Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit eines Lebensmittelhändlers, bei dem ein Arbeitsunfall den Verlust des Geruchsvermögens herbeiführte.

 

Normenkette

RVO § 581 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Januar 1967 und das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 8. Dezember 1965 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der im Jahre 1934 geborene Kläger durchlief im elterlichen Geschäft die Lehre eines Lebensmittelkaufmanns; diese schloß er mit der Gehilfenprüfung ab. Nach 1/2-jährigem Besuch der Fachschule des Lebensmitteleinzelhandels unterzog er sich der Abschlußprüfung mit befriedigendem Erfolg. In der Folgezeit war der Kläger im elterlichen Lebensmittelgeschäft als Verkäufer tätig.

Auf einer Geschäftsfahrt am 10. September 1962 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall. Er zog sich dadurch Verletzungen an Kopf und Brustkorb sowie an den Gliedmaßen zu. Vermutlich führte ein Bruch am Boden der vorderen Schädelgrube zu einem Abriß der Riechfasern, so daß der Kläger riechende Stoffe nicht mehr wahrnimmt, dagegen ätzende Stoffe. Das Geschmacksvermögen ist herabgesetzt; die Grundempfindungen sauer, bitter, süß und scharf kann der Kläger unterscheiden.

Nach dem inzwischen eingetretenen Tod seines Vaters führt der Kläger praktisch das Geschäft, obwohl es nunmehr seiner Mutter gehört, weil diese wegen ihres Alters nur noch gelegentlich im Geschäft tätig ist. Dessen Absatz betrug nach den Angaben des Klägers im Jahre 1966 etwa ... 200.000,- DM; davon entfielen 80 v. H. auf den Lebensmittelhandel. Der Kläger fühlt sich durch die Unfallfolgen insbesondere beim Ein- und Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren sowie bei der Herstellung von Salaten beeinträchtigt.

Die Beklagte bewilligte ihm durch Bescheid vom 8. August 1963 vorläufige Rente von 30 v. H. der Vollrente. Durch Bescheid vom 8. Juni 1964 lehnte sie die Gewährung einer Dauerrente ab und stellte die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats Juli 1964 ein, weil Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grade nicht mehr bestünden. Die Voraussetzungen des § 581 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien nicht gegeben, weil der Kläger keinen Spezialberuf ausübe. Durch den Verlust des Geruchssinns und die Herabsetzung der Geschmacksempfindung sei er nach seinen eigenen Angaben lediglich beim gelegentlichen Zubereiten von Salaten und bei der Prüfung besonderer Lebensmittel etwas behindert. Diese machten aber nur einen geringen Teil seines Geschäfts aus.

Auf Klage hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück durch Urteil vom 8. Dezember 1965 diesen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, vom 1. August 1964 an dem Kläger Dauerrente von 20 v. H. der Vollrente zu gewähren. Das SG ist der Auffassung, daß unter den Bedingungen des modernen Arbeitslebens die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Unfallfolgen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens um 20 v. H. gemindert sei. Eine besondere berufliche Beeinträchtigung im Sinne von § 581 Abs. 2 RVO sei hingegen zu verneinen.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 17. Januar 1967 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt:

In der ärztlichen Wissenschaft seien die Meinungen geteilt, ob der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zur Folge habe. R und L verneinten dies, weil nach ihrer Ansicht Geruch und Geschmack für die Ausübung der meisten Berufe unwichtig seien. Einige Rhinologen schätzten die MdE in einem solchen Fall auf 10 bis 15 v. H., weil das Geruchsvermögen für den Menschen von entscheidender Bedeutung sei. Dieser Ansicht sei zuzustimmen, so daß der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns nach den Grundsätzen der abstrakten Schadensbemessung mit 10-15 v. H., aber nicht höher zu bewerten sei, weil für das gesamte Gebiet des Erwerbslebens ein derartiger Folgezustand eine Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten, jedoch nur eine geringe Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bedeute. Im Falle des Klägers würde diese Einschränkung jedoch zu einer unbilligen Härte führen. Obwohl er im Zeitpunkt des Unfalls lediglich Angestellter im elterlichen Geschäft gewesen sei, habe er dieses mit Rücksicht auf die spätere Übernahme des Familienbetriebs bereits damals praktisch wie ein Unternehmer geführt. Bei der laufenden Überwachung eines Lebensmittelgeschäfts, beim Einkauf von Waren wie z. B. Wurst- und Fleischwaren, Kaffee, sei für einen Unternehmer der Geruchs- und Geschmackssinn von besonderer Bedeutung. Fehle er, so stelle dies insbesondere für den Leiter eines kleineren Familienbetriebs einen wesentlichen Nachteil dar, da er die in seiner Branche erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht mehr voll verwerten könne. Es könne dem Kläger nicht zugemutet werden, diesen Nachteil durch eine Tätigkeit in abhängiger Stellung, in der - etwa als Angestellter einer Einkaufsgenossenschaft - der Geruchs- und Geschmackssinn keine so große oder gar keine Rolle spiele, auszugleichen. Abgesehen davon, daß er hier weniger verdienen würde, stelle die Verweisung eines Unternehmers auf eine abhängige Stellung einen sozialen Abstieg und somit eine unbillige Härte im Sinne des § 581 Abs. 2 RVO dar. Deshalb sei die MdE im Falle des Klägers höher zu bewerten, so daß sie die Zubilligung einer Rente zur Folge habe.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und es im wesentlichen wie folgt begründet:

Für die Bewertung der MdE mache es keinen Unterschied, ob ein in einem Lebensmittelgeschäft tätiger Verkäufer oder der voraussichtliche Inhaber eines solchen Geschäfts, welches er praktisch bereits leite, durch Unfallfolgen behindert werde wie sie beim Kläger vorhanden seien. Das Berufungsgericht habe jedoch die heutzutage in Lebensmittelgeschäften üblichen Verhältnisse verkannt. Nahrungs- und Genußmittel würden an den Einzelhändler größtenteils in verpacktem Zustand geliefert. Kühleinrichtungen, wie sie in jedem Einzelhandelsgeschäft selbstverständlich seien, verhinderten einen Verderb der nicht verpackten Ware. Der Bereich, in dem ein Lebensmittelkaufmann auf seinen Geruchs- und Geschmackssinn angewiesen sei, könne daher nur noch sehr klein sein. Dessen Fehlen könne deshalb im Normalfall, wie er hier vorliege, keine MdE in rentenberechtigtem Grad nach sich ziehen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Sortiment eines Lebensmitteleinzelhändlers bestehe auch heute noch zu einem großen Teil aus Waren, welche, obwohl sie frisch geliefert würden, verderben können, deren Zustand der Händler somit in eigener Verantwortung ständig überprüfen müsse, wie beispielsweise Fleisch, Wurst, Fisch, Eier, Milcherzeugnisse. Die Beklagte habe das ideale Lebensmittelgeschäft im Auge. Aufgrund menschlicher Unzulänglichkeiten könne es aber immer einmal vorkommen, daß trotz aller Vorkehrungen die Bearbeitung und Lagerung von Lebensmitteln fehlerhaft sei. Ein Einzelhandelskaufmann sei aber auch bei der Auswahl von Lebensmitteln, welche ihm von Vertretern angeboten würden, sowie bei deren Zubereitung, insbesondere von Salaten, auf seinen Geruchs- und Geschmackssinn angewiesen. Der Kläger habe sich im Laufe der Jahre durch den täglichen Umgang mit Lebensmitteln eine besondere berufliche Erfahrung angeeignet, deren Verlust nach § 581 Abs. 2 RVO zu berücksichtigen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist begründet.

Das LSG bejaht den Rentenanspruch des Klägers, weil es die Voraussetzungen des § 581 Abs. 2 RVO als gegeben ansieht. Die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu dieser Vorschrift sind nicht frei von Bedenken.

Nach § 581 Abs. 1 RVO ist dem Verletzten Rente entsprechend dem Ausmaß der MdE zu gewähren. § 581 Abs. 2 RVO verdeutlicht diese Vorschrift dahin, daß bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen sind, die der Verletzte dadurch erleidet, daß er bestimmte von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BSG 23, 253, 255; 28, 227, 229; Breithaupt 1966, 392) hat § 581 Abs. 2 RVO die frühere vom Senat weiter entwickelte Rechtsprechung über die Beurteilung der MdE in Fällen besonderer Härte im wesentlichen normiert. Die vom LSG unter diese Vorschrift eingeordnete Frage, ob es nicht nur bei unfallverletzten Arbeitnehmern, sondern auch bei Unternehmern auf die ihnen nach einem Arbeitsunfall verbliebene Fähigkeit zum Erwerb auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens ankommt, ist indessen schon nach dem im Abs. 1 des § 581 RVO enthaltenen Grundbegriff der MdE zu beurteilen; der hierzu in der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der abstrakten Schadensbemessung wird durch den Absatz 2 dieser Vorschrift nicht eingeschränkt (BSG 23, 253, 254). Die Auffassung des LSG, einem unfallverletzten Unternehmer könne generell die Verrichtung einer Tätigkeit in abhängiger Stellung nicht zugemutet werden, weil dies für ihn einen sozialen Abstieg und somit eine unbillige Härte im Sinne von § 581 Abs. 2 RVO bedeute, engt den für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Begriff der Erwerbsfähigkeit in einer dem Zweck dieses Versicherungswagnisses widersprechenden Weise ein. Sie würde dazu führen, daß für Unternehmer nur ein mehr oder weniger großer Kreis ihrer im Zeitpunkt des Unfalls ausgeübten Berufstätigkeit und nicht das allgemeine Arbeitsfeld als maßgeblich angesehen werden dürfte. § 581 RVO macht jedoch zwischen Unternehmern und abhängig Beschäftigten keinen grundlegenden Unterschied. Die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der selbständig tätigen Personen bemißt sich somit ebenfalls nach dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens. Dabei wird, da die RVO in erster Linie auf die Verhältnisse der in abhängiger Stellung arbeitenden Bevölkerung abstellt, zunächst zu versuchen sein, vergleichbare Arbeitnehmertätigkeiten heranzuziehen; andernfalls ist der der Schätzung der MdE zugrunde zu legende Maßstab nach billigem Ermessen zu bestimmen (Kreil, Die Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der deutschen Sozialversicherung 1935, S. 217).

Das Berufungsgericht geht ferner davon aus, daß Nachteile im Sinne von § 581 Abs. 2 RVO stets gegeben seien, wenn die "Nichtberücksichtigung des Berufs" bei der Bewertung der MdE zu einer unbilligen Härte führen würde. Eine derart verallgemeinernde Auslegung dieser Vorschrift ist indessen nicht rechtens. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann eine angemessene, nicht etwa die ausschlaggebende Berücksichtigung eines Lebensberufs (BSG 4, 294, 299) bei der Beurteilung der MdE nach den Umständen des Einzelfalls zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt sein. Selbst wenn der Verletzte infolge eines Arbeitsunfalls seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann, hat dies jedoch nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht zwangsläufig eine höhere Bewertung der MdE nach § 581 Abs. 2 RVO zur Folge (BSG 23, 253, 256). Die Verletzung, die der Versicherte sich durch den Unfall zugezogen hat, muß sich vielmehr spezifisch auf die Fähigkeit zum Erwerb auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens auswirken (BSG 23, 253, 255). In den vom erkennenden Senat entschiedenen Streitfällen, welche in BSG 4, 294 (Musiker, Geige) und SozEntsch III/2, BSG IV, RVO § 559 a Nr. 6 (Zirkusartistin) veröffentlicht sind, wirkte sich die Unfallverletzung jeweils dahin aus, daß ein Lebensberuf nicht mehr ausgeübt werden konnte und angesichts des Lebensalters sowie der Art und der jahrzehntelangen Ausübung des Berufs eine berufliche Umstellung ganz erheblichen Schwierigkeiten begegnete. Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls indessen erst 28 Jahre alt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist er im elterlichen Lebensmittelgeschäft, welches er einmal übernehmen soll und wegen des fortgeschrittenen Alters seiner Eltern - erst recht nach dem nach dem Unfall eingetretenen Tod seines Vaters - praktisch schon wie ein Unternehmer führt, nach wie vor tätig; seine kaufmännische Tätigkeit wird allerdings, da der Kläger durch den Unfall seinen Geruchssinn verloren hat und seine Geschmacksempfindung herabgesetzt ist, in mancher Hinsicht, wie vom LSG näher dargelegt, eingeschränkt. Die auf Unfallfolgen zurückführende, gewiß lästige Behinderung des Klägers in der Ausübung seines Berufs ist aber nicht einmal mit der Lage vergleichbar, in welcher sich ein abhängig Beschäftigter befindet, welcher infolge eines Arbeitsunfalls den erlernten Beruf aufgeben muß. Im Falle der Zirkusartistin hat der erkennende Senat, obwohl diese im Zeitpunkt des Unfalls erst 39 Jahre alt war, eine rechtlich bedeutsame unbillige Härte darin gesehen, daß die Klägerin etwa 3 1/2 Jahrzehnte als Zirkusartistin tätig und von Kindheit an nur für diesen Beruf geschult, ihr ganzes Leben somit einseitig auf diese seit ihrer Kindheit ausgeübte Tätigkeit ausgerichtet war und sie mangels regelmäßigen Schulbesuchs nicht die übliche Grundausbildung erhalten hatte, so daß ihr für eine andere Beschäftigung, insbesondere außerhalb der "zirzensischen Kunst", weit mehr als anderen nicht in der Zirkuswelt aufgewachsenen Versicherten die Voraussetzungen für eine berufliche Umstellung, zu der sie mangels Unfähigkeit zur Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit gezwungen war, weitgehend fehlten. Die dem Kläger durch den Arbeitsunfall entstandenen beruflichen Nachteile sind dagegen nicht so, daß sie als rechtlich bedeutsam im Sinne von § 581 Abs. 2 RVO anzusehen sind. Allein darin, daß nach der Auffassung des Berufungsgerichts nur bei Anwendung dieser Vorschrift ein Rentenanspruch besteht, liegt noch keine unbillige Härte (BSG 4, 147, 150).

In welchem Maße sich die Unfallfolgen auf die dem Kläger auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens noch verbliebene Wettbewerbsfähigkeit auswirken, ist sonach im Rahmen der nach § 581 Abs. 1 RVO vorzunehmenden Schätzung festzustellen. Hierbei sind etwaige von der Rechtsprechung und der Sozialversicherungspraxis entwickelte allgemeine Erfahrungssätze zu beachten. Obwohl diese für die Entscheidung im Einzelfall nicht bindend sind (BSG 4, 147, 149), bilden sie im allgemeinen die Grundlage für eine gerechte Bewertung der MdE, allerdings unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1.8.1969, Band II S. 568 b). Die Frage, welche Bedeutung dem Verlust der Geruchs- und Geschmacksempfindung für die einem Unfallverletzten verbliebene Fähigkeit zum Erwerb auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens zukommt, wird im versicherungsmedizinischen Schrifttum trotz mancher Übereinstimmung nicht ganz einheitlich beantwortet. Rostock (Unfallbegutachtung, 2. Aufl., 1951, S. 53) und Liniger-Molineus (Der Unfallmann, 8. Aufl., 1964, S. 201) verneinen eine MdE. Günther/Hymmen (Unfallbegutachtung, 5. Aufl., 1968, S. 61) schätzen sie auf 10 v. H. Nach Schöneberg (Die ärztliche Beurteilung Beschädigter, 4. Aufl., 1967, S. 95) wird der Verlust des Geruchssinns nur in ausgesuchten Fällen eine Beeinträchtigung der MdE zur Folge haben, in den meisten Fällen werde dadurch keine MdE oder eine solche von 10 v. H. gegeben sein. Ähnlicher Meinung ist wohl Lob (Handbuch der Unfallbegutachtung, 1961, Band I S. 373), da er in der Begutachtung einen Spielraum von 0-20 v. H. vorsieht. Nach Ansicht des - verstorbenen - Direktors der Universitätsklinik für HNO-Krankheiten in M, Prof. Dr. L (Das ärztliche Gutachten im Versicherungswesen, herausgegeben von Fischer, Herget und Mollowitz, 3. Aufl., 1968, Band I S. 735) muß der Verlust des Geruchs- und Geschmacksvermögens zusammen beurteilt werden und ist mit 20 v. H., bei bestimmten Berufen bis zu 50 v. H. anzusetzen; der Geruchssinn werde ganz allgemein (z. B. Freude am Blumengeruch, Warnung bei Gasgeruch in der Wohnung, an der Arbeitsstätte) zu wenig beachtet; die Rhinologen schätzten in solchen Fällen die MdE meist auf 10 bis 15 v. H., weil sie als Fachärzte besser als Allgemeinpraktiker, Amtsärzte oder Chirurgen die Wichtigkeit des Geruchsvermögens beurteilen könnten. Prof. Dr. K, Direktor der HNO-Klinik am Klinikum E der Ruhruniversität Bochum (Koch/Loebell, Das Gutachten des HNO-Arztes, 3. Aufl., 1968, S. 120, 57) bewertet dagegen die MdE auf dem allgemeinen Arbeitsfeld mit weniger als 10 v. H. und hält nur bei bestimmten Berufen eine MdE bis zu 50 v. H. für vertretbar. I. u. W. Klages (DMW 1967, 871, 873) weisen darauf hin, daß der Verlust des Geruchssinns zu einer mehr oder weniger deutlichen Einengung des Lebensgefühls führen könne, halten es aber für äußerst schwierig, diesen Verlust mit dem Begriff der MdE zu erfassen, abgesehen von den sehr seltenen Fällen, in denen der Beruf auf der vollen Funktionsfähigkeit des Geruchs- und Geschmacksorgans basiere. Die Frage, ob der Ausfall dieser Sinnesorgane die Fähigkeit zum Erwerb auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens mindert, ist indessen entscheidend. Das LSG hat unter Berücksichtigung der von hno-ärztlicher Seite zu Gunsten von Unfallverletzten angeführten Gründe die MdE des Klägers auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens auf höchstens 15 v. H. geschätzt. Hiergegen wendet sich der Kläger in der Revisionsinstanz nicht. Er sieht, wie das Berufungsgericht, vielmehr die Voraussetzungen des § 581 Abs. 2 RVO als gegeben an. Mangels MdE in rentenberechtigtem Grade ist daher ein weiterer Anspruch des Klägers auf Unfallentschädigung nicht gegeben.

Auf die Revision der Beklagten war deshalb unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670142

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