Leitsatz (amtlich)

Ein von der Versicherungspflicht befreiter Rentner (RVO § 173a, FinÄndG 1967 Art 3 § 3) wird mit der Beantragung einer weiteren Rente jedenfalls dann versicherungspflichtig (RVO § 165 Abs 1 Nr 3), wenn diese Rente aufgrund eines anderen Versicherungsverhältnisses beantragt wird.

 

Normenkette

RVO § 173a Fassung: 1967-12-21; FinÄndG 1967 Art. 3 § 3 Fassung: 1967-12-21

 

Tenor

Die Revision der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1970 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wendet sich gegen die - vom Sozialgericht (SG) entsprechend dem Antrag der Klägerin getroffene und vom Landessozialgericht (LSG) bestätigte - Feststellung, daß die Klägerin mit der Beantragung einer Hinterbliebenenrente Mitglied der beklagten Krankenkasse geworden ist.

Die Klägerin, die seit Februar 1966 von der zuständigen Landesversicherungsanstalt aus eigener Versicherung eine Berufsunfähigkeitsrente bezieht und daneben einen Beitragszuschuß zu einer privaten Krankenversicherung erhielt (§ 381 Abs. 4 RVO), beantragte am 11. Oktober 1968 nach dem Tode ihres Ehemannes aus dessen Versicherung eine Hinterbliebenenrente bei der Beigeladenen. Nachdem sie sich auch zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gemeldet hatte, wandelte sie ihre private Krankheitskostenversicherung zum 1. Januar 1969 in eine Krankenhauszusatz- und Operationskostenversicherung um. Von der - den bisherigen Beziehern von Beitragszuschüssen in einer Übergangsvorschrift des Finanzänderungsgesetzes (FinÄndG) vom 21. Dezember 1967 (Art. 3 § 3) eingeräumten - Befugnis, der KVdR beizutreten, hatte sie während der gesetzlichen Erklärungsfrist (bis zum 30. Juni 1968) keinen Gebrauch gemacht. Nach Ansicht der beklagten Krankenkasse und der beigeladenen BfA gilt sie deshalb auf Grund der erwähnten Übergangsvorschrift als von der Versicherungspflicht in der KVdR befreit, und zwar auch nach der Beantragung der Hinterbliebenenrente (Bescheid der Beklagten vom 4. März 1969 und Widerspruchsbescheid vom 25. April 1969).

Ihre Klage haben beide Vorinstanzen für begründet gehalten. Das LSG hat ausgeführt, nach dem klaren Wortlaut des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei die Klägerin mit der Beantragung der Hinterbliebenenrente - trotz der früher erfolgten Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR - versicherungspflichtig geworden; ein Ausnahmefall des § 165 Abs. 6 RVO - anderweitige Versicherung habe nicht vorgelegen (Urteil vom 2. April 1970).

Die beigeladene BfA hat die zugelassene Revision eingelegt. Ihrer Ansicht nach gilt eine einmal erfolgte Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR auch bei Beantragung einer weiteren Rente fort; einer neuen Befreiung bedürfe es dann nicht. Die Beigeladene beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die beklagte Krankenkasse hat sich dem Antrag und den Ausführungen der Beigeladenen angeschlossen. Sie hat nach dem Inkrafttreten des Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 1970 gem. dessen Art. 4 § 3 festgestellt, daß die Klägerin seit dem 1. Januar 1971 wegen Bezugs der Berufsunfähigkeitsrente bei der Beklagten krankenversichert ist.

Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der beigeladenen BfA ist unbegründet. Die Klägerin ist, wie das LSG zutreffend entschieden hat, mit der Beantragung einer Hinterbliebenenrente am 11. Oktober 1968 Mitglied der beklagten Krankenkasse geworden.

Seit dem 1. Januar 1968 erfaßt die KVdR, die bis dahin nur unter bestimmten Voraussetzungen (Vorversicherungszeit von 52 Wochen) eintrat, grundsätzlich alle Rentner, die nicht schon wegen Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften versichert sind (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6 RVO idF des FinÄndG). Die hiernach versicherungspflichtigen Rentner können sich jedoch unter gewissen Bedingungen von der Versicherungspflicht befreien lassen (§ 173 a RVO); sie gelten nach einer Übergangsvorschrift des FinÄndG (Art. 3 § 3) als befreit, wenn sie am 1. Januar 1968 einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO erhielten, es sei denn, daß sie bis zum 30. Juni 1968 erklärten, die Versicherungspflicht solle wirksam werden.

Die Klägerin, die am 1. Januar 1968 neben ihrer Berufsunfähigkeitsrente einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO erhielt, widersprach ihrer Befreiung von der Versicherungspflicht bis zum Ablauf der genannten Frist nicht. Sie blieb deshalb als Bezieherin einer Berufsunfähigkeitsrente auch nach dem 1. Januar 1968 von der Krankenversicherungspflicht befreit. Diese Befreiung erstreckte sich jedoch nicht auf die Versicherungspflicht, die am 11. Oktober 1968 mit der Beantragung einer Hinterbliebenenrente eintrat (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Ob in einem bestimmten Versicherungszweig Versicherungspflicht oder -freiheit besteht, ist grundsätzlich für jeden insoweit erheblichen Sachverhalt getrennt zu beurteilen (vgl. BSG 31, 66 für die Ausübung einer - versicherungsfreien - Beamtentätigkeit neben einer anderen - versicherungspflichtigen - Beschäftigung; ferner BSG 31, 131 wonach die Befreiung von der Angestelltenversicherungspflicht nicht für eine spätere arbeiterrentenversicherungspflichtige Beschäftigung gilt). Die gegenteilige Auffassung, die die Beigeladene für den - hier vorliegenden - Fall vertritt, daß ein von der Versicherungspflicht befreiter Rentner später einen weiteren Rentenantrag stellt, könnte dazu führen, daß dieser Rentner auch von einer Versicherungspflicht befreit würde, von der eine Befreiung nach § 173 a Abs. 1 Satz 2 RVO nicht zulässig wäre, weil nämlich insoweit ein das Befreiungsrecht ausschließender Tatbestand vorliegt. Die Unwiderruflichkeit einer einmal erfolgten Befreiung (§ 173 a Abs. 2 Satz 2, 2. Halbs. RVO) bedeutet mithin nur, daß die für das jeweilige Versicherungsverhältnis erfolgte Befreiung nicht widerrufen werden kann. Sie hindert jedoch nicht, daß der Rentner mit der Beantragung einer weiteren Rente versicherungspflichtig wird, jedenfalls wenn diese Rente - wie bei der Klägerin - auf Grund eines anderen Versicherungsverhältnisses (Hinterbliebenenrente) beantragt wird. Der Senat verkennt nicht, daß dies für den Versicherten nicht nur Vorteile, sondern auch Lasten mit sich bringen kann. Will er nämlich die durch den neuen Rentenantrag begründete Versicherungspflicht nicht wirksam werden lassen, muß er rechtzeitig einen neuen Befreiungsantrag stellen. Damit er die insoweit zu beachtende Monatsfrist nicht in Unkenntnis des Gesetzes versäumt, werden ihn die zuständigen Versicherungsträger in geeigneter Weise zu belehren haben.

Daß hier die durch den Hinterbliebenenrentenantrag ausgelöste Versicherungspflicht der Klägerin nicht durch eine Versicherung "nach anderen gesetzlichen Vorschriften" (§ 165 Abs. 6 RVO) ausgeschlossen war, hat das LSG zutreffend dargelegt. Eine solche anderweitige Versicherung war insbesondere nicht ihre private Krankenversicherung, da diese nicht nach "gesetzlichen" Vorschriften durchgeführt wurde. Andererseits gehörte die Klägerin seit der Beantragung der Hinterbliebenenrente zu den "in § 165 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Personen" (§ 381 Abs. 4 Satz 1 RVO) und hatte seitdem schon deshalb, seit dem 1. Januar 1969 auch wegen der Umwandlung ihrer Krankheitskostenversicherung in eine bloße Zuschußversicherung keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuß mehr.

Die Vorinstanzen haben die Klägerin somit seit dem fraglichen Zeitpunkt mit Recht als Mitglied der beklagten Krankenkasse angesehen. Die Revision der Beigeladenen ist unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 205

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