Leitsatz (amtlich)

Auch teilzeitbeschäftigte Beamte sind - wie alle anderen Beamtengruppen - zur freiwilligen Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen und damit zur Beitragsnachentrichtung nach den Sondervorschriften des RRG nur berechtigt, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs 1a AVG = § 1233 Abs 1a RVO (Entrichtung von Beiträgen für 60 Monate) im maßgebenden Zeitpunkt erfüllt sind. Das gilt auch dann, wenn Grund für die Teilzeitbeschäftigung einer Beamtin die Erziehung von Kindern ist.

 

Normenkette

AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 10 Abs 1a Fassung: 1972-10-16; RVO § 1233 Abs 1a Fassung: 1972-10-16

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 25.01.1979; Aktenzeichen L 4 An 220/78)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.09.1978; Aktenzeichen S 26 An 32/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) für die Zeit von Mai 1958 bis Dezember 1971 berechtigt ist.

Die 1932 geborene Klägerin hatte im Februar 1958 ihr Hochschulstudium mit dem Referendarexamen abgeschlossen und im gleichen Monat einen Witwer mit fünf Kindern geheiratet; aus dieser Ehe sind zwei weitere Kinder hervorgegangen. Die Klägerin hat die Ausbildung als Studienreferendarin zunächst im Interesse der Familienversorgung nach der Eheschließung abgebrochen und sie erst am 16. Juni 1970 (als Beamtin auf Widerruf) fortgesetzt. Sie hat das Assessorexamen am 1. Februar 1972 abgelegt. Seither ist sie - anfangs als Beamtin auf Probe, später als Beamtin auf Lebenszeit - im Schuldienst tätig. Vor dem 1. Februar 1978 war sie teilzeitbeschäftigt.

Einen im Januar 1974 gestellten Antrag auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG für die Zeit von Februar 1958 bis Juni 1970 hatte die Beklagte durch den - von der Klägerin nicht angefochtenen - Bescheid vom 17. Mai 1974 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei als im Zeitpunkt der Antragstellung versicherungsfreie Beamtin ohne eine Vorversicherungszeit von 60 Kalendermonaten nicht zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG berechtigt.

Ihren am 29. Dezember 1975 bei der Beklagten eingegangenen zweiten Antrag auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG für die Zeit von Mai 1958 bis Dezember 1971 stützte die Klägerin darauf, daß sie wegen ihrer besonderen Familienverhältnisse nach ihrer Eheschließung zunächst nur als "Nur-Hausfrau" und danach bis Januar 1978 lediglich als Teilzeitbeamtin habe tätig sein können; nach der Zielsetzung des Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG müsse ihr das Recht auf Schließung der dadurch entstandenen Beitragslücken eröffnet werden.

Die Beklagte hat auch diesen Antrag durch Bescheid vom 19. August 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1979 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei nicht zur Entrichtung freiwilliger Beiträge und daher auch nicht zur Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG berechtigt. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Düsseldorf vom 20. September 1978; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen -LSG- vom 25. Januar 1979); das LSG hat zur Begründung ausgeführt, Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG eröffne der Klägerin die von ihr begehrte Nachentrichtung auch nicht mit Rücksicht darauf, daß sie im Interesse der Versorgung ihrer Kinder und Stiefkinder nicht oder nicht voll habe berufstätig sein können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Klägerin. Sie trägt zur Begründung vor, wegen ihrer besonderen Interessenlage sei es unbeschadet des Umstandes, daß sie im Zeitpunkt der Antragstellung teilzeitbeschäftigte Beamtin auf Lebenszeit gewesen sei, erforderlich, sie einer "Nur-Hausfrau" gleichzustellen und § 10 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nicht anzuwenden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 25. Januar

1979 und des Urteils des SG Düsseldorf vom 20. September 1978 sowie

unter Aufhebung des Bescheides vom 19. August 1977 in der Gestalt

des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1978 zu verurteilen, die

Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß Art 2 § 49a

Abs 2 AnVNG für die Zeit vom 1. Mai 1958 bis 31. Dezember 1971

in der höchsten Beitragsklasse zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin nicht berechtigt ist, Beiträge nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nachzuentrichten.

Das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG setzt voraus, daß derjenige, der Beiträge nachentrichten will, zur freiwilligen Versicherung nach § 10 AVG berechtigt ist; diese Berechtigung muß im Zeitpunkt der Antragstellung oder jedenfalls bis zum Ablauf der Antragsfrist am 31. Dezember 1975 vorliegen (Urteil des Senats vom 22. Februar 1980, SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 35). Da die Klägerin schon seit Juni 1970 Beamtin ist, wäre sie gemäß  § 10 Abs 1a AVG versicherungsberechtigt nur, wenn sie für 60 Monate Beiträge entrichtet hätte. Diese Voraussetzungen liegen nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht vor. Sie erfüllt damit weder die Voraussetzung für eine (laufende) Entrichtung freiwilliger Beiträge noch für eine Beitragsnachentrichtung gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG.

Eine einschränkende Auslegung des § 10 Abs 1a AVG in dem Sinne, daß die Vorschrift für teilzeitbeschäftigte Beamte nicht gilt, hält der Senat nicht für möglich; denn im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung ist die Beschränkung der Beitragsentrichtung auch für diese Beamtengruppe gerechtfertigt. Es ist zwar unverkennbar, daß bei teilzeitbeschäftigten Beamten anders als bei vollzeitbeschäftigten ein Bedürfnis besteht, die im Rahmen des Dienstverhältnisses erworbene Versorgung aufzustocken. Das gleiche Bedürfnis kann indessen auch bei geringverdienenden oder teilzeitbeschäftigten (nichtbeamteten) Arbeitnehmern bestehen. Dennoch hat der Gesetzgeber auch bei ihnen eine Aufstockung der Pflichtbeiträge durch freiwillige Beiträge nicht vorgesehen, den Ausschluß von der freiwilligen Versicherung allerdings dadurch gemildert, daß neben den Pflichtbeiträgen Beiträge zur Höherversicherung entrichtet werden können. Beamten steht dieses Recht nicht zu; dafür haben sie aber, wenn sie für 60 Kalendermonate Beiträge entrichtet haben, uneingeschränkt das Recht zur freiwilligen Versicherung. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, daß diese unterschiedliche Behandlung zweier nach ihrem Versorgungssystem grundsätzlich verschiedener Gruppen als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden müßte. Nach der Zielsetzung des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) sollte im übrigen die Rentenversicherung nur dann für bisher nicht versicherte Gesellschaftsgruppen geöffnet werden, wenn sie nicht bereits anderweitig gesetzlich gesichert waren (BT-Drucks VI/2916 Teil A, Allgemeines, S 37 unter I).

Schwierigkeiten, die Beschränkungen für Beamte, insbesondere wenn sie teilzeitbeschäftigt sind, noch mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren, ergeben sich erst dadurch, daß die für die "aktuelle" freiwillige Versicherung geschaffene Vorschrift des § 10 AVG in Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG auf das Nachentrichtungsrecht für einen größeren Zeitraum übertragen worden ist und es zudem für dieses besondere Nachentrichtungsrecht darauf ankommt, ob im Zeitraum der Antragstellung alle Voraussetzungen des Nachentrichtungsrechts vorgelegen haben. Diese Schwierigkeiten bei der Anwendung des Art 2 § 49a AnVNG könnten zwar Anlaß sein, die Möglichkeit einer einschränkenden Auslegung der genannten Nachentrichtungsvorschrift zu  überdenken. Eine solche Auslegung würde jedoch voraussetzen, daß nur dadurch eine schwerwiegende Verfehlung des Gesetzeszwecks zu beseitigen wäre. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Soweit verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten sind, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon in dem Beschluß vom 27. September 1978 (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 19) entschieden, daß die unterschiedliche Behandlung der Beamten, insbesondere soweit sie ihren grundsätzlichen Ausschluß sowohl von der freiwilligen Versicherung wie von der Beitragsnachentrichtung betrifft, mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist; ihr Sicherungsbedürfnis unterscheide sich von dem der bisher von der Versicherung ausgeschlossen gewesenen Gruppen erheblich. Die vom Gesetzgeber getroffene Abgrenzung der Nachentrichtungsberechtigung wäre zwar anders möglich gewesen, sei aber in der geschehenen Weise nicht willkürlich.

Wenn das BVerfG somit für Beamte einen Ausschluß von den Sicherungsmöglichkeiten der gesetzlichen Rentenversicherung vom Standpunkt des Verfassungsrechts grundsätzlich nicht beanstandet hat, so hat der erkennende Senat diesen Ausschluß auch für solche Beamte gelten lassen, die zur Zeit der Antragstellung den Status von Lebenszeitbeamten noch nicht erreicht hatten und daher noch in weit höherem Maße als diese auf ein (zusätzliches) Sicherungsbedürfnis verweisen könnten (vgl die Urteile des Senats vom 22. Februar 1980 - 12 RK 51/78 -, SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 35 betr Beamte auf Widerruf, und vom 18. November 1980 - 12 RK 46/80 - mwN). Wenn  aber selbst diese Beamten von der freiwilligen Rentenversicherung einschließlich der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge ausgeschlossen bleiben (und damit im Ergebnis nicht anders behandelt werden wie versicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer, die, solange sie versicherungspflichtig beschäftigt sind, daneben nicht noch freiwillige Beiträge, sondern nur Höheversicherungsbeiträge entrichten können), so kann für die Klägerin, die schon bei Inkrafttreten des RRG am 19. Oktober 1972 nach Feststellung des LSG eine feste Versorgungsanwartschaft als Beamtin besaß, nichts anderes gelten.

Unerheblich ist schließlich, daß die Klägerin vor der Begründung von Nachentrichtungsrechten durch das RRG von 1972 "Nur-Hausfrau" war. Der Gesetzgeber hat zwar mit der Öffnung der Rentenversicherung für weitere, bisher nicht versicherte Gesellschaftsgruppen insbesondere den Hausfrauen und den mithelfenden Familienangehörigen den Aufbau einer ausreichenden Alters- und Invaliditätssicherung ermöglichen wollen (s BT-Drucks aaO); die  Ausübung des Rechts der Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG hat er jedoch nicht von ihrem Sicherungsbedürfnis abhängig gemacht, sondern nur davon, daß derjenige, der Beiträge nachentrichten will, zum Antragszeitpunkt oder bis 31. Dezember 1975 die Voraussetzungen für die freiwillige Weiterversicherung erfüllt. Nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG war die Klägerin jedoch im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr "Nur-Hausfrau".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659942

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