Leitsatz (amtlich)

Ein Fürsorgeverband kann Versorgungsrenten nach FürsPflVO § 21a nur im Rahmen der BVG §§ 67, 68 auf sich überleiten, also vor der Anweisung der Rente bis zum vollen Betrag, nach der Anweisung bis zum halben Betrag, es sei denn, daß eine Genehmigung der Hauptfürsorgestelle zur Überleitung bis zum vollen Betrag vorliegt.

 

Normenkette

BVG § 67 Fassung: 1953-08-07, § 68 Fassung: 1953-08-07; FürsPflV § 21a

 

Tenor

Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 20. August 1957 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger ist seit 1939 wegen einer nicht schädigungsbedingten Schizophrenie auf Kosten des Beigeladenen in einer Heil- und Pflegeanstalt untergebracht. Wegen eines Lungenleidens gewährte ihm das Versorgungsamt (VersorgA) vom 1. Oktober 1950 an Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 v.H. nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), und zwar durch Bescheid vom 5. Juni 1951 die Grundrente in Höhe von monatlich 75,-- DM und auf Gegenvorstellung des Klägers durch Bescheid vom 22. Februar 1952 eine Ausgleichsrente in Höhe von monatlich ebenfalls 75,-- DM. Entsprechend einer auf § 21 a der Verordnung über die Fürsorgepflicht (FürsPflVO) gestützten Überleitungsanzeige des Beigeladenen vom 16. Mai 1951 wurde die bewilligte Rente in voller Höhe zur Zahlung an den Beigeladenen angewiesen.

Mit der Berufung (alten Rechts) hat der Kläger geltend gemacht, daß die bewilligte Grundrente nicht an den Beigeladenen, sondern an ihn auszuzahlen sei. Durch Urteil vom 20. Januar 1953 hat das Oberversicherungsamt (OVA) M... den Bescheid vom 22. Februar 1952 abgeändert und den Beklagten für verpflichtet erklärt, dem Kläger vom 1. Oktober 1950 an die Grundrente von monatlich 75,-- DM zu belassen und an den Beigeladenen nur die Ausgleichsrente von monatlich 75,-- DM zu überweisen. Die gegen dieses Urteil gerichteten Rekurse des Beigeladenen und des Beklagten, die nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufungen (neuen Rechts) auf das Landessozialgericht (LSG) übergegangen sind, hat das LSG durch Urteil vom 20. August 1957 als unbegründet zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß die Bezirksfürsorgeverbände nach § 21 a FürsPflVO zwar grundsätzlich berechtigt seien, auch Versorgungsansprüche unterstützter Personen auf sich überzuleiten. Dieses Recht sei aber durch die §§ 67, 68 BVG dahin eingeschränkt, daß die Überleitung nur vor der Anweisung der Versorgungsbezüge in voller Höhe, danach nur noch zum halben Betrage zulässig sei. Hierbei handele es sich um Sondervorschriften, die der allgemeinen Regel des § 21 a FürsPflVO vorgingen, um den Kriegsbeschädigten und ihren Hinterbliebenen besondere Leistungen zukommen zu lassen. Das OVA habe daher den Bescheid vom 22. Februar 1952 mit Recht dahin abgeändert, daß dem Kläger die Grundrente zu belassen sei.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 5. November 1957 zugestellte Urteil hat der Beigeladene mit einem am 3. Dezember 1957 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und das Rechtsmittel am 2. Januar 1958 begründet. Er beantragt,

die Urteile des OVA M... vom 20. Januar 1953 und des Bayerischen LSG vom 20. August 1957 aufzuheben und die Klage (Berufung alten Rechts) abzuweisen.

Der Beigeladene rügt eine Verletzung der §§ 21 a FürsPflVO, 67, 68 BVG. Bei der Überleitung nach § 21 a FürsPflVO handele es sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Daraus ergebe sich, daß die §§ 67, 68 BVG nicht anzuwenden seien, weil sie sich nur auf die Übertragung, Verpfändung und Pfändung der Versorgungsbezüge bezögen. Die Überleitung von Versorgungsbezügen nach § 21 a FürsPflVO sei im BVG überhaupt nicht erwähnt und daher weder ausgeschlossen noch eingeschränkt worden. Die §§ 67, 68 BVG stellten auch keine Sondervorschriften gegenüber § 21 a FürsPflVO dar. Sie regelten die Übertragung der Versorgungsbezüge schlechthin, während § 21 a FürsPflVO die besondere Übertragung durch Überleitungsanzeige zum Gegenstand habe. Im übrigen sei nicht einzusehen, warum Versorgungsbezüge nicht in vollem Umfange zum Ersatz der von den Fürsorgeverbänden erbrachten Leistungen herangezogen werden dürften, während z.B. die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in vollem Umfange der Überleitung unterlägen. Ferner könnten mit Genehmigung der Hauptfürsorgestelle auch Versorgungsbezüge in vollem Umfange übertragen werden. Endlich hätte das LSG nach seiner eigenen Rechtsauffassung die Überleitung der vollen Versorgungsbezüge bis zum Erlaß des Bescheides vom 22. Februar 1952 für rechtmäßig halten müssen, weil die Rente erst in diesem Zeitpunkt angewiesen worden sei.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 Abs. 1 SGG). Bedenken dagegen, daß die Revision nur von dem Beigeladenen eingelegt worden ist, während der in der Berufungsinstanz ebenfalls unterlegene Beklagte sich mit der getroffenen Entscheidung zufrieden gegeben hat, bestehen nicht. Nach § 75 Abs. 2 und 4 SGG können Beigeladene abweichende Sachanträge stellen; wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ein derartiger Fall liegt hier vor, da durch die Entscheidung in diesem Rechtsstreit gleichzeitig unmittelbar in die Rechtssphäre des Beigeladenen eingegriffen wird (Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb, Anm. 5 a zu § 75 SGG). Die hiernach zulässige Revision des Beigeladenen ist auch begründet.

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zuständig. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte auf Grund der Überleitungsanzeige des Beigeladenen nach § 21 a FürsPflVO diesem die bewilligten Versorgungsbezüge des Klägers in vollem Umfange auszuzahlen hat oder ob auf Grund besonderer Vorschriften des Versorgungsrechts der Umfang der Erstattung von Fürsorgeleistungen aus Versorgungsbezügen beschränkt ist und der Kläger deshalb nach den Vorschriften des BVG verlangen kann, daß ein Teil der bewilligten Rente nicht an den Beigeladenen, sondern an ihn ausgezahlt wird. Der Kläger hat insoweit die von dem Beklagten erlassenen Bescheide vom 5. Juni 1951 und 22. Februar 1952 angefochten. Es handelt sich also um den Rechtsstreit eines Versorgungsberechtigten wegen seiner Versorgungsbezüge gegen die Versorgungsverwaltung, bei dem allerdings der beigeladene Fürsorgeverband die Versorgungsbezüge wegen einer Überleitungsanzeige gem. § 21 a FürsPflVO für sich in Anspruch nimmt und somit die rechtliche Vorfrage zu klären ist, ob § 21 a FürsPflVO die §§ 67, 68 BVG ausschließt. Dieser Rechtsstreit betrifft demnach Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und ist nach § 51 SGG den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit in mehreren Fällen bejaht, in denen die Überleitung von Versorgungsbezügen angegriffen worden war (vgl. BVerwG in NJW 1957, 74 ff, BVBl 1957, 57 und DÖV 1961, 152). In diesen Fällen hat es sich aber um Angriffe gegen die Überleitungsanzeigen der Fürsorgeverbände nicht dagegen um die Anfechtung von Bescheiden der Versorgungsverwaltung gehandelt. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob dem Urteil des 7. Senats des BSG vom 25. Januar 1961, in dem die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Entscheidung über die Rechtswirksamkeit einer Überleitungsanzeige verneint worden ist (BSG 13, 279), beigepflichtet werden kann; denn dort handelte es sich um die hier nicht zu entscheidende, nach § 28 des Kindergeldgesetzes zu beurteilende Frage, ob die Sozialgerichte zur Entscheidung über eine Leistungsklage berufen sind, die ein Fürsorgeverband erhoben hatte, nachdem ihm die beklagte Familienausgleichskasse die Auszahlung von angeblich übergeleitetem Kindergeld verweigert hatte. Daß es sich in den Fällen, in denen Fürsorgeverbände zur Erstattung eigener Leistungen Versorgungsleistungen beanspruchen, um öffentlich-rechtliche Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung handelt, dafür spricht auch, daß ähnlich bei Ersatzansprüchen der Fürsorgeverbände nach den §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit als gegeben angesehen wird (BSG 3, 57; OVG Münster in SozSich 1960 Rechtspr. Nr. 1092).

Der Beigeladene hat dem Beklagten mitgeteilt, daß er die früheren und zukünftigen Versorgungsbezüge des Klägers zur Deckung der für den Kläger erbrachten Unterstützungsleistungen nach § 21 a FürsPflVO auf sich überleite. Nach dieser Vorschrift kann der Fürsorgeverband, der auf Grund der FürsPflVO einen Hilfsbedürftigen unterstützt hat, durch schriftliche Anzeige an einen Dritten, gegen den der Hilfsbedürftige für die Zeit der Unterstützung Rechtsansprüche auf Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs hatte, den Übergang dieser Rechtsansprüche zur Erstattung seiner Leistung bewirken. Hierbei wird der Übergang nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Anspruch der Pfändung nicht unterworfen ist. Der Beigeladene ist der Ansicht, er habe die Versorgungsrente, die dem Kläger bewilligt worden ist, in voller Höhe auf sich überleiten können, weil es sich hierbei um Leistungen des Lebensbedarfs handele und § 21 a FürsPflVO als Sonderregelung den Vorschriften des BVG vorgehe. Zutreffend an dieser Ansicht ist, daß es sich bei Versorgungsrenten um Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs handelt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Grundrente zur Bestreitung von Mehraufwendungen oder Ausgaben dienen, die durch die erlittene Schädigung bedingt sind, während die Ausgleichsrente einen angemessenen Lebensunterhalt sicherstellen soll (vgl. Begründung zum Entwurf des BVG in der Anlage zur Bundestagsdrucksache - 1. Wahlperiode - Nr. 1353 S. 43, 45). Bei diesen Versorgungsbezügen handelt es sich demnach um Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs. Auch nach dem früheren Reichsversorgungsgesetz (RVG) sind die Versorgungsrenten, nicht dagegen die hier ohnehin nicht in Betracht kommenden Pflegezulagen als derartige Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs angesehen worden (vgl. Reichsversorgungsgericht -RVGer- 9, 37; 11, 309; 12, 220).

Dagegen kann der Ansicht des Beigeladenen, die auch vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vertreten wird (vgl. die oben angeführten Entscheidungen), daß es sich bei § 21 a FürsPflVO um eine Sondervorschrift handele, die schon aus diesem Grunde allen Vorschriften des BVG vorgehe, nicht beigepflichtet werden. Zwar stellt § 21 a FürsPflVO insoweit eine Sondervorschrift dar, als er den Fürsorgeverbänden einen Weg eröffnet, Erstattungsforderungen (§ 25 FürsPflVO) nicht im Wege der Zwangsvollstreckung oder der rechtsgeschäftlichen Forderungsabtretung, sondern durch eine bloße schriftliche Mitteilung durchzusetzen. Dadurch ist jedoch der Bundesgesetzgeber nicht gehindert, in Gesetzen, mit denen er Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs gewährt, vorzuschreiben, daß gegenüber diesen Leistungen die Möglichkeit der Übertragung und Pfändung und damit auch ein Überleitungsrecht der Fürsorgeverbände entweder überhaupt nicht oder nur in eingeschränktem Umfange besteht, wie es z.B. hinsichtlich der Leistungen aus der Sozialversicherung in den §§ 1531 ff RVO geschehen ist. Ebenso wie die §§ 1531 ff RVO hinsichtlich der Leistungen aus der Sozialversicherung führen die §§ 67, 68 BVG hinsichtlich der Versorgungsleistungen im Ergebnis dazu, daß diese Leistungen dem Zugriff der Fürsorgeverbände nur in beschränktem Umfang unterliegen. Lediglich der zu diesem Erfolg führende Weg ist in der RVO und im BVG unterschiedlich. Während der Gesetzgeber in der RVO bei den Leistungen aus der Sozialversicherung dem Fürsorgeverband einen eigenen Ersatzanspruch (neben der Möglichkeit der Pfändung und Übertragung nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 in Verb. mit §§ 1531 ff RVO) gegeben und diesen hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten in die Leistungen aus der Sozialversicherung beschränkt hat, ist durch das BVG der Versorgungsanspruch dem unbeschränkten Zugriff des Fürsorgeverbandes dadurch entzogen, daß dessen Übertragbarkeit und Pfändbarkeit begrenzt ist. Daß der Gesetzgeber mit der Regelung in § 67 Abs. 2 Nr. 4, § 68 BVG auch die Versorgungsansprüche dem unbeschränkten Zugriff der Fürsorgeverbände hat entziehen wollen, ist schon deshalb anzunehmen, weil kein Grund ersichtlich ist, die sonst hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit und Pfändbarkeit gleichermaßen Beschränkungen unterliegenden Leistungen aus der Sozialversicherung und Versorgung dann unterschiedlich zu behandeln, wenn es sich um die Zugriffsmöglichkeiten der Fürsorgeverbände für Ersatzansprüche handelt. Im übrigen geht auch aus dem § 68 Abs. 2 BVG hervor, daß der Gesetzgeber mit den §§ 67, 68 BVG den Ersatzanspruch der Fürsorgeverbände hat erfassen wollen; denn in § 68 Abs. 2 erwähnt er ausdrücklich den "Ersatzanspruch der Fürsorgestellen" und räumt ihm unter den in § 68 Abs. 1 erwähnten Ansprüchen (und darunter fallen auch die Ersatzansprüche der Fürsorgeverbände gemäß § 67 Abs. 2 Nr. 4 BVG) nur insofern eine Sonderstellung ein, als er ihm beim Zusammentreffen mit den Ansprüche anderer Berechtigter den Vorfang gibt. Bei einer derartigen gesetzlichen Regelung durch §§ 67 ff BVG handelt es sich demnach um Sondervorschriften, die gegenüber § 21 a FürsPflVO den Vorrang haben.

Wenn der Beigeladene meint - auch insoweit in Übereinstimmung mit den genannten Entscheidungen des BVerwG-, daß das BVG eine derartige Einschränkung des Überleitungsrechts deshalb nicht enthalte, weil es die Überleitung überhaupt nicht erwähne, so kann der Senat diese Ansicht nicht teilen. Das BVG enthält ebenso wie das frühere RVG Vorschriften über die Übertragung, Verpfändung und Pfändung (§§ 67 ff BVG) und die Übertragung kraft Gesetzes (§§ 71 ff BVG), erwähnt also - wie der Beigeladene zutreffend hervorhebt - die "Überleitung" von Versorgungsansprüchen auf die Fürsorgeverbände unter dieser Bezeichnung nicht. Hierbei ist jedoch entscheidend zu berücksichtigen, daß das BVG in § 67 Abs. 2 Nr. 4 die Übertragung, Verpfändung und Pfändung des Anspruchs auf Versorgungsrente wegen eines Anspruchs einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf Rückzahlung einer nach gesetzlicher Verpflichtung gewährten Leistung (aF) bzw. Rückerstattung einer auf gesetzlicher Grundlage gewährten Leistung (nF) zuläßt. Fürsorgeleistungen sind der typische Fall einer nach gesetzlicher Verpflichtung bzw. auf gesetzlicher Grundlage gewährten Leistung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Wie der Beigeladene selbst zutreffend ausführt, sollte den Fürsorgeverbänden mit der Überleitungsanzeige ein Mittel in die Hand gegeben werden, ihre Rückzahlungs- oder Rückerstattungsforderungen in vereinfachter Form durchzusetzen. Sie hat dieselbe Wirkung wie die Überweisung an Zahlungs Statt durch den Beschluß des ordentlichen Gerichts nach § 835 Zivilprozeßordnung (BVerwG in NJW 1957, 74 ff; BGH in NJW 1956, 790). Daraus, daß in § 67 Abs. 2 BVG sowohl die Voraussetzungen als auch die Wirkungen einer Überleitungsanzeige nach § 21 a FürsPflVO für das Gebiet der Kriegsopferversorgung enthalten sind, ist zu entnehmen, daß damit auch geregelt werden sollte, in welchem Umfange derartige Überleitungsanzeigen im Versorgungsrecht wirksam werden können.

Diese Ansicht wird durch die Entwicklungsgeschichte der §§ 67, 68 BVG bestätigt. Der Gesetzgeber hat diese Vorschriften bewußt den §§ 68, 69 RVG nachgebildet (vgl. die Begründung zum Entwurf des BVG in der Anlage zur Bundestagsdrucksache - 1. Wahlperiode - Nr. 133 S. 66). Die §§ 68, 69 RVG waren zumindest seit den oben angeführten Entscheidungen des RVGer dahin ausgelegt worden, daß sie den Umfang des Überleitungsrechts der Fürsorgeverbände für das Gebiet der Kriegsopferversorgung regelten. Es muß daher angenommen werden, daß der Gesetzgeber mit der Übernahme des Wortlauts der §§ 68, 69 RVG in das BVG auch deren Sinn und Zweck, wie er in den Entscheidungen des RVGer zum Ausdruck gekommen ist, den Vorschriften der §§ 67, 68 BVG zugrunde gelegt hat (vgl. hierzu auch BSG 12 S. 16, 19 mit denselben Gedankengängen zu § 62 BVG). Nach alledem stellen die §§ 67, 68 BVG eine Sonderregelung gegenüber § 21 a FürsPflVO dar.

Nach § 68 Abs. 1 BVG aF war die Übertragung, Verpfändung und Pfändung und damit auch die Überleitung lediglich für die Zeit vor der Anweisung der Rente unbegrenzt, nach der Anweisung nur noch zum halben Betrag - mit Genehmigung der Hauptfürsorgestelle auch bis zum vollen Betrag - zulässig. In § 68 Abs. 1 BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes war zunächst eine Genehmigung der Hauptfürsorgestelle zum Zwecke des Zugriffs auf den vollen Rentenbetrag nicht mehr vorgesehen. Durch Art. I Nr. 1 Buchst. f des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 20. April 1961 (BGBl I 443) ist jedoch in § 68 Abs. 1 BVG wieder mit Rückwirkung auf den 1. Juni 1960 der Satz eingefügt worden: "Mit Genehmigung der Hauptfürsorgestelle ist die Übertragung, Verpfändung und Pfändung auch nach der Anweisung bis zum vollen Betrag zulässig." Demnach konnte der Beigeladene für die Zeit vor Anweisung der Rente den vollen Betrag auf sich überleiten, für die Zeit nach der jeweils mit der Gewährung erfolgten Anweisung nur noch den halben Betrag, es sei denn, daß im letzteren Falle eine Genehmigung der Hauptfürsorgestelle zur Anweisung bis zum vollen Betrage vorlag.

Der Beigeladene hält dieses bereits von den Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde gelegte Ergebnis für unbillig. Er verweist darauf, daß im Gegensatz hierzu nach § 1536 RVO die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in vollem Umfange für die Erstattung von Leistungen der Fürsorgeverbände in Anspruch genommen werden können. Er verkennt hierbei jedoch, daß ein erheblicher Unterschied darin besteht, ob die Erstattung von Fürsorgeleistungen aus den Ergebnissen eines normalen Arbeitslebens oder aus Entschädigungen vorgenommen wird, die der Staat - wie bei den Kriegsbeschädigten - für ein besonderes Opfer gewährt. Im übrigen übersieht der Beigeladene, daß die Fürsorgeverbände nach § 1534 RVO Ersatz aus den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der die Kriegsopferversorgung erheblich mehr Berührungspunkte hat als mit der gesetzlichen Rentenversicherung, nur dann beanspruchen können, wenn die Unterstützung infolge des Unfalls gewährt worden ist, so daß also auch die Renten der Unfallversicherung in der Mehrzahl der Fälle dem Zugriff der Fürsorgeverbände entzogen sein dürften.

Daß der Gesetzgeber den Willen hatte, den Versorgungsberechtigten in den Fällen, in denen sie zusätzlich zu den Versorgungsleistungen von den Fürsorgeverbänden unterstützt worden sind oder unterstützt werden, grundsätzlich die halbe Rente zu belassen, wird durch das Erste Neuordnungsgesetz bestätigt. Nach den §§ 71, 71 a BVG nF kann nunmehr selbst dann, wenn der Versorgungsberechtigte zum Vollzug einer Strafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Sicherung und Besserung in einer Anstalt oder auf gerichtliche Anordnung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, in Fürsorgeerziehung, in einem Krankenhaus oder in einer ähnlichen Anstalt untergebracht ist, nur der Anspruch auf die Ausgleichsrente auf die Stelle übergehen, der die Unterbringungskosten zur Last fallen. Das bedeutet, daß die Grundrente dem Beschädigten selbst in den Fällen verbleibt, in denen er mit den Strafgesetzen in Konflikt geraten ist, und daß hinsichtlich der über die Ausgleichsrente hinausgehenden Kosten der Unterbringung nicht auf die Grundrente zurückgegriffen werden kann. Wenn es der Gesetzgeber insoweit für angemessen hält, dem Versorgungsberechtigten trotz der Kosten, die der Allgemeinheit entstehen, einen Teil der Versorgungsbezüge zu belassen, so muß das erst recht gelten, wenn der Allgemeinheit Fürsorgekosten entstehen, ohne daß der Versorgungsberechtigte zum Vollzug einer Strafe oder auf gerichtliche Anordnung untergebracht worden ist.

Der Kläger hatte mithin nach § 68 BVG einen Anspruch darauf, daß ihm vom Zeitpunkt der Anweisung der Rente, die zusammen mit deren Bewilligung am 5. Juni 1951 (Grundrente) und am 22. Februar 1952 (Ausgleichsrente) erfolgt ist, die Hälfte der angewiesenen Rente belassen wird, sofern nicht die Hauptfürsorgestelle die Übertragung an den Beigeladenen auch nach der Anweisung bis zum vollen Betrage genehmigt hat. Damit kann das angefochtene Urteil zunächst schon insoweit keinen Bestand haben, als die Vorinstanzen den Beklagten verurteilt haben, an den Kläger die Hälfte der für den Zeitraum vom 1. Oktober 1950 bis zum 5. Juni 1951 bewilligten Grundrente bzw. die Hälfte der für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 22. Februar 1952 bewilligten Ausgleichsrente zu zahlen; denn vor der Anweisung der Rente ist die Übertragung nach § 68 Abs. 1 BVG unbegrenzt zulässig. Im übrigen hätte, selbst wenn es anders wäre, die im Gesetz nicht vorgesehene und damit nicht zugelassene Aufteilung im Grund- und Ausgleichsrente nicht vorgenommen werden dürfen. Für die Zeit nach der Anweisung der Versorgungsbezüge an den Kläger konnte der Senat nicht selbst entscheiden, weil es insoweit an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts darüber fehlt, ob und gegebenenfalls seit wann sowie in welchem Umfange und bis zu welchem Zeitpunkt eine Genehmigung der Hauptfürsorgestelle zur Übertragung der Versorgungsbezüge bis zum vollen Betrage vorgelegen hat. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Das LSG wird hierbei zu beachten haben, daß sich in den Versorgungsakten (Bl. 38) die Abschrift einer Genehmigung der Bayerischen Hauptfürsorgestelle zur Übertragung der vollen Versorgungsbezüge vom 3. Februar 1954 befindet.

 

Fundstellen

BSGE, 12

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