Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitnehmern während der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach Herzoperation oder Herzinfarkt. Eingliederungsversuch in das Arbeitsleben nach Herzerkrankung

 

Leitsatz (redaktionell)

Arbeitnehmer, die nach einem Herzinfarkt oder einer Herzoperation durch Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung bei ihrem bisherigen Arbeitgeber stufenweise wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden und weiterhin arbeitsunfähig sind, unterliegen aufgrund der Teilzeitarbeit dann nicht der Sozialversicherungspflicht, wenn die Tätigkeit nach Art und Umfang nicht als Arbeitnehmerbeschäftigung gewertet werden kann und auch die gezahlte Vergütung keine Gegenleistung für geleistete Arbeit darstellt. 2. Eine prozentual bemessene AU gibt es nicht. Arbeitsfähigkeit und AU schließen einander aus.

 

Orientierungssatz

Für die Feststellung der AU ist grundsätzlich von der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit des Versicherten auszugehen. Der Versuch einer etappenweisen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß bei Rekonvaleszenten nach Herzoperation steht der Annahme von AU für den bisherigen Beruf nicht entgegen.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1967-12-21; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07; AVG § 36 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Entscheidung vom 24.03.1976; Aktenzeichen S 2 K 49/74)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 1976 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Krankengeld und um die Anrechnung einer Ausfallzeit.

Der Kläger war seit Jahren versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1), seit dem 19. Oktober 1973 war er infolge eines kombinierten Aortenvitiums und der Implantation einer Herzklappe arbeitsunfähig. Die Beklagte zu 1) gewährte ihm ab 1. Dezember 1973 nach Ende der Lohnfortzahlung Krankengeld. Da er nach einer Mitteilung seines Arbeitgebers mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 2.100,- DM die Versicherungspflichtgrenze überschritten haben würde, stufte ihn die Beklagte zu 1) vom 1. Januar 1974 an in die Beitragsklasse 521 für freiwillige Mitglieder um. Am 1. April 1974 begann der Kläger eine Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber, um die Möglichkeiten einer Arbeitsbelastung zu erproben und damit eine allmähliche Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu versuchen. Sein Arbeitgeber zahlte ihm monatlichen 1.050,- DM. Die Beklagte zu 1) setzte das Krankengeld des Klägers daraufhin von 49,30 DM auf 27,24 DM täglich herab und teilte ihm mit, daß die gesetzliche Grenze für die Bezugsdauer des Krankengeldes auch für das neu festgesetzte Teilkrankengeld gültig sei. Der Kläger erhob gegen die Entscheidung der Beklagten zu 1) Widerspruch, der durch den Widerspruchsbescheid vom 18. November 1974 zurückgewiesen wurde. Mit dem 17. April 1975 stellte die Beklagte zu 1) die Krankengeldzahlung wegen Erschöpfung der Anspruchsdauer ein.

In der Zwischenzeit forderte der Kläger von der Beklagten zu 2), ihm die Zeit des Krankengeldbezuges ab 1. April 1974 aufgrund der bei ihm bestehenden Arbeitsunfähigkeit als Ausfallzeit anzuerkennen. Die Beklagte zu 2) lehnte mit Bescheid vom 5. Mai 1975 die Anerkennung einer Ausfallzeit vom 1. April bis zum 30. November 1974 ab, weil der Kläger in dieser Zeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Der Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 28. August 1975 zurückgewiesen.

Im Januar 1975 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 2) Rente. Nachdem er aufgrund einer ärztlichen Begutachtung seit Oktober 1974 als erwerbsunfähig angesehen worden war, erkannte die Beklagte zu 2) dem Kläger mit Bescheid vom 18. Juni 1975 einen Anspruch auf Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zu. Sie nahm an, daß der Versicherungsfall am 1. Oktober 1974 eingetreten sei. In der Rentenberechnung ist die Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 1974 als Pflichtbeitragszeit angerechnet. Durch Bescheid vom 23. Juni 1976 hat die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen dauernder EU zuerkannt.

Unter Hinweis auf ein ärztliches Attest, in dem der Kläger aufgrund einer Endocarditis ab 24. April 1975 als voll arbeitsunfähig angesehen wird, beantragte er bei der Beklagten zu 1), ihm ab 8. Mai 1975 erneut Krankengeld zu gewähren, weil bei ihm eine neue Krankheit vorliege. Die Beklagte zu 1) lehnte mit Bescheid vom 4. Juni 1975 den Anspruch ab, weil die neue Erkrankung nur zu der bisherigen hinzugetreten sei und deshalb die Leistungsdauer nicht verlängere. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch, den die Beklagte zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 1975 zurückwies.

Gegen die Widerspruchsbescheide der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) hat der Kläger Klagen vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben, das die Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Das SG hat eine Arbeitgeberauskunft vom 13. Dezember 1975 über die vom Kläger ab 1. April 1974 ausgeübte Tätigkeit eingeholt. Sie besagt, daß der Kläger weniger als die Hälfte der Arbeitszeit tätig gewesen sei und seine Betätigung nicht als Arbeitnehmertätigkeit gewertet werden könne. Das Entgelt sei ihm aus sozialen Gründen gewährt, die berufliche Tätigkeit als Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt worden. Der Kläger hat vor dem SG gefordert, die Bezugszeit seines Krankengeldes von 78 auf 156 Wochen zu verlängern und ihm ab 24. April 1975 Krankengeld zu gewähren sowie die Zeit der Arbeitsunfähigkeit während des Krankengeldbezuges als Ausfallzeit anzurechnen. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. März 1976). Der Kläger und die Beklagte zu 1) hätten zwar im Rahmen eines Modellversuchs außerhalb der gesetzlichen Vorschriften eine 50%ige Krankengeldzahlung vereinbart, jedoch könne der Kläger daraus nicht folgern, daß die Leistungsgewährung zu gesetzlich nicht vorgesehenen Konsequenzen führe, selbst wenn die Beklagte zu 1) ihn nicht hinreichend belehrt habe. Sie habe vielmehr zugunsten des noch jungen Klägers eine Regelung versucht, die seine baldige Rehabilitation habe erwarten lassen. Eine Verlängerung der Bezugsdauer des Krankengeldes sei nicht zulässig, auch wenn der Kläger nicht den vollen Krankengeldbetrag erhalten habe. Das ergebe sich aus einem Vergleich mit § 183 Abs 5 Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Beklagte zu 2) habe zutreffend die Anrechnung einer Ausfallzeit während der verminderten Krankengeldzahlung abgelehnt, weil diese Zeit als Pflichtbeitragszeit zur Rentenversicherung anzusehen sei. Nach der Erklärung des Arbeitgebers habe dieser zwar nur aus sozialen Gründen das halbe Gehalt gezahlt, dennoch habe auch diese Zahlung Entgeltcharakter und löse daher Sozialversicherungspflicht aus. Das SG hat durch Beschluß vom 12. Mai 1976 die Revision gegen das Urteil zugelassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er hält § 183 Abs 2 RVO und § 36 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) für verletzt. Er habe an einem Modellversuch teilgenommen, der als Heilmaßnahme anzusehen und dazu bestimmt gewesen sei, die verlorene Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Daraus folge, daß seine Tätigkeit nicht als versicherungspflichtige Beschäftigung gewertet werden könne. Er habe sich zu dem Versuch nur aufgrund unzureichender Unterrichtung bereit erklärt, auch die Arbeitgeberauskunft zeige, daß er keine reguläre Halbtagsbeschäftigung ausgeübt und das Entgelt nur aus sozialen Gründen erhalten habe. Er sei arbeitsunfähig gewesen.

Der Kläger beantragt,

1)

das Urteil des SG Koblenz vom 24. März 1976 - Az.: S 2 K 49/74 - aufzuheben und zu verurteilen, die Beklagte zu 1)

unter Aufhebung der angefochtenen Widerspruchsbescheide vom 18. November 1974 und vom 1. September 1975

a)

die 78 Wochenfrist auf 156 Wochen zu verlängern,

b)

ab 24. April 1975 an den Kläger Krankengeld zu zahlen,

die Beklagte zu 2)

unter Aufhebung ihres Bescheides vom 5. Mai 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1975, die Zeit der stufenweisen Wiedereingliederung des Klägers in das Erwerbsleben als Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, also als Ausfallzeiten anzuerkennen.

2)

Hilfsweise

das Urteil des SG Koblenz vom 24. März 1976 aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG Koblenz zurückzuverweisen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen sei. Da der Krankengeldanspruch auf 78 Wochen begrenzt sei und die Zeit der Lohnfortzahlung darauf angerechnet werden müsse, habe die Zahlung des Krankengeldes am 17. April 1975 geendet. Die Begrenzung der Bezugsdauer werde nicht dadurch beeinflußt, daß der Kläger Arbeitsentgelt bezogen habe, das auf das Krankengeld anrechenbar gewesen sei. Der Anspruch des Klägers auf Krankengeld ab 24. April 1975 sei schon deshalb unbegründet, weil er seit dem 2. April 1975 eine Rente wegen EU beziehe. Sie habe ihre Informationspflichten dem Kläger gegenüber nicht verletzt, denn in ihren Merkblättern, auf die er Bezug nehme, seien die Rechtsfolgen so dargelegt, wie sie jetzt beim Kläger eingetreten seien.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

die Revision zurückzuweisen, soweit der Kläger die Anerkennung einer Ausfallzeit begehrt.

Sie ist der Auffassung, daß der Kläger für die von ihm ausgeübte Beschäftigung versicherungspflichtig gewesen sei. Die Entrichtung von Pflichtbeiträgen führe zur Berücksichtigung der streitigen Zeit als Beitragszeit, und dadurch werde eine Anrechnung als Ausfallzeit ausgeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet.

Der erkennende Senat ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, da der Kläger einerseits die Gewährung von Krankengeld fordert und andererseits die versicherungsrechtliche Bewertung der Zeit ab 1. April 1974 für die Kranken- und Rentenversicherung im Streit steht.

Soweit der Rechtsstreit Ansprüche des Klägers aus der Rentenversicherung betrifft, ist sein Ausgangspunkt die Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten zu 2) vom 28. August 1975. Der Kläger hatte in seinem Klageschriftsatz beantragt, die Zeit seines Eingliederungsversuchs in das Arbeitsleben als Ausfallzeit anzuerkennen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. November 1975 ist zwar nach dem Sitzungsprotokoll überhaupt kein Antrag zu den rentenversicherungsrechtlichen Ansprüchen des Klägers gestellt worden, allein daraus läßt sich nicht schließen, daß der Kläger keine solche Ansprüche mehr hätte geltend machen wollen. Es hätte sonst einer ausdrücklichen Erklärung des Klägers über die Rücknahme des Antrags hinsichtlich dieses Streitgegenstandes bedurft, eine solche hat er aber weder im vorbereitenden Verfahren des SG noch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG abgegeben. Auch das SG hat offenbar keine Klagerücknahme angenommen, denn das angefochtene Urteil vom 24. März 1976 enthält in den Entscheidungsgründen Ausführungen darüber, daß die Vorentscheidung der Beklagten zu 2) zutreffend und dem Kläger eine Ausfallzeit nicht anzurechnen sei.

Schon aus diesem Grunde bedarf das angefochtene Urteil infolge der Verfahrensmängel (§ 106 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) der Aufhebung. Das SG hat es unterlassen, auf die Klärung der Ansprüche und die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Dazu hätte umso mehr Veranlassung bestanden, als der Kläger von der Beklagten zu 2) ursprünglich die Anerkennung der Zeit vom 1. April bis zum 30. November 1974 als Ausfallzeit begehrte und die Beklagte zu 2) mit ihrem Bescheid auch über diesen Anspruch entschieden hatte. Während des sozialgerichtlichen Verfahrens war dieser Bescheid der Beklagten zu 2) jedoch weitgehend gegenstandslos geworden, weil die Beklagte zu 2) dem Kläger auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 18. Juni 1975 eine Zeitrente wegen EU zugebilligt hatte. Da der Rentenbescheid den Eintritt des Versicherungsfalles beim Kläger auf den 1. Oktober 1974 festgesetzt hatte, enthält die Rentenberechnung nur Versicherungszeiten bis einschließlich Oktober 1974, und zwar sind dem Kläger für die streitige Zeit von April bis Oktober 1974 Pflichtbeitragszeiten mit einem Arbeitsentgelt von 10.500,- DM angerechnet worden. In diesem Zusammenhang hätte das SG feststellen müssen, in welchem Umfang der Kläger nach dem Erlaß des Rentenbescheids seine Ansprüche aufrechterhalten oder aber modifizieren wollte. Erst nach Klärung des Anspruchsumfanges hätte die Entscheidung ergehen können, in der danach die Frage zu erörtern gewesen wäre, ob der Rentenbescheid nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Da das angefochtene Urteil keine hinreichende Entscheidungsgrundlagen enthält, war es aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen. Der erkennende Senat hat es für zweckmäßig gehalten, die Zurückverweisung zur sachdienlichen Entscheidung dem Landessozialgericht (LSG) zuzuweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG).

Bei der weiteren Durchführung des Rechtsstreits wird zunächst zu klären sein, ob der Kläger die im Rentenbescheid angerechnete Beitragszeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 1974 durch eine Ausfallzeit ersetzt haben will und ob er ggf insoweit sein ursprüngliches Begehren einschränkt. Bei der Entscheidung über die Anrechnung der Zeit wird das LSG sodann festzustellen haben, ob der Kläger in dieser Zeit arbeitsfähig oder arbeitsunfähig war. Das SG hat verkannt, daß dem Gesetz der Begriff einer nach Prozenten bemessenen Arbeitsunfähigkeit fremd ist. Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsfähigkeit sind gegensätzliche Begriffe, die einander ausschließen. Für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich von der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit des Versicherten auszugehen, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung im Anschluß an die des Reichsversicherungsamtes entschieden hat (vgl BSGE 5, 283, 288; 19, 179, 181; 26, 288, 290; 27, 188, 190; vgl auch BSGE 32, 18, 20). Deshalb haben auch die Spitzenverbände der Krankenversicherungsträger bereits in Besprechungen von Februar und August 1972 (abgedruckt in "Die Leistungen" 1972, Seite 237 und 1973, Seite 49) im Hinblick auf Rekonvaleszenten nach Herzoperationen aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) den Schluß gezogen, daß der Versuch einer etappenweisen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß der Annahme von Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf nicht entgegenstehe und sie haben diese Auffassung im November 1977 ("Die Leistungen" 1978, Seite 110) erneut bestätigt. Für die Ermittlung der Arbeitsunfähigkeit wird es der Aufklärung des Gesundheitszustandes des Klägers in der fraglichen Zeit bedürfen und in diesem Zusammenhang wird das LSG auch die vom SG eingeholte Arbeitgeberauskunft vom 13. Dezember 1975 zu würdigen haben.

Sollte sich herausstellen, daß der Kläger von Anfang an arbeitsunfähig war - das hat die Beklagte zu 1) angenommen und ihm daraufhin Krankengeld gewährt -, so müßte das dazu führen, daß die Beklagte zu 2) ihm nicht nur die Zeit vom 1. Dezember 1973 bis zum 31. März 1974, wie das in dem Rentenbescheid geschehen ist, sondern auch die weitere Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 1974 als Ausfallzeit anrechnet. Der Senat vermag die Auffassung des SG und der Beklagten zu 2), daß der Kläger in jener Zeit rentenversicherungspflichtig gewesen sei und wirksame Pflichtbeiträge entrichtet habe, die eine Anrechnung als Ausfallzeit verhinderten, nicht zu folgen. Diese Auffassung wäre nur dann berechtigt, wenn der Kläger in der Zeit von April bis Oktober 1974 in einem rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hätte. Davon kann bei Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht ausgegangen werden. Das zwischen Arbeitgeber und Kläger vereinbarte und praktizierte Rechtsverhältnis konnte kein zur Versicherungspflicht führendes Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung sein. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung der Rechtsfrage, wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn das Rechtsverhältnis nach dem Inkrafttreten des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (RehaAnglG), dem 1. Oktober 1974, vereinbart worden wäre, weil mit diesem Zeitpunkt Belastungserprobung und Arbeitstherapie Gegenstand der Krankenhilfe geworden sind (vgl § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst e, § 182d). Die zwischen dem Arbeitgeber des Klägers und diesem getroffene Vereinbarung liegt jedoch vor diesem Zeitpunkt. Das schließt allerdings nicht aus, daß sie die zwischen ihnen bestehenden rechtlichen Beziehungen so ausgestalten konnten, daß kein Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt zustande kam. Wie der Arbeitgeber des Klägers in seiner Auskunft ausdrücklich erklärt hat, hat er die Zahlungen an den Kläger aus sozialen Gründen geleistet und nicht, um damit dessen Arbeitsleistungen zu entlohnen. Auch die vom Kläger verrichtete Tätigkeit ist nach der Auskunft des Arbeitgebers sowohl ihrer Art als auch ihrem Umfang nach keine Arbeitnehmertätigkeit. Er hat ihm vielmehr Betätigungen im Betrieb gestattet, um damit die ärztlichen Therapiebemühungen zu unterstützen. Davon ist offenbar die Beklagte zu 1) ausgegangen, denn sie ist der Auffassung gewesen, es handle sich um einen Modellversuch, bei dem eine stufenweise Eingliederung des Versicherten in das Arbeitsleben erprobt werden sollte. Da somit weder die Tätigkeit des Klägers als eine Beschäftigung als Angestellter iSd § 2 Abs 1 Nr 1 AVG noch die vergönnungsweisen Zahlungen des Arbeitgebers als Entgelt im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können, entfällt die Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten, und die Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 1974 ist mithin nicht als Pflichtbeitragszeit anzusehen. Unter diesen Umständen hängt die Wertung der Zeit als Ausfallzeit lediglich von der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ab. Da der Senat diese Feststellung nicht selbst zu treffen vermag, muß das LSG insoweit noch tätig werden.

Auch über Ansprüche des Klägers auf Gewährung von Krankengeld vermag der Senat nicht sachlich zu entscheiden. Im Streit zwischen den Beteiligten steht lediglich die Dauer der Krankengeldzahlungen bzw die Frage, von welchem Zeitpunkt an dem Kläger erneut Krankengeld zu zahlen ist. Die Beklagte zu 1) hat dem seit 19. Oktober 1973 arbeitsunfähigen Kläger nach Ende der Lohnfortzahlung ab 1. Dezember 1973 Krankengeld gezahlt und diese Zahlungen am 17. April 1975 wegen Erschöpfung der Leistungsdauer eingestellt. Der Kläger fordert jedoch Zahlung über diesen Termin hinaus bzw erneut ab 24. April 1975. Zwar läßt sich die Bezugsdauer von Krankengeld nicht, wie der Kläger meint, auf 156 Wochen verlängern, weil § 183 Abs 2 RVO zwingend vorschreibt, daß die Höchstbezugsdauer von Krankengeld für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren beträgt. Dennoch ergibt sich allein daraus noch keine Entscheidung über das Begehren des Klägers. Dazu bedarf es vielmehr der Feststellung, ob der Kläger in der Zeit ab 1. April 1974 arbeitsunfähig gewesen ist, denn nur unter der Voraussetzung seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit wäre die Bezugsdauer im April 1975 abgelaufen. Des weiteren hat es aber das SG unterlassen, festzustellen, wann die dem Kläger gewährte Rente wegen EU beginnt. Sofern nämlich die Rente dem Kläger von einem Zeitpunkt an zugebilligt worden ist, zu dem er noch einen Anspruch auf Krankengeld hatte, wäre nach § 183 Abs 3 RVO damit der Krankengeldanspruch beendet worden. In diesem Falle könnte die Frage der Erschöpfung der Bezugsdauer des Krankengeldes bedeutungslos werden. Sollte die Bezugsdauer erschöpft gewesen sein und die Rente wegen EU noch nicht begonnen haben, könnte es schließlich darauf ankommen, ob beim Kläger nach der Einstellung der Krankengeldzahlung eine neue Krankheit aufgetreten wäre. Auch diese Feststellungen, von denen die Sachentscheidung abhängt, kann der erkennende Senat nicht selbst treffen. Sie werden mithin vom LSG nachzuholen sein.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655079

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