Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrechtliche Beurteilung von Beamten bei Beschäftigungen außerhalb des Beamtenverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versicherungsfreiheit eines Richters oder Beamten ist auf das Richter- oder Beamtenverhältnis beschränkt und erstreckt sich nicht auf ein daneben bestehendes nicht richter- oder beamtenrechtlich geregeltes Beschäftigungsverhältnis.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Übt ein Beamter, dessen Dienstbezüge aus dem Beamtenverhältnis die sich nach RVO § 165 Abs 1 Nr 2 ergebende Jahresarbeitsverdienstgrenze an sich überschreiten, noch eine Zweitbeschäftigung als Angestellter aus, so ist er in dieser Zweitbeschäftigung krankenversicherungspflichtig, wenn das Gehalt aus der Angestelltentätigkeit für sich allein betrachtet, die Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht überschreitet.

2. Diese, auf der gegenwärtigen Rechtslage beruhende Auslegung, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungssatz des GG Art 3 Abs 1.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21, § 168 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1965-06-09, § 169 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1945-03-17, § 172 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17; AVG § 6 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1229 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1965-06-09; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. Februar 1976 insoweit aufgehoben, als das Landessozialgericht darin der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juli 1974 stattgegeben hat. Die Berufung des Klägers wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens in den drei Rechtszügen haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Teilzeitassistent an der Freien Universität B vom 1. Januar 1971 bis 30. September 1974 in der Krankenversicherung versicherungspflichtig war.

Der Kläger, der bereits als Gerichtsreferendar seit 1968 als Teilzeitassistent an der Freien Universität B tätig gewesen war, übte diese Tätigkeit bis zum 30. September 1974 auch aus, nachdem er sein zweites Staatsexamen am 17. Dezember 1970 abgelegt hatte, zum 1. Januar 1971 zum Gerichtsassessor und am 28. November 1972 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden war. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 18,36 Stunden erhielt er von der Freien Universität B ein monatliches Bruttoentgelt von Januar bis April 1971 von 1.212,51 DM, von Mai bis Dezember 1971 von 1.231,31 DM, vom 1. Januar bis 31. Dezember 1972 von 1.247,68 DM und ab Januar 1973 von 1.338,42 DM zuzüglich Weihnachtsgeld.

Auf Antrag des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. März 1973 fest, der Kläger sei bis zum Ende seiner Ausbildung und der Übernahme in ein Beamtenverhältnis bis zum 31. Dezember 1970 in der Zweitbeschäftigung nur in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen. Danach sei er in der Kranken- und Angestelltenversicherung versicherungspflichtig; die Versicherungsfreiheit nach § 169 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) beziehe sich nur auf das Beamtenverhältnis und nicht auf die Zweitbeschäftigung; er sei auch deshalb nicht versicherungsfrei, weil er die Zweitbeschäftigung nicht gelegentlich ausübe und das Entgelt ein Achtel der für Monatsbezüge in der Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze sowie auch ein Fünftel des Gesamteinkommens überschreite (§ 168 RVO). Mit Bescheid vom 29. November 1973 stellte die Beklagte ferner auf einen weiteren Antrag des Klägers hin fest, daß er ab 1. Oktober 1973 in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig sei, da die wöchentliche Arbeitszeit in der Nebenbeschäftigung ab 1. Oktober 1973 mit 120 Stunden monatlich mehr als 20 Stunden wöchentlich betrage.

Die Widersprüche des Klägers gegen die beiden Bescheide und die hiergegen gerichteten, vom Sozialgericht (SG) Berlin zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheide vom 20. Mai und 28. Dezember 1973; Urteil des SG Berlin vom 9. Juli 1974). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG geändert und den Bescheid der Beklagten vom 29. März 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Mai 1973 aufgehoben, soweit darin die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung festgestellt worden ist; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 4. Februar 1976).

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 165 Abs. 1 Nr. 2 168, 169 RVO und des § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Berlin vom 4. Februar 1976 insoweit aufzuheben, als das LSG darin der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Berlin vom 9. Juli 1974 stattgegeben hat, und die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger ist nicht vertreten.

Die Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 1), die sich dem Vorbringen der Beklagten anschließt, und die Freie Universität B (Beigeladene zu 2) stellen keine Anträge.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist insoweit aufzuheben, als das LSG darin der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG stattgegeben hat. Die Berufung des Klägers ist in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Beklagte hat den Kläger zu Recht in seiner Tätigkeit als Teilzeitassistent an der Freien Universität Berlin in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis 30. September 1974 in der Krankenversicherung für versicherungspflichtig erklärt. Als Teilzeitassistent und damit als Angestellter (§ 165 b Abs. 1 Nr. 2 RVO) war der Kläger zwar neben seiner Tätigkeit als Beamter beschäftigt. Diese Beschäftigung überschritt mit 120 Stunden monatlich (= rund 28 Stunden wöchentlich) die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angenommene regelmäßige Grenze für eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung (§ 168 Abs. 2 RVO) von 20 Wochenstunden (BSGE 14, 29, ... = SozR Nr. 4 zu § 168 RVO; Nrn. 10 und 11 aaO). Die Versicherungsfreiheit des Klägers als Richter auf Probe (Gerichtsassessor) vom 1. Januar 1971 bis 27. November 1972 gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl., § 169, Anm. 1.1) und als Beamter auf Lebenszeit vom 28. November 1972 an gemäß § 169 Abs. 1 RVO erstreckt sich nicht auf das Beschäftigungsverhältnis als Teilzeitassistent. Das hat auch im Ergebnis zutreffend das LSG erkannt, wenngleich es die unterschiedliche richter- und beamtenrechtliche Stellung des Klägers als Richter auf Probe und als Beamter auf Lebenszeit unbeachtet gelassen hat. Das LSG ist nur auf diejenige als Beamter auf Lebenszeit eingegangen. Soweit ein Beamter auf Lebenszeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen versorgungsrechtlich gesichert ist, ist er in diesem Dienstverhältnis in der Krankenversicherung versicherungsfrei (§ 169 Abs. 1 RVO), ohne daß diese Versicherungsfreiheit auf eine gleichzeitige nicht-beamtenrechtliche Beschäftigung oder Tätigkeit übergreift (BSG SozR 2200 § 169 Nr. 1). Auch die Richter auf Probe oder Beamten auf Widerruf sind in ihrem richter- oder beamtenrechtlichen Dienstverhältnis in der Krankenversicherung nach der besonderen Vorschrift des § 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherungsfrei. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Versicherungsfreiheit nicht ebenfalls auf das richter- oder beamtenrechtliche Widerrufsverhältnis zu beschränken. Sowohl für ein Richterverhältnis auf Probe (Beamtenverhältnis auf Widerruf) als auf Lebenszeit gilt also der Grundsatz, daß die für Beamte (Richter) gesetzlich verfügte Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung auf das jeweilige Beamten (Richter-)verhältnis auch dann beschränkt bleibt, wenn der Beamte (Richter) gleichzeitig in einem anderen, nicht richter- oder beamtenrechtlich geregelten Beschäftigungsverhältnis steht.

Allerdings hat es das LSG nicht dabei bewenden lassen, die Versicherungspflicht des Klägers in der Zweitbeschäftigung festzustellen und ein Übergreifen der Versicherungsfreiheit wegen der richter- und beamtenrechtlichen Stellung des Klägers auf die Beschäftigung als Teilzeitassistent zu verneinen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß Beamte versicherungsrechtlich Arbeitnehmer - regelmäßig Angestellte nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO - sind. Auch das Richter- oder Beamtenverhältnis zählt zu den unselbständigen Beschäftigungsverhältnissen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die in § 169 RVO genannten Beamten seien auch dann nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO gegen Krankheit versichert, solange ihre Versorgungsanwartschaft nicht gewährleistet sei. Ein wie ein Angestellter tätiger Beamter würde ohne Rücksicht auf § 169 RVO nur dann versicherungspflichtig sein, wenn sein regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst (JAV) innerhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt. Übe ein solcher Beamter eine Nebenbeschäftigung als Angestellter aus, würde sie ihn ebensowenig versicherungspflichtig machen wie einen Angestellten, der über der JAV-Grenze liegt. Auch das Reichsversicherungsamt (RVA) habe einen Angestellten in seiner Zweitbeschäftigung als Arbeiter dann nicht für versicherungspflichtig erklärt, wenn bereits sein Verdienst aus dem Angestelltenverhältnis die Versicherungspflichtgrenze überschritten habe (AN 1945, 6). Wenn man den vom RVA entwickelten Rechtsgedanken auf den vorliegenden Fall anwende, würde der Kläger, wäre er nicht Beamter, sondern Angestellter, zu den Personen gehören, "die wegen der Höhe ihres Verdienstes der gesetzlichen Versicherung nicht mehr bedürfen, weil sie für den Erkrankungsfall selbst Vorsorge treffen können" (RVA aaO); ebenso wie bei einem Angestellten wäre es bei einem Beamten "widersinnig", ihn der Versicherungspflicht zu unterwerfen, wenn er eine unter § 165 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 RVO "fallende Nebentätigkeit aufnimmt und dadurch seine wirtschaftliche Lage noch weiter verbessert" (RVA aaO). Das LSG möchte auf diese Weise im Ergebnis einen Beamten mit Dienstbezügen, die die JAV-Grenze des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO übersteigen, über eine Zweitbeschäftigung nicht in die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nehmen. Das LSG meint schließlich, der Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sei verletzt, wenn ein wegen des Überschreitens der JAV-Grenze versicherungsfreier Angestellter in einer Zweitbeschäftigung versicherungsfrei, ein Beamter hingegen unter gleichen Umständen versicherungspflichtig wäre. Ein einleuchtender und sachgerechter Grund sei nicht dafür zu finden, die Zweitbeschäftigung derartig unterschiedlich zu behandeln. Die unterschiedliche Behandlung wirke sich auch auf den Arbeitgeber aus. Der Arbeitsgeber der Zweitbeschäftigung wäre nämlich, anders als bei einem versicherungsfreien Angestellten, beitragspflichtig und dies nur deshalb, weil sein Arbeitnehmer in der Hauptbeschäftigung Beamter sei. Nehme man jedoch bei den in der Hauptbeschäftigung versicherungsfreien Angestellten und Beamten gleicherweise Versicherungsfreiheit in der Hauptbeschäftigung an, so würden beide Beschäftigungsgruppen versicherungsrechtlich gleich behandelt. So seien derartig unhaltbare Ergebnisse zu vermeiden wie z. B. dasjenige, daß ein versicherungsfreier öffentlicher Angestellter mit versicherungsfreier Zweitbeschäftigung nach seiner Ernennung zum Beamten mit erhöhtem Gehalt in der Zweitbeschäftigung alsdann versicherungspflichtig werde.

Die vom Kläger angestrebte Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung für seine Zweitbeschäftigung ist jedoch entgegen der Auffassung des LSG auf diese Weise nicht zu erreichen. Gewiß ist es zutreffend, daß Richter und Beamte sozialversicherungsrechtlich Arbeitnehmer und daher grundsätzlich auf Grund ihres abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in der Krankenversicherung versicherungspflichtig sind (BSGE 20, 123, 124 ff = SozR Nr. 4 zu § 169 RVO; BSGE 36, 258, 261 = SozR Nr. 24 zu § 3 AVG; BSG SozR Nr. 76 zu § 165 RVO; SoZR 2200 § 169 Nr. 1). Regelmäßig könnten sie als Angestellte i. S. des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO gelten. Jedoch sind Arbeitertätigkeiten (§ 165 a RVO) nicht auszuschließen. Nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind Richter und Beamte in der Krankenversicherung versicherungsfrei. Die Versicherungsfreiheit nach § 169 RVO rechtfertigt das Gesetz mit der einem Richter oder Beamten gewährleisteten Versorgungsanwartschaft. Der sonst durch die Pflichtversicherung verbürgte soziale Schutz erscheint deshalb entbehrlich (BSGE 36, 258, 259, 261). Die Anknüpfung an die richter- oder beamtenversorgungsrechtliche Gewährleistung, die ihrem Wesen nach nur für die Rentenversicherung vor allem in den Fällen der verminderten Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes von Belang sein kann und dort Versicherungsfreiheit bewirkt (§ 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO), hat dem Gesetzgeber ausgereicht, um auch in der andersartigen Krankenversicherung den Richter oder Beamten mit versorgungsrechtlicher Gewährleistung versicherungsfrei zu lassen. Die Versicherungsfreiheit von noch nicht auf Lebenszeit angestellten Richtern oder Beamten, insbesondere solchen in Ausbildung, nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO beruht auf anderen Erwägungen. Es wird hier angenommen, daß sie in verhältnismäßig kurzer Zeit regelmäßig in einem Beruf stehen werden, in dem sie ohnehin versicherungsfrei sein werden; insoweit handelt es sich um eine Vorwirkung der späteren endgültigen Versicherungsfreiheit (BSGE 39, 41, 42 = SozR 2200 § 405 Nr. 2). Die Gründe für die Versicherungsfreiheit von Richtern und Beamten in den Fällen der §§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO hängen demnach nicht davon ab, ob die für Angestellte in der Krankenversicherung gültige Versicherungspflichtgrenze überschritten wird oder nicht. Die vom Richter- oder Beamtenbesoldungsrecht bestimmte wirtschaftliche Lage als solche reicht dafür aus, Richter und Beamte schlechthin unter den Voraussetzungen der §§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO aus der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung herauszunehmen. Damit wird auf jede Differenzierung nach der Höhe der Bezüge verzichtet. Die wirtschaftliche Lage des einzelnen im konkreten Krankheitsfall unter Berücksichtigung von Beihilfen zu den Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen auf Grund von Beihilfsverordnungen bleibt ebenfalls bei der gesetzlich verfügten Versicherungsfreiheit außer Betracht. Dabei ist vor allem dem wirtschaftlichen Umstand keine Bedeutung beigemessen worden, daß die Beihilfen regelmäßig nicht den vollen Umfang der Aufwendungen abdecken. Sie richten sich nämlich insbesondere nach dem Familienstand, der Art der Aufwendung, den Ansprüchen auf Heilfürsorge, auf Krankenpflege und sonstige Sachleistungen und nach Ansprüchen auf Kostenerstattung auf Grund von Rechtsvorschriften (vgl. z. B. § 43 b des Landesbeamtengesetzes Berlin i. d. F. vom 1. März 1975 (DBl 1975, 124)). Die Beihilfe beträgt bei Ledigen 50 v. H. der beihilfsfähigen Aufwendungen. Dieser Satz erhöht sich bei Beihilfsberechtigten, die verheiratet, verwitwet oder geschieden sind, auf 55 v. H. und für jedes berücksichtigungsfähige Kind um je 5 v. H. (vgl. Nr. 13 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen i. d. F. vom 15. Februar 1975 - GMBl S. 109 -, geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 18. Dezember 1975 - GMBl S. 830 -). Der so aus dem Beihilferecht folgende Selbstbehalt des Richters oder Beamten, der regelmäßig ganz oder teilweise durch eine private Krankenversicherung abgedeckt zu werden pflegt und dem eine nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, hat den Gesetzgeber ebenfalls nicht veranlaßt, Abweichendes zu der umfassenden Versicherungsfreiheit von Richtern oder Beamten nach den §§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu regeln. Der Gesetzgeber hat es vielmehr allgemein und insofern vergröbernd dabei bewenden lassen, Richter und Beamte unter den Voraussetzungen der §§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der Krankenversicherung schlechthin für versicherungsfrei zu erklären, ohne des weiteren darauf Bedacht zu nehmen, ob der jeweilige Richter oder Beamte als Arbeitnehmer Arbeiter oder Angestellter wäre und wie hoch jeweils sein Arbeitsverdienst ist. Angesichts dieser zweifellos bündigen Regelung versagen die insbesondere von Benner (SozVers, 1971, 182 ff) und Töns (OKK, 1975, 624 ff) beeinflußten Erwägungen des LSG. Diese Erwägungen laufen auf folgendes hinaus: Der Richter oder Beamte wird seiner richter- oder beamtenrechtlichen Stellung entkleidet; in ihm wird nur der sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmer als Arbeiter oder Angestellter gesehen, und zwar mit einem Arbeitsverdienst in bestimmter Höhe. Das alles ist aber gerade in den Bestimmungen über die Versicherungsfreiheit von Richtern oder Beamten in den §§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1 RVO ohne Bedeutung. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Versicherungspflicht und die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung folgen, soweit sie hier interessieren, aus der Zuordnung abhängig Beschäftigter zu den festen Gruppen der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Diese Zuordnung läßt sich weder umgehen noch beseitigen. Die vom LSG herangezogene Rechtsprechung des RVA (AN 1945, 6) ist demnach nicht auf Fälle der vorliegenden Art zu übertragen.

Andere weniger schematische und starre Regelungen zur Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit mögen denkbar sein. Eine solche Regelung, die eine Zweitbeschäftigung eines in der Krankenversicherung versicherungsfreien Richters oder Beamten als Angestellten, dessen Arbeitsverdienst die Versicherungspflichtgrenze übersteigt, ebenfalls versicherungsfrei läßt, fehlt aber. Eine solche Lösung, so wünschenswert sie sein könnte, ist weder im Wege der Auslegung noch des Lückenschlusses zu erreichen. Eine Änderung könnte nur der Gesetzgeber vornehmen. Das Gericht ist hierzu nicht berufen.

Die jetzige Gesetzeslage verstößt auch nicht, wie das LSG annimmt, gegen den Gleichbehandlungssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie entbehrt nämlich nicht jedes vernünftigen Grundes. Sie ist daher nicht willkürlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1977, 1847

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