Beteiligte

…, Kläger und Revisionsbeklagter

…, Beklagte und Revisionsbeklagte

…, Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die nach einem weiteren Arbeitsunfall bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsstörungen von der für diesen Unfall zuständigen Beigeladenen oder als mittelbare Schädigungsfolgen von der für den früheren Arbeitsunfall zuständigen Beklagten zu entschädigen sind.

Wegen der Folgen eines am 6. März 1963 erlittenen Arbeitsunfalls bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufige Rente von 20 vH der Vollrente, die sie mit Ablauf des Monats Januar 1965 mit der Begründung entzog, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nur noch um 15 vH gemindert. Als Unfallfolgen stellte die Beklagte in dem Entziehungsbescheid vom 28. Dezember 1964 fest:

"Zustand nach knöchern fest verheilten Brüchen der linken 2. bis 11. Rippe, Schlüsselbeinbruch beiderseits und Schulterblattbruch rechts. Minderung der rechten Schulter- und Brustmuskulatur sowie glaubhafte subjektive Beschwerden".

Am 9. Oktober 1981 trug der Kläger, der als Geschäftsführer einer Sportanlagenbau GmbH bei der Beigeladenen gesetzlich unfallversichert war, während der Arbeit ein schweres Tor mit einem Mitarbeiter. Als dieser das Tor plötzlich fallenließ und der Kläger es allein festhielt, rutschte es ab und schlug mit der Kante oben in seine rechte Brust-Schulterseite, wodurch bei ihm ein heftiger Zug am rechten Arm entstand. Er zog sich eine "Schädigung des unteren Armnervengeflechts durch Kompression zwischen Schlüsselbein und 1. Rippe mit Schwund des Trizepsmuskels am rechten Oberarm und entsprechende Behinderung bei der Streckung des Unterarms im Ellenbogengelenk" zu und litt in der Zeit vom 3. Januar 1982 bis 30. April 1983 zusätzlich an "Schmerzen und Gefühlsstörungen im Bereich der Wurzeln C 5 bis c 7".

Mit Bescheid vom 28. August 1984 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Wiedergewährung einer Rente aufgrund des im Jahre 1963 erlittenen Arbeitsunfalls ab, weil der Unfall vom 9. Oktober 1981 als neuer selbständiger Arbeitsunfall anzusehen und von der hierfür zuständigen Beigeladenen zu entschädigen sei. Eine Verschlimmerung der festgestellten Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1963, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers nur noch um 10 vH minderten, sei nicht eingetreten. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 1985).

Mit Urteil vom 25. November 1985 hat das Sozialgericht Karlsruhe die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zur Anerkennung der nach dem Ereignis vom 9. Oktober 1981 bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsstörungen als mittelbare Folgen des Unfalls vom 6. März 1963 und zur Gewährung von Rente für alle Folgen dieses Unfalls ab 1. Mai 1983 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH sowie für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis 30. April 1983 nach einer MdE um 25 vH verurteilt. Wesentliche und damit rechtserhebliche Ursache für die bei dem Kläger eingetretenen weiteren Schädigungen seien allein die Folgen seines im Jahre 1963 erlittenen Unfalls. Das als Arbeitsunfall zu wertende Ereignis vom 9. Oktober 1981 sei, da es ohne die Vorschädigung folgenlos an dem Kläger vorübergegangen wäre, nicht ursächlich im Sinne des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Ursachenbegriffs.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das erstinstanzliche Urteil geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es hat die Beklagte wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. März 1963 zur Gewährung von Verletztenrente an den Kläger nach einer MdE um 10 vH ab 9. Oktober 1981 und wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 die Beigeladene zur Gewährung von Verletztenrente an den Kläger nach einer MdE um 15 vH für die Zeit vom 18. Februar 1982 bis 30. April 1983 und nach einer MdE um 10 vH ab 1. Mai 1983 sowie zur Feststellung der Unfallfolgen verurteilt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17. Dezember 1986). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte sei lediglich verpflichtet, dem Kläger wegen der als Dauerfolgen zurückgebliebenen, mit einer MdE um 10 vH zu bewertenden Vorschädigungen des Unfalls aus dem Jahre 1963 Stützrente nach § 581 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu gewähren. Wegen der nach dem Arbeitsunfall im Oktober 1981 eingetretenen gesundheitlichen Schäden sei die Beigeladene dem Kläger entschädigungspflichtig. Dem stehe das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Juli 1978 (BSGE 47, 25 = SozR 2200 § 548 Nr 42) nicht entgegen. Eine Entschädigungspflicht des für den früheren Arbeitsunfall zuständigen Versicherungsträgers setze stets voraus, daß die Folgen dieses Unfalls das spätere Unfallereignis als solches mitverursacht hätten. Die Rechtsprechung des BSG dürfe nicht ausweitend auf Fälle angewandt werden, in denen die Vorschädigung nicht den Unfall als solchen verursacht habe, sondern lediglich für das Ausmaß der Folgen des zweiten Unfalls von Bedeutung sei. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, daß der Arbeitsunfall vom 9. Oktober 1981 als solcher durch die seit 1963 bestehende Vorschädigung mitverursacht worden sei. Diese habe lediglich bewirkt, daß die Unfallfolgen wesentlich gravierender ausgefallen seien.

Gegen dieses Urteil hat die Beigeladene die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 555 RVO sowie der §§ 128, 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, da es den allgemeinen Erfahrungssatz, daß ein durch einen Unfall Vorgeschädigter an der verletzten Körperstelle leichter eine weitere oder erneute Verletzung erleide als eine Person ohne Vorschädigung, unbeachtet gelassen habe. Indem es das Ereignis von Oktober 1981 entgegen der Rechtsprechung des BSG und den ärztlichen Gutachten nicht als mittelbare Folge des Unfalls aus dem Jahre 1963 angesehen, sondern als neuen selbständigen Unfall bewertet habe, habe das LSG einen denkgesetzlichen Fehler begangen und seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Der Unfall aus dem Jahre 1981 stelle, da er lediglich durch das Unfallereignis aus dem Jahre 1963 vorgeschädigte Körperteile in Mitleidenschaft gezogen habe und ohne die früheren Gesundheitsstörungen keine medizinischen Folgen für den Kläger gehabt hätte, nur eine Gelegenheitsursache dar. Die Hauptursache für die bei dem Kläger aufgetretenen Gesundheitsschäden liege in dem Unfall aus dem Jahre 1963, als dessen mittelbare Folge sie anzusehen seien. Der Kläger habe deshalb keinen rechtlich neuen Unfall erlitten, so daß nicht sie, sondern die für den früheren Unfall zuständige Beklagte entschädigungspflichtig sei.

Die Beigeladene beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1986 insoweit aufzuheben, als sie wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 zur Gewährung von Verletztenrente und zur Feststellung von Unfallfolgen verurteilt worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung liegen zwei getrennt voneinander zu beurteilende Schadensereignisse vor. Unmittelbare Ursache des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 sei das Fallenlassen der schweren Last durch den Mitarbeiter des Klägers und nicht die durch den Unfall aus dem Jahre 1963 verursachte Vorschädigung. Diese habe nicht den Unfall als solchen verursacht, sondern sei nur für das Ausmaß seiner Folgen von Bedeutung. Da das Ereignis vom 9. Oktober 1981 einen neuen selbständigen Arbeitsunfall darstelle, sei die Beigeladene als zuständiger Versicherungsträger für dessen Folgen entschädigungspflichtig.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beigeladenen ist im wesentlichen unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß für die nach dem Ereignis vom 9. Oktober 1981 bei dem Kläger eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene als zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigungspflichtig ist. Soweit jedoch das LSG die Beigeladene zur Zahlung von Verletztenrente ab 18. Februar 1982 verurteilt hat, war das angefochtene Urteil unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz aufzuheben, da es keine tatsächlichen Feststellungen enthält, die eine rechtliche Überprüfung hinsichtlich des Beginns der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente zulassen.

Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO). Der Kläger hat am 9. Oktober 1981 bei seiner versicherten Tätigkeit für das Mitgliedsunternehmen der Beigeladenen einen Arbeitsunfall erlitten.

Nach den Feststellungen des LSG sind die durch den früheren Arbeitsunfall bei dem Kläger eingetretenen und latent vorhandenen Gesundheitsschäden nicht für das Zustandekommen des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 als solchen, sondern nur für das Ausmaß seiner Folgen, dh für die daraufhin aufgetretenen Gesundheitsstörungen mitursächlich. Unbegründet ist die hiergegen gerichtete Rüge der Revision, das LSG habe die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, indem es den allgemeinen Erfahrungssatz unbeachtet gelassen habe, daß jemand, der durch einen Unfall erheblich vorgeschädigt sei, leichter an der vorgeschädigten Körperstelle eine weitere oder erneute Verletzung erleide als jemand, der keine Vorschädigungen habe. Das LSG hat vielmehr, insbesondere gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. U ... vom 31. Oktober 1983, ausgeführt, daß die Folgen des Unfalls vom 9. Oktober 1981 wesentlich gravierender ausgefallen seien, weil die sich nach dem ersten Unfall entwickelnde Knochenbrücke eine Raumbehinderung für das Armnervengeflecht dargestellt habe, die bis zum zweiten Unfall latent geblieben sei, im Zusammenhang mit diesem Ereignis aber zu einer mechanischen Schädigung mit Dauerfolgen geführt habe. Das LSG hat hervorgehoben, daß die aufgrund des Arbeitsunfalls vom 6. März 1963 bei dem Kläger vorhandene Vorschädigung von Bedeutung für das Ausmaß der Folgen des Unfalls vom 9. Oktober 1981 sei. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, daß das Unfallereignis vom 9. Oktober 1981 als solches durch die seit 1963 bestehende Vorschädigung mitverursacht worden sei, denn auch ohne sie hätte der Kläger das Abrutschen des Tores beim Festhalten und das Aufschlagen der Kante auf seine rechte Brust-Schulterseite nicht verhindern können. Letztere Feststellung ist von der Revision nicht wirksam angegriffen worden; denn die Revision legt nicht dar, daß das LSG verfahrensfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt sei, der Arbeitsunfall als solcher wäre ohne die durch den früheren Unfall hervorgerufenen Gesundheitsstörungen nicht eingetreten. Aufgrund dieser nicht wirksamen Verfahrensrügen und der unangegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, die Beigeladene die für die Entschädigung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 zuständige Berufsgenossenschaft.

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 1, 254, 256; BSG Urteil vom 13. März 1956 - 2 RU 52/54 - SozEntsch BSG IV § 542(a) Nr 3; BSGE 41, 137, 138), der sich die Literatur weitgehend angeschlossen hat (ua Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Auflage, S 488 f I; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, § 548 Anm 11; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Auflage, Kennzahl 113 S 4), gilt allerdings der Grundsatz, daß ein nicht unter Versicherungsschutz stehender Unfall als Folge eines früheren Arbeitsunfalls anzuerkennen ist, wenn die durch den Arbeitsunfall verursachte Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes bei der Entstehung des späteren Unfalls oder dem Ausmaß seiner Folgen in rechtlich erheblicher Weise mitgewirkt hat. Dabei reicht es für die Anerkennung als mittelbare Schädigungsfolge eines früheren Arbeitsunfalls aus (BSG Urteil vom 13. März 1956 aaO), wenn die durch ihn hervorgerufenen Gesundheitsstörungen zwar nicht für die Entstehung des späteren nicht unter Versicherungsschutz stehenden Unfalls ursächlich sind, jedoch das Ausmaß seiner Folgen rechtlich wesentlich mitverursacht haben. In diesen Fällen hat der für den Arbeitsunfall zuständige Unfallversicherungsträger auch die Folgen des auf den Arbeitsunfall zurückzuführenden Unfalls zu entschädigen.

Dieser Grundsatz findet jedoch keine Anwendung, wenn der nachfolgende Unfall ein Arbeitsunfall ist und die durch den früheren Arbeitsunfall eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar für das Ausmaß der Folgen des späteren Arbeitsunfalls, jedoch nicht für sein Zustandekommen ursächlich sind. Fehlt es an der Kausalität der durch den früheren Arbeitsunfall hervorgerufenen Gesundheitsstörungen für die Entstehung des späteren Arbeitsunfalls, kann dieser nicht als mittelbare Folge des ersten Arbeitsunfalls bzw seiner Folgen angesehen werden. Der nachfolgende Arbeitsunfall löst einen neuen Versicherungsfall aus, der von vorangegangenen Versicherungsfällen unabhängig ist und eigenständige Ansprüche des Versicherten gegen den für die Entschädigung dieses Arbeitsunfalls zuständigen Versicherungsträger begründet.

Ist die durch einen früheren Arbeitsunfall hervorgerufene Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes zwar für das Ausmaß der Folgen eines weiteren Arbeitsunfalls, nicht jedoch für sein Zustandekommen ursächlich, entspricht es nicht dem Schutzzweck der die Entschädigung von Arbeitsunfällen regelnden Normen des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts, dem für den früheren Unfall zuständigen Versicherungsträger die Entschädigungspflicht für die nach dem späteren Arbeitsunfall eingetretenen Schädigungen aufzuerlegen. Die Aufgabe der Unfallversicherung, nach Eintritt eines Arbeitsunfalls den Verletzten zu entschädigen (§ 537 Nr 2 RVO), gebietet es zwar, die Entschädigungspflicht grundsätzlich auch auf spätere Schädigungsfolgen zu erstrecken. Sind diese jedoch infolge eines weiteren Arbeitsunfalls eingetreten, ist für eine Entschädigungspflicht des für den früheren Arbeitsunfall zuständigen Versicherungsträgers keine Notwendigkeit gegeben, denn der Verletzte erlangt aufgrund des durch den nachfolgenden Arbeitsunfall ausgelösten Versicherungsfalls eigenständige Entschädigungsansprüche gegen den hierfür zuständigen Versicherungsträger, die, worauf Brackmann (aaO, S 488g) zutreffend hinweist, jedenfalls im Regelfall nach dem im Jahr vor dem - neuen Arbeitsunfall erzielten Jahresarbeitsverdienst berechnet werden (§ 571 Abs 1 Satz 1 RVO), denen somit die zur Zeit des Schadenseintritts ausgeübte versicherte Tätigkeit zugrunde liegt. Für die Entschädigungspflicht des für den ersten Arbeitsunfall zuständigen Versicherungsträgers fehlt es, wenn der nachfolgende Arbeitsunfall mangels Ursächlichkeit des früheren Arbeitsunfalls für sein Zustandekommen nicht als mittelbare Unfallfolge anzusehen ist, auch an der inneren Rechtfertigung; denn der Versicherte, der einen weiteren Unfall bei einer versicherten Tätigkeit erleidet, hat sich in einen neuen Risikobereich begeben, den der hierfür zuständige Versicherungsträger nicht zuletzt wegen der an ihn zu entrichtenden und nach dem Grad der Unfallgefahr der neuen versicherten Tätigkeit abgestuften Beiträge abzudecken hat.

Daß nur der für den nicht durch einen früheren Arbeitsunfall verursachten weiteren Arbeitsunfall zuständige Versicherungsträger für dessen Folgen, auch wenn diese durch die Vorschäden des früheren Unfalls bedingt sind, entschädigungspflichtig ist, wird deutlich, wenn infolge des späteren Arbeitsunfalls noch weitere, nicht auf die Gesundheitsbeeinträchtigungen des früheren Arbeitsunfalls zurückzuführende Schädigungen bei dem Verletzten eingetreten sind. Für Unfallfolgen, die allein durch den späteren Arbeitsunfall verursacht wurden, ist in jedem Fall der für diesen Unfall zuständige Versicherungsträger entschädigungspflichtig. Hätte der Kläger nach dem Arbeitsunfall vom 9. Oktober 1981 nicht nur Verletzungen an der bereits vorgeschädigten Körperstelle erlitten, sondern sich noch weitere Schädigungen an anderen Körperteilen zugezogen (zB ein Bein gebrochen) hätte, folgte man der Auffassung der Revision, die Beklagte die durch die Vorschäden mitverursachten Gesundheitsstörungen zu entschädigen, während die Beigeladene für die Entschädigung der vorschadensunabhängigen Verletzungen zuständig wäre. Dies widerspricht jedoch dem in der Rechtsprechung seit langem anerkannten Grundsatz, daß dem Versicherten gegenüber für die Durchführung des Feststellungsverfahrens und die Gewährung einer Entschädigung immer nur ein einziger Versicherungsträger zuständig ist (BSGE 5, 168, 175; SozR 2200 § 1739 Nr 2). Da die Entschädigungspflicht der Unfallversicherungsträger nicht nur in der Zahlung von Verletztenrente, sondern auch in der Gewährung von Verletztengeld bei Arbeitsunfähigkeit (§ 560 RVO) und von Heilbehandlung und Berufshilfe (§§ 556 bis 559 RVO) bestehen kann, würden sich, wenn für die verschiedenen Verletzungsfolgen mehrere Versicherungsträger zuständig wären, kaum lösbare Abgrenzungsprobleme ergeben. Auch diese Überlegungen zwingen zu dem Schluß, daß der für einen weiteren Arbeitsunfall, der nicht durch einen früheren Arbeitsunfall verursacht wurde, zuständige Versicherungsträger für die weiteren Unfallfolgen leistungspflichtig ist, auch wenn diese ganz oder teilweise auf den Vorschäden des früheren Arbeitsunfalls beruhen.

Mit dieser Auffassung weicht der erkennende Senat nicht von der Entscheidung des - für Rechtsstreitigkeiten aus der Unfallversicherung nicht mehr zuständigen - 8. Senats des BSG vom 13. Juli 1978 (BSGE 47, 25) ab. Diesem Urteil lag der Fall zugrunde, daß ein Versicherter, der sich nach einem früheren Arbeitsunfall eine Beinversteifung zugezogen hatte, einen weiteren Arbeitsunfall erlitt, als er beim Besteigen eines Paternosters das steife Bein nicht schnell genug nachziehen konnte, so daß er an der Geschoßdecke hängen blieb, zu Fall kam und das steife Bein brach. Das BSG hat seine Entscheidung, daß der für die Entschädigung des ersten Unfalls zuständige Versicherungsträger für die Schädigungsfolgen des zweiten Unfalls zu haften habe, damit begründet, daß der nachfolgende Unfall eine weitere sogenannte mittelbare Folge des früheren Unfalls gewesen sei, weil die Beinversteifung beim Zustandekommen des zweiten Arbeitsunfalls eine so erhebliche Rolle gespielt habe, daß sie wesentliche und damit rechtserhebliche (Mit-)Ursache des Unfalls sei. Es kann dahinstehen, ob dieser Entscheidung des BSG, die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden (ua Lauterbach/Watermann aaO, § 548 Anm 9; Podzun aaO, Kennzahl 113 S 8; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, § 548 Anm 3.3; Bley, Sozialrecht, 5. Aufl, S 242; Benz BG 1980, 366, 369; zweifelnd Battenstein, SGb 1983, 135, 140), jedoch auch, insbesondere durch Brackmann (aaO, S 488 f II, g), mit gewichtigen Gründen Widerspruch erfahren hat (aA zuvor schon Hessisches LSG Breith 1958, 614; Vollmar SozVers 1958, 75, 76; Podzun SV-Beamter 58, 206; Haase/Koch, Die Unfallversicherung, 1963, § 548 Anm 6), zu folgen ist. In dem vorliegenden Fall fehlt es an der Kausalität der durch den früheren Arbeitsunfall bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen für das Zustandekommen des späteren Arbeitsunfalls, die es nach der Entscheidung des BSG (aaO) rechtfertigt, ihn als mittelbare Folge des ersten Unfalls anzusehen.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die Beigeladene als zuständiger Versicherungsträger für den Arbeitsunfall vom 9. Oktober 1981 für die bei dem Kläger danach eingetretenen Gesundheitsstörungen entschädigungspflichtig ist. Sie ist nicht nur zur Feststellung der Unfallfolgen, sondern auch zur Zahlung von Verletztenrente verpflichtet. Zwar betrug nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG die bei dem Kläger durch die Schädigungsfolgen des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 ausgelöste MdE zunächst bis 30. April 1983 15 vH und ab 1. Mai 1983 nur 10 vH und begründet, da sie geringer als 20 vH ist, für sich allein noch keinen Rentenanspruch (§ 581 Abs 1 Nr 2 RVO). Die Erwerbsfähigkeit des Klägers war jedoch infolge des am 6. März 1963 erlittenen Unfalls um weitere 10 vH gemindert. Nach § 581 Abs 3 RVO ist, wenn mehrere Arbeitsunfälle die Erwerbsfähigkeit des Verletzten gemindert haben und die durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachte Minderung zusammen wenigstens die Zahl Zwanzig erreicht, für jeden Arbeitsunfall Verletztenrente zu gewähren.

Soweit das LSG die Beigeladene entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 1986 gestellten Hilfsantrag des Klägers zur Gewährung von Verletztenrente ab 18. Februar 1982 verurteilt hat, fehlt es in dem angefochtenen Urteil nicht nur an einer Begründung, sondern auch an den für eine rechtliche Überprüfung durch das Revisionsgericht erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Nach § 580 Abs 2 RVO beginnt die Rente mit dem Tag nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung. Ist der Verletzte nicht arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung gewesen oder hat er bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt, beginnt die Rente mit dem Tag nach dem Arbeitsunfall (§ 580 Abs 4 RVO). Das LSG hat nicht festgestellt, ob bzw in welchem Zeitraum der Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 9. Oktober 1981 arbeitsunfähig gewesen ist. Es kann deshalb nicht überprüft werden, ob ihm Anspruch auf Verletztenrente bereits ab 18. Februar 1982 oder erst von einem späteren Zeitpunkt an zusteht. Da das Revisionsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, war das Urteil des LSG insoweit aufzuheben. Das LSG hat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518013

BSGE, 58

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