Verrichtung, vor allem das Verrichten der Notdurft, unter allen Umständen den Versicherungsschutz ausschließe.

Für das Verrichten der Notdurft auf der Arbeitsstätte hat die Rechtsprechung von jeher Versicherungsschutz angenommen (VGL. RVA, An 1911, 389 Nr. 2458; Breithaupt 1913, 35 und 1914, 479; Kompaß 1914, 56; EuM Bd. 23, 417; Bad. LVAmt, Zeitschrift für Arbeiterversicherung Bd. 19, 279; Bayer. LVAmt, Breithaupt 1913, 196; BSG 16, 76). Die Rechtfertigung für diese Rechtsprechung ist darin zu sehen, daß die Ausübung der versicherten Tätigkeit den Beschäftigten in die Zwangslage gebracht hat, einem persönlichen Bedürfnis an der Arbeitsstätte oder in ihrer Nähe – anstatt in seinem häuslichen Bereich – nachgehen zu müssen, und ihn somit der Gefahr ausgesetzt hat, der er erlegen ist; diese Notwendigkeit, eine – wenn auch persönliche – Verrichtung wegen des Gebundenseins an die Arbeitsstätte in deren Gefahrenbereich zu erledigen, begründet den zur Annahme eines Arbeitsunfalls erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit (so auch Hess. LSG, BG 1955, 262). In einzelnen der angeführten Entscheidungen des RVA ist der Versicherungsschutz auch damit begründet, daß die Abortanlage bezw. der Zugang zu ihr schadhaft gewesen sei (AN 1911, 389 Nr. 2458 und Breithaupt 1914, 479) oder daß die Betriebsstätte einschließlich der Abortanlage jedenfalls der Einwirkungsmöglichkeit des Arbeitgebers unterliege. Erwägungen dieser Art können jedoch nicht als unumgängliche Voraussetzungen für die Bejahung des Versicherungsschutzes angesehen werden. Wären sie ausschlaggebend, so müßte beim Verrichten der Notdurft auf einem Betriebswege der Versicherungsschutz verneint werden; denn in solchen Fällen ist der Arbeitgeber für den Zustand der Anlage in der Regel nicht verantwortlich. Gleichwohl hat die Rechtsprechung aber auch für Unfälle beim Verrichten der Notdurft auf einem Betriebswege Entschädigung zugebilligt (RVA, AN 1891, Nr. 949 und EuM Bd. 23, 270), nach der Auffassung des erkennenden Senats mit Recht, weil das betriebsbedingte Unterwegssein als eine versicherte Tätigkeit den Beschäftigten notgedrungenermaßen in einen besonderen, ihm fremden Gefahrenbereich geführt und somit einen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Benutzung der Anlage oder dem Begehen des zu ihr führenden Weges begründet hatte.

Was für das Verrichten der Notdurft auf der Betriebsstätte und auf einem Betriebsweg gilt, muß nach der Auffassung des Senats auch für das Verrichten der Notdurft auf dem Wege nach oder von der Arbeitsstätte gelten. In solchen Fällen wird der Gefahrenbereich, in den sich der Beschäftigte aus Anlaß des Verrichtens der Notdurft unabwendbar begibt;, zwar nicht unmittelbar durch die versicherte Tätigkeit begründet, sondern nur mittelbar insofern, als der Weg, den der Beschäftigte beim Auftreten eines Bedürfnisses nicht ohne Unterbrechung fortsetzen kann, der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bezw. der Rückkehr von der Arbeitsstätte dient. Nach § 543 Abs. 1 RVO aF ist aber die mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Zurücklegung des Weges nach und von der Arbeitsstätte jener Tätigkeit versicherungsrechtlich gleichzuerachten (vgl. BSG SozR RVO § 543 aF. Bl. Aa 34 Nr. 39). Deshalb ist der Versicherungsschutz auch dann gegeben, wenn das Bedürfnis zum Verrichten der Notdurft nicht während der versicherten Tätigkeit selbst, sondern auf dem Wege nach oder von der Arbeitsstätte auftritt und der Beschäftigte aus diesem Grunde gezwungen ist, den Weg zu unterbrechen, um sich an einem geeigneten Ort seines Bedürfnisses zu entledigen. Gestatten es die Umstände – zB das Begehen eines nicht gleichzeitig von anderen Verkehrsteilnehmern benutzten und uneinsehbaren Weges –, daß die Notdurft unmittelbar am Wegrand verrichtet werden kann, so ist ein Versicherungsschutz schon deshalb gegeben, weil der Weg nach oder von der Arbeitsstätte gar nicht erst unterbrochen wird. Die Rechtslage kann aber im Ergebnis nicht anders sein, wenn ein Versicherter, dessen Weg über eine verkehrsreiche oder bewohnte Straße führt, in Beachtung des allgemeinen Anstandsgefühls zum Verrichten seiner Notdurft eine nahegelegene uneingesehene Örtlichkeit, insbesondere eine neben der Straße befindliche Bedürfnisanstalt, aufsucht. Ob Versicherungsschutz auch bestände, wenn der Kläger sich unnötigerweise weitab von seinem Weg begeben oder eine außergewöhnliche Gefahren bietende Örtlichkeit aufgesucht hätte (vgl. LSG Celle vom 26. November 1957, Lauterbach-Kartei Nr. 2780 zu § 543 RVO aF), brauchte aus Anlaß des vorliegenden Streitfalles nicht entschieden zu werden.

Unerheblich ist es nach der Auffassung des Senats, ob die Befriedigung des Bedürfnisses, welches den Kläger zum Aufsuchen der Bedürfnisanstalt veranlaßt hat, unaufschiebbar war oder ob er den nach dem Stadtplan von Hamburg in der Luftlinie etwa 6 km langen und nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers etwa 23 Minuten Fahrzeit ausmachenden Weg zu seiner Wohnung in zumutbarer Weise noch hätte zurücklegen können. Das LSG hat diese Frage unentschieden gelassen, es hat aber festgestellt, daß der Kläger in der Bedürfnisanstalt seine Notdurft habe verrichten wollen, also ein Bedürfnis hierzu gehabt habe. Diese Feststellung genügt, um den inneren Zusammenhang zwischen dem unfallbringenden Abweg und der Zurücklegung des unter Versicherungsschutz stehenden Heimwegs von der Arbeitsstätte zu begründen.

Hiernach liegt ein nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF als Arbeitsunfall geltender Wegeunfall vor, der die Beklagte zur Entschädigungsleistung verpflichtet.

Da die Revision somit begründet ist, mußten das angefochtene Urteil des LSG, das Urteil des SG Hamburg vom 15. September 1961 und der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 25. März 1961 aufgehoben werden. Die Beklagte wurde dem Grunde nach zur Entschädigungsleistung verurteilt (§ 130 Satz 1 SGG), weil die Voraussetzungen des § 54 Abs. 4 SGG vorliegen – Klage auf Aufhebung eines Verwaltungsakts und auf Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht – und nach dem Sachverhalt die Wahrscheinlichkeit begründet ist, daß der geltend gemachte Leistungsanspruch in einer Mindesthöhe gegeben ist (BSG SozR SGG § 130 Bl. Da 3 Nr. 3 und Da 4 Nr. 4).

Die Entscheidung über die Kosten ergeht in Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926738

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