Entscheidungsstichwort (Thema)

Schiedsamtsfähigkeit vom Prothetikverträgen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versorgung mit Zahnersatz gehört zur kassen- (zahn-) ärztlichen Versorgung iS des RVO § 368g, über die die KZÄV mit den KK Gesamtverträge abzuschließen haben (vgl RVO § 368g Abs 2 und 3).

Kommt insoweit ein Gesamtvertrag nicht zustande, so hat das Schiedsamt gemäß RVO § 368h Abs 1 tätig zu werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Versorgung mit Zahnersatz ist keine Sachleistung, sondern eine Leistung eigener Art mit teilweiser oder völliger Kostenerstattung. Sie stellt eine Regelleistung dar.

Mit der Gesamtvergütung (RVO § 368f) werden nur die von der KK geschuldeten Sachleistungen abgegolten. Die Vergütung für Prothetik-Leistungen ist außerhalb der Gesamtvergütung zu regeln.

2. Aus der Tatsache, daß bei der Ausstattung mit Zahnersatz die eigentliche zahnärztliche Tätigkeit vor und nach der Herstellung des Ersatzstückes nur auf der Grundlage medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse möglich ist und sich deutlich von der handwerklich- technischen Fertigung des Zahnersatzstückes abhebt, ergibt sich, daß die Versorgung mit Zahnersatz der kassenärztlichen Versorgung zuzuordnen ist.

Unbeschadet des Erlasses vom 1943-11-02, der die Versorgung mit Zahnersatz als Leistung eigener Art mit teilweiser oder völliger Kostenerstattung regelt, folgt aus der Einbeziehung der Prothetik- Leistungen in die kassenzahnärztliche Versorgung, daß diese Leistungen durch Verträge iS des RVO § 368g zu regeln sind.

Auch die Vergütung der Zahnärzte für Prothetik-Leistungen stellt einen unabdingbaren Teil der gesamtvertraglichen Regelung dar. Es gilt das gesetzliche Gebot (RVO § 368g Abs 1), daß die zahnärztlichen Leistungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der KK angemessen vergütet werden.

 

Normenkette

RVO § 368g Abs. 2 Fassung: 1955-08-17, Abs. 3 Fassung: 1955-08-17, § 368h Abs. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368f Fassung: 1955-08-17, § 368g Abs. 1 Fassung: 1955-08-17

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 1971 und des Sozialgerichts Hannover vom 14. Dezember 1966 aufgehoben.

Das Landesschiedsamt Niedersachsen für die kassenzahnärztliche Versorgung wird unter Änderung seines Beschlusses vom 8. August 1962 verurteilt, im Gesamtvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen für das Jahr 1962 Gebühren für zahnprothetische Leistungen festzusetzen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Landesschiedsamt (LSchA) Gebühren für herausnehmbaren Zahnersatz (Prothetik) festzusetzen hat.

Mit Beschluß vom 8. August 1962 setzte das LSchA u. a. zwischen der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) Niedersachsen und der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) H einen Gesamtvertrag für das Jahr 1962 fest, nachdem der bis zum 31. Dezember 1961 geltende gekündigt worden war. Die Vergütung für herausnehmbaren Zahnersatz zu regeln, lehnte das LSchA ab, weil die Prothetik nicht zur kassenzahnärztlichen Versorgung gehöre und daher nicht "schiedsamtsfähig" sei.

Gegen den Schiedsspruch erhob die AOK Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover und verfolgte u. a. auch ihren Antrag auf Festsetzung der Gebühren für prothetische Leistungen weiter. Die Klage blieb erfolglos (Urteil vom 14. Dezember 1966). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen zurückgewiesen (Urteil vom 8. Dezember 1971): Die Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz gehöre nicht zu dem Teil der kassenärztlichen Versorgung, für den die Krankenkasse nach § 368 f Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die KZÄV zu entrichten habe; sie werde nach der Regelung des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 2. November 1943, betr. Verbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, zu Abschn. I Nr. 4 (AN 1943, 485) i. V. m. Nr. 1 der Sozialversicherungsanordnung Nr. 30 vom 5. Dezember 1947 (ArbBl für die britische Zone 1947, 425) nicht als Sachleistung gewährt. Da über Zahnersatz Gesamtverträge nach § 368 g RVO nicht abzuschließen seien, könne auch das Schiedsamt sie nicht festsetzen. Das LSG hat die Revision gegen das Urteil zugelassen.

Die Klägerin rügt mit der Revision die unrichtige Anwendung des § 368 h RVO. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Gebührentarifes seien nach § 4 Abs. 1 des Prothetik-Vertrages vom 14. Juni 1949 (sog. Alsbacher Abkommen - Alsb. Abk. - (DOK 1949, 231)) gegeben, weil insoweit ein Vertrag über die kassenzahnärztliche Versorgung nicht zustande gekommen sei. Daraus folge die Pflicht des Beklagten zum Tätigwerden. Die zahnprothetische Versorgung müsse durch Gesamtverträge und ggf. durch Schiedsspruch geregelt werden, auch wenn sie wegen ihres Zuschußcharakters nicht mit der Gesamtvergütung abgegolten werden könne. Dies besage auch die sich aus § 368 g Abs. 1 RVO ergebende Verweisung auf § 368 p Abs. 1 RVO.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 1971 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Dezember 1966 aufzuheben und das beklagte Landesschiedsamt zu verurteilen, im Rahmen des für 1962 festgesetzten Gesamtvertrages die Vergütung für herausnehmbaren Zahnersatz zu regeln.

Das beklagte LSchA und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für richtig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das beklagte LSchA war verpflichtet, Prothetik-Gebühren festzusetzen.

Nach § 368 Abs. 2 RVO umfaßt die kassenärztliche Versorgung die ärztliche Behandlung. Zu ihr gehört, wie § 368 Abs. 2 Satz 2 RVO ausdrücklich hervorhebt, die Versorgung mit Zahnersatz. Wenn auch das Gesetz diesen Wortlaut erst durch § 83 Nrn. 40 und 41 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 - KVLG - (BGBl I 1433) erhalten hat, so hat die Neufassung doch keine inhaltliche Änderung der Vorschrift bewirkt, sondern nur der Klarstellung einer bereits vorhandenen Rechtslage gedient. Das ergibt sich einerseits deutlich aus der Entstehungsgeschichte des KVLG. Die Neufassung geht auf einen Beschluß des 10. Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung - Nr. 34 a zu § 75 des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. VI/3508) - zurück; der schriftliche Bericht des Ausschusses weist zur Begründung darauf hin, daß die Neufassung der Verdeutlichung dient: "Die Einfügung ... soll ... klarstellen ..." (Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, zu Drucks. VI/3508, zu Nr. 34 a, S. 12).

Zum anderen hat der Senat bereits in dem Urteil vom 20. Juni 1966 (BSG 25, 116) des näheren dargelegt, daß schon zum damaligen Zeitpunkt - insbesondere auch für das im vorliegenden Prozeß streitige Jahr 1962 - die Versorgung mit Zahnersatz zum Bereich der kassenärztlichen Versorgung gehörte. Diese rechtliche Zuordnung ergibt sich daraus, daß bei der Ausstattung mit Zahnersatz die eigentliche zahnärztliche Tätigkeit vor und nach der Herstellung des Ersatzstückes nur auf der Grundlage medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse möglich ist und sich deutlich von der handwerklich-technischen Fertigung des Zahnersatzstückes abhebt. Damit ist sie "zahnärztliche Behandlung" i. S. des § 368 Abs. 2 Satz 1 RVO. Da diese Tätigkeit des Zahnarztes bei der einheitlichen, komplexen Gesamtleistung der Versorgung mit Zahnersatz im Vordergrund steht und ihr das Gepräge gibt, gehört diese zur kassenzahnärztlichen Versorgung i. S. der genannten Vorschrift (BSG 25, 116, 118).

Auch die Parteien des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte vom 2. Mai 1962 - BMV-Z 1962 - (Wieglow-Roth, Die Kassenarztgebühren, 5. Aufl. 1972, S. 269) haben bereits damals zutreffend die Verordnung von Zahnersatz zur kassenzahnärztlichen Versorgung gerechnet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BMV-Z 1962). Wenn in dem Vertrag lediglich von der Verordnung von Zahnersatz die Rede ist, so ist das ohne eigenständige Bedeutung, weil die Verordnungstätigkeit kein selbständiges, abtrennbares Teilgebiet der Prothetik darstellt (BSG 35, 105, 107). Die Versorgung mit Zahnersatz bildet vielmehr, wie bereits ausgeführt, eine einheitliche Gesamtleistung mit Schwergewicht auf der zahnärztlichen Tätigkeit (BSG 25, 116, 119).

Daß die Versorgung mit Zahnersatz zur kassenzahnärztlichen Versorgung gehört, wird weiterhin durch die Gestaltung der Richtlinienkompetenz der Bundesausschüsse bestätigt. Die Richtlinien bilden im Verein mit den gesetzlichen Vorschriften den Rahmen für die zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen sowie ihren Verbänden abzuschließenden schriftlichen Verträge (§ 368 g Abs. 1 RVO), insbesondere die über die kassenzahnärztliche Versorgung zu schließenden Gesamtverträge (§ 368 g Abs. 2 und 3 RVO). Damit stellt das Gesetz die Verbindung zu § 368 p RVO her. In dieser Vorschrift werden die Aufgaben der Bundesausschüsse festgelegt, und dazu besagt § 368 p Abs. 1 RVO ausdrücklich, daß Richtlinien u. a. über die Versorgung mit Zahnersatz zu beschließen sind. Dementsprechend enthält § 14 Abs. 1 BMV-Z 1962 die Verpflichtung, die beschlossenen Richtlinien zu beachten.

In diesem Zusammenhang mag im übrigen nicht unerwähnt bleiben, daß auch der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der sozialen Krankenversicherung (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucks. IV/816) in § 380 Abs. 2 die "Eingliederung von notwendigem Zahnersatz" zur kassenzahnärztlichen Versorgung zählte. Wenn dieser Entwurf auch keine Gesetzeskraft erlangt hat, so läßt sich doch daraus i. V. m. der dargestellten Entwicklung ersehen, daß bereits seit langem die Zugehörigkeit der Versorgung mit Zahnersatz zur kassenärztlichen Versorgung im Grunde nicht zweifelhaft sein konnte.

Aus der Einbeziehung der Prothetik-Leistungen in die kassenzahnärztliche Versorgung folgt, daß sie durch Verträge zu regeln sind (§ 368 g RVO). Die in § 368 g Abs. 1 RVO aufgestellten Grundsätze konkretisieren die vom Gesetz dem Zusammenwirken der Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen übertragene Aufgabe, ihre Beziehungen eigenverantwortlich zu regeln und die ärztliche Versorgung der Versicherten und deren Angehörigen sicherzustellen (§ 368 Abs. 1 RVO; vgl. BSG 20, 73, 84). Wenn dafür gesamtvertragliche Regelungen vorgesehen und erforderlich sind (§ 368 g Abs. 2 Satz 1 RVO), so kann die Zahnprothetik als wesentlicher Teil der kassenärztlichen Versorgung davon nicht ausgenommen bleiben, zumal wenn man berücksichtigt, daß die Versorgung mit Zahnersatz Regelleistung ist. Auf Grund des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 2. November 1943 (Verbesserungserlaß) zu Abschn. I Nr. 4, wonach die Krankenkassen den Versicherten zu den Kosten der Versorgung mit Zahnersatz Zuschüsse gewähren oder die gesamten Kosten übernehmen können, ist die Versorgung mit Zahnersatz eine Leistung eigener Art mit teilweiser oder völliger Kostenerstattung (BSG 25, 116, 119; SozR Nr. 55 zu § 182 RVO). Der Inhalt des mit gesetzesgleicher Wirkung ergangenen (BSG 22, 67, 68) und nicht aufgehobenen Erlasses muß als geltendes Recht weiterhin beachtet werden (BSG SozR Nr. 55 zu § 182 RVO mit Nachweisen). Da die Gewährung dieser Leistung nicht davon abhängt, daß sie durch die Satzung bestimmt wird (vgl. § 179 Abs. 3 RVO), sondern durch den Verbesserungserlaß vorgeschrieben ist, stellt sie eine Regelleistung i. S. des § 179 Abs. 1 und 2 RVO dar (BSG 22, 67, 68) und ist daher in den Gesamtvertrag aufzunehmen.

Auch die Parteien des BMV-Z 1962 haben die Prothetik-Leistungen ihrem Wesen nach als zu dem Inhalt des Gesamtvertrages zu rechnen behandelt; denn sie haben nicht nur die Verordnung von Zahnersatz in die kassenärztliche Versorgung einbezogen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BMV-Z 1962), sondern auch die Vereinbarung eines Bewertungsmaßstabes für herausnehmbaren Zahnersatz vorgesehen (§ 26 Abs. 6 BMV-Z 1962). Sie haben damit - wenn auch zunächst noch in unvollkommener Weise - dem Erfordernis des § 368 g Abs. 2 Satz 2 RVO Rechnung getragen, wonach der allgemeine Inhalt des Gesamtvertrages durch Bundesmantelverträge - erforderlichenfalls ergänzt durch Landesmantelverträge (§ 368 g Abs. 2 Satz 3 RVO) - zu vereinbaren ist.

Die gesamtvertragliche Regelung der Prothetik-Leistungen wird entgegen der Meinung des LSG durch § 368 f Abs. 1 Satz 1 RVO nicht ausgeschlossen. Wenn danach für die kassenzahnärztliche Versorgung die Entrichtung einer Gesamtvergütung vorgesehen ist, so erfaßt diese nur die Leistungen, die die Krankenkassen als Sachleistungen schulden (BSG 25, 116, 119). Die Versorgung mit Zahnersatz als Leistung eigener Art gehört nicht dazu. Der Wortlaut des § 368 f Abs. 1 Satz 1 RVO, der die "gesamte" kassenzahnärztliche Versorgung als mit der Gesamtvergütung abgegolten ansieht, bringt noch die überholte Auffassung zum Ausdruck, die die Verordnung von Zahnersatz nicht zur zahnärztlichen Behandlung und damit nicht zur kassenzahnärztlichen Versorgung rechnete. Insoweit muß die Vorschrift einschränkend. dahin verstanden werden, daß mit der Gesamtvergütung nur die von der Krankenkasse geschuldeten Sachleistungen abgegolten werden (BSG 25, 116, 119).

Ist somit der in § 368 f RVO verwendete Begriff der "Gesamtvergütung" nur aus der geschichtlichen Entwicklung zu verstehen, so gilt das gleiche für die Wahl der Bezeichnung "Gesamtvertrag": Sie diente in der Vergangenheit (vgl. Vertragsordnung vom 30. Dezember 1931, Reichsanzeiger 1931, Nr. 303) zur Unterscheidung vom Einzelarztvertrag, mit dem die einzelnen Ärzte den zwischen den Krankenkassen und den kassenärztlichen Organisationen abzuschließenden Gesamtverträgen beitraten (hierzu: Jantz-Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, S. 11). An dieser eingeführten Bezeichnung hat der Gesetzgeber festgehalten; eine eigenbegriffliche Bedeutung kommt ihr nach Wegfall der Einzelarztverträge (vgl. Zulassungsordnung vom 17. Mai 1934, RGBl I 399) und der Teilnahme der Ärzte an der kassenärztlichen Versorgung kraft Zulassung (§ 368 a Abs. 4 RVO) nicht zu (Heinemann-Liebold, Kassenarztrecht, 1970, § 368 g RVO, Anm. 12, S. I 32 d; Jantz-Prange, aaO, § 368 g RVO, Anm. III 1). Solange daher der Gesetzgeber die Versorgung mit Zahnersatz in die kassenzahnärztliche Versorgung einbezieht, sie jedoch nicht als Sachleistung, sondern als Leistung eigener Art beibehält, bleibt die Prothetik-Vergütung zwar außerhalb der Gesamtvergütung, ist aber dennoch Teil des Gesamtvertrages.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die durch Gesamtvertrag als Teilgebiet der kassenzahnärztlichen Versorgung zu regelnde Versorgung mit Zahnersatz sich keineswegs auf die Vergütungsfrage beschränkt oder auch nur hiervon ihr Gepräge erhält. Diese Verengung des Gesichtspunkts mag sich daraus erklären, daß es im vorliegenden Fall um die "Schiedsamtsfähigkeit" der Versorgung mit Zahnersatz geht und die Schiedsämter - gestützt auf Bundes- und Landesmantelverträge, die den "allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge" (§ 368 g Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVO) bilden - sich regelmäßig in der Hauptsache auf die Festsetzung der Vergütung beschränken können. In Ermangelung umfassender Regelungen durch Bundes- und Landesmantelverträge hat das Alsb. Abk. (vgl. zu dessen Fortdauer als Übergangsregelung BSG 25, 116, 119; Urteil vom 21. Januar 1966 - 6 RKa 19/63 - SozR Nr. 1 zu Art. 4 § 12 des Gesetzes über Kassenarztrecht - GKAR -) bisher übergangsweise die Funktion des "allgemeinen Inhalts" von Gesamtverträgen erfüllt. Schon diese Übergangsregelung zeigt, daß die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der Versorgung mit Zahnersatz ein Fragenkomplex mit einer Fülle von Einzelthemen ist, von denen die Regelung der Vergütung nur einen Ausschnitt darstellt. Auch aus diesem Grund kann daher die Vergütungsfrage nicht die ihr vom LSG eingeräumte Bedeutung dafür haben, ob die Versorgung mit Zahnersatz gesamtvertragsbedürftig ist.

Indessen steht außer Zweifel, daß die Vergütung der Zahnärzte für Prothetik-Leistungen einen unabdingbaren Teil der gesamtvertraglichen Regelung darstellt. Dabei kann dem gesetzlichen Gebot Rechnung getragen werden, daß die zahnärztlichen Leistungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Krankenkassen angemessen vergütet werden (§ 368 g Abs. 1, letzter Satzteil RVO). Dem steht nicht entgegen, daß nach geltendem Recht der Versicherte den Vertrag über prothetische Leistungen mit dem Zahnarzt schließt, demgemäß auch Schuldner der Vergütung ist und gegenüber dem Versicherungsträger nur einen Anspruch auf Kostenerstattung im satzungsmäßigen Rahmen hat. Wie es schon das Alsb. Abk. vorsah, kann auch im Gesamtvertrag durch die Vertragsparteien der Vergütungsrahmen dergestalt abgesteckt werden, daß einerseits den zahnärztlichen Belangen Rechnung getragen, andererseits aber auch die wirtschaftliche Lage der Krankenkassen angemessen berücksichtigt wird, die ihrerseits durch die verbindliche Regelung der Vergütungssätze überhaupt erst in die Lage versetzt werden, ihre Zuschußverpflichtungen gegenüber den Versicherten nach Maßgabe ihrer finanziellen Möglichkeiten befriedigend zu regeln.

Demgemäß ist die Versorgung mit Zahnersatz durch Gesamtverträge i. S. des § 368 g Abs. 2 und 3 RVO zu regeln.

Mangels einer solchen Vereinbarung der Vertragsparteien hat das beklagte LSchA auf dem in § 368 h Abs. 1 RVO vorgesehenen Weg - Versuch der gütlichen Einigung der Vertragsparteien, Vermittlungsvorschlag, notfalls Festsetzung des Vertragsinhalts - einen Gesamtvertrag über die Versorgung mit Zahnersatz zwischen der Klägerin und der beigeladenen KZÄV herbeizuführen. Die in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Alsb. Abk. vorgesehene Anrufung des Vertragsausschusses ist mit der organisatorischen Umgestaltung des Rechts der kassenzahnärztlichen Versorgung durch das GKAR vom 17. Dezember 1955 (BGBl I 513) und der damit verbundenen Änderung der Vertragsparteien gegenstandslos geworden; allein die der organisationsrechtlichen Neugestaltung Rechnung tragenden Vertragsausschüsse i. S. des § 368 g Abs. 5 RVO können die in dieser Vorschrift genannten Aufgaben erfüllen. Dieser Auffassung steht der kurze Hinweis in der Entscheidung des Senats vom 20. Juli 1966 (BSG 25, 116, 120), daß § 4 Abs. 1 Satz 2 des Alsb. Abk. die Anrufung des "Vertragsausschusses" vorsieht, nicht entgegen; in dem fraglichen Zusammenhang ging es allein darum, daß das Fehlen eines Bezirks-Gebührentarifs - gleichgültig, wie dabei eine solche Vereinbarung vorbereitet wird - nicht die Gültigkeit des Prothetik-Vertrages berührt.

Demgemäß ist das beklagte LSchA verpflichtet, nach Maßgabe des § 368 h Abs. 1 RVO die von der Klägerin beantragte Ergänzung des Gesamtvertrags 1962 durchzuführen. Die entgegenstehenden angefochtenen Entscheidungen waren aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 74

NJW 1974, 1445

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