Entscheidungsstichwort (Thema)

Streit über die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern in der Ersatzkasse (ErsK) oder der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK)

 

Normenkette

AufbauVO a.F. § 4 Abs. 1 S. 2; RVO a.F. § 503; SGG §§ 165, 159 Abs. 2

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 1968 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beigeladenen Arbeitnehmer der beklagten Ersatzkasse (ErsK) wirksam beigetreten oder nach wie vor Mitglieder der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) sind.

Die Beklagte, eine frühere eingeschriebene Hilfskasse, wurde im Jahre 1914 für folgenden Mitgliederkreis als ErsK zugelassen; "Gold- und Silber arbeit er und deren verwandten Berufsgenossen: Juweliere, Graveure, Ziseleure, Guillocheure, Emailleure, Gürtler, Blattgoldschläger, Vergolder und Polierer in der Edelmetallindustrie, Metalldreher und -drücker, Etuisarbeiter, Feinmechaniker, Optiker, Zahntechniker, Uhrmacher, Kunstgießer, Präger, Feinschleifer in der Metallindustrie, Stein- und Diamantschleifer" (§ 3 Nr. 1 der Satzung idF von 1895, die bis zu dem für die Zulassung als ErsK maßgebenden Stichtag - 1. April 1909 - nicht geändert wurde).

Nach der neuen Satzung der Beklagten vom 26. Mai 1954, die sich insoweit fast wörtlich mit einem Satzungsnachtrag vom 9. Oktober 1952 deckt, können Mitglieder der Kasse werden:

"Arbeiter, Lehrlinge und Anlernlinge industrieller oder handwerklicher Art (männliche und weibliche), die im Zeitpunkt der Aufnahme im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wohnen und folgenden Berufsgruppen angehören:

Mechaniker (Präzisionsfeinmechaniker), Metalldreher, Metallschleifer, Stein- und Diamantschleifer, Metalldrücker, Metallvergolder, Metallpolierer, Präger, Uhrmacher, Gold- und Silberarbeiter, Kunstgießer (Former), Gürtler, Graveure, Optiker, Ziseleure, Juweliere, Guillocheure, Emmailleure, Blattgoldschläger, Etuisarbeiter, Zahntechniker

und diesen durch Präzision oder Feinheit der Arbeit verwandte sonstige Personen. Hierzu gehören auch solche, deren Tätigkeit sieh von den Grundberufen dieser Art infolge Technisierung oder Spezialisierung oder sonstiger Wandlungen des Produktionsprozesses durch Aufteilung oder Abspaltung oder in anderer Weise entwickelt hat oder noch entwickelt, insbesondere:

Büro- und Schreibmaschinenmechaniker, Zählermechaniker, Rundfunkmechaniker, Orthopädiemechaniker, Chirurgiemechaniker, Elektromechaniker, Fernmeldemechaniker, Werkzeugmacher, Maschinenschlosser, Schnitt- und Stanzenmacher, Stahlformenbauer (Stahlformengraveure), Automateneinrichter, Automatendreher, Revolverdreher, Gewindeschneider und Rundschneider".

Die beigeladenen 138 Arbeitnehmer (Beigeladene zu 7 bis 44, 46 bis 50, 52 bis 143, 145 bis 147), die überwiegend in der metallverarbeitenden Industrie tätig sind, traten der beklagten ErsK Ende 1954 und im Laufe des Jahres 1955 bei. Ihre Arbeitgeber (Beigeladene zu 1 bis 6) meldeten sie daraufhin bei der AOK ab.

Diese ist der Ansicht, die ErsK habe mit der Änderung der Satzung ihren Mitgliederkreis unzulässig erweitert und die beigeladenen Arbeitnehmer nicht aufnehmen dürfen. Das Sozialgericht (SG) hat einer entsprechenden Feststellungsklage der AOK stattgegeben (Urteil vom 11. April 1957). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der ErsK die Klage zunächst abgewiesen, weil die beigeladenen Arbeitnehmer nach einer Verordnung des Reichsarbeitsministers über den Mitgliederkreis der Ersatzkassen der Krankenversicherung -MitgliederkreisVO- vom 26. Oktober 1938 der Beklagten wirksam beigetreten seien (Urteil vom 26. Februar 1965).

Auf die Revision der AOK hat der Senat die Sache an das LSG zurückverwiesen: Die MitgliederkreisVO habe keine ausreichende Rechtsgrundlage gehabt und begegne auch verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes). Das LSG werde zu prüfen haben, ob die neue Satzung der Beklagten sich innerhalb der durch die Aufbaugesetzgebung gezogenen Grenzen für den Mitgliederkreis der ErsKen halte (Urteil vom 25. Februar 1966, BSG 24, 266).

Nach erneuter Verhandlung hat das LSG die Berufung der ErsK zurückgewiesen: Der Mitgliederkreis, für den die Beklagte als ErsK zugelassen sei, beschränke sich auf Personen, die in der Edelmetall- und Schmuckindustrie sowie in vier benachbarten Branchen für sonstige "Erzeugnisse des gehobenen persönlichen und wissenschaftlichen Bedarfs" (Feinmechanik, Optik, Zahntechnik, Uhrenherstellung) beschäftigt seien. Dafür sprächen die Entstehungsgeschichte der Beklagten, ihre bis 1934 beibehaltene Bezeichnung als Kasse der "Gold- und Silberarbeiter und verwandter Berufsgenossen" , die frühere Schlüsselstellung der Gold- und Silber arbeit er innerhalb der Satzung berufe wie auch die Wahl der "Gold, Silber- und Schmuckstadt" Schwäbisch Gmünd als Kassensitz. Im Zeitpunkt ihres Beitritts seien die beigeladenen Arbeitnehmer in Betrieben anderer als der genannten Branchen tätig gewesen (Urteil vom 22. März 1968, in dem die Revision zugelassen ist).

Mit der Revision rügt die Beklagte, das LSG habe den in ihrer Ursprungssatzung (1895) umschriebenen Mitgliederkreis unzutreffend auf Beschäftigte der Edelmetall- und Schmuckindustrie und "benachbarter" Branchen beschrankt: Die Beklagte sei im Jahre 1878 als "Nationale Kranken- und Sterbekasse des Gewerkvereins der Gold- und Silberarbeiter und verwandter Berufsgenossen" gegründet worden. Das am 1. Oktober 1878 in Kraft getretene "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" habe jedoch mit dem Verbot aller Gewerkvereine eine kollektive Erfassung des Mitgliederpotentials über den Gewerkverein unmöglich gemacht. Um die damit verbundenen "Einzugsverluste" aufzufangen, den Risikoausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft zu verbessern und der Verlagerung von Arbeitstechniken der Gold- und Silberindustrie auf andere Berufsbereiche Rechnung zu tragen, sei im Jahre 1884 eine "Neu" - oder "Umgründung" der Kasse vorgenommen worden. Dabei habe der Mitgliederkreis eine grundlegende strukturelle Umschichtung und Erweiterung erfahren. Die "verwandten Berufsgenossen" der Gold- und Silberarbeiter seien erstmals in der Satzung konkret aufgezählt worden. Diese - wiederholt ergänzte - Aufzählung habe im Jahre 1895 21 Berufe umfaßt, die nur noch zum Teil als solche der Edelmetall- und Schmuckindustrie anzusprechen seien. Die übrigen seien nicht mehr i. S. einer Bindung an die Edelmetall- und Schmuckindustrie "branchengebunden" , sondern auch oder ausschließlich in verschiedenen anderen Industriezweigen, der Beschäftigtenzahl nach überwiegend in der Metallindustrie vertreten. Eine Beziehung dieser Berufe zur Edelmetall- und Schmuckindustrie könne auch nicht, wie die AOK meine, dadurch vermittelt werden, daß es sich um Berufe handele, für die die Herstellung von "Gegenständen des gehobenen persönlichen Bedarfs" kennzeichnend sei. Die Untauglichkeit dieses Merkmals werde besonders an den Beschäftigten von Zuliefererbetrieben deutlich. Je nach Auftragslage stellten sie "Gegenstände des gehobenen persönlichen Bedarfs" (z.B. für Schmuckwaren) oder Einzelteile für den industriellen Bedarf her. Nach der Auffassung des LSG müsse ihr Beitritt in einem Fall zulässig, im anderen unzulässig sein. Die berufliche Zusammensetzung der bis zum Jahre 1909 neu aufgenommenen Mitglieder sei ein Anhalt dafür, daß die Beklagte auch nach damaligem Satzungsverständnis eine Kasse mit "branchenübergreifendem" Mitgliederkreis gewesen sei, zumal ihr - mit dem Satzungsgeber personell weitgehend identischer - Hauptvorstand alle Neuaufnahmen zentral überwacht und erfaßt habe. Welche Berufe mit den Gold- und Silberarbeitern "verwandt" seien, habe der Satzungsgeber mit der beispielhaften Aufzählung in der Satzung von 1895 authentisch klargestellt. Das LSG habe schließlich die Fortentwicklung nicht berücksichtigt, die ein Teil der Satzungsberufe in der Zwischenzeit genommen habe. Zumindest unter Berücksichtigung dieser Entwicklung seien die beigeladenen Arbeitnehmer zum Beitritt berechtigt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und auf ihre Berufung das Urteil des SG dahin zu ändern, daß die Klage in vollem Umfang angewiesen wird.

Die klagende AOK beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend; soweit es sieh um die - von der Beklagten anscheinend weiterhin angenommene - Gültigkeit der MitgliederkreisVO handele, sei der Senat an die im früheren Urteil vertretene Rechtsauffassung gebunden.

Die Beigeladenen zu 8 bis 11, 13, 15, 17, 19 bis 21, 25 bis 28, 32, 35, 38, 39, 41, 43, 46 bis 48, 53 bis 56, 58, 62, 65 bis 67, 73, 75, 79 bis 84, 86, 87, 89, 90, 100, 110, 111, 113, 117, 123, 127, 128, 132, 133, 136 bis 138 und 146, die keinen Antrag stellen, unterstützen die Rechtsauffassung der beklagten ErsK. Die übrigen Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten oder haben sich nicht geäußert.

II

Die Revision der beklagten ErsK ist begründet. Entgegen der Ansicht des LSG kann die klagende AOK die beigeladenen Arbeitnehmer nicht schon deswegen als ihre Mitglieder in Anspruch nehmen, weil sie in Betrieben beschäftigt sind, die denen der "Gold- und Silberarbeiter" nicht branchenverwandt sind.

Im ersten Urteil in dieser Sache hat der Senat entschieden, daß die MitgliederkreisVO vom 26. Oktober 1938 (RGBl I 1519) nicht rechtsgültig erlassen und auch mit der Rechtsweggarantie des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4) nicht vereinbar ist (BSG 24, 266). Die Berechtigung, einer ErsK beizutreten, richtet sich deshalb nicht allein danach, wie deren Mitgliederkreis in der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Satzung im Zeitpunkt des Beitritts jeweils festgelegt ist (so die Regelung der MitgliederkreisVO), sondern außerdem nach dem Mitgliederkreis, für den die ErsK als solche zugelassen ist, d.h. nach dem Mitgliederkreis, den die Satzung am 1. April 1909 bestimmte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 der 12. AufbauVO vom 24. Dezember 1935, RGBl I 1537, idF der 15. AufbauVO vom 1. April 1937, RGBl I 439, iVm. § 503 RVO idF vom 19. Juli 1911, RGBl 509). An diese rechtliche Beurteilung war das LSG bei seiner neuen Entscheidung gebunden (§§ 165, 159 Abs. 2 SGG). An sie ist auch der Senat gebunden, nachdem die Sache nochmals an ihn gelangt ist (BSG 17, 503 vgl. auch BVerwG NJW 1966, 798). Die Bedenken, die die Beklagte unter Berufung auf ein Rechtsgutachten von Professor Bogs (veröffentlicht in ErsK 1971, 109 ff) gegen die frühere Entscheidung des Senats, insbesondere gegen die Annahme der Ungültigkeit der MitgliederkreisVO erhoben hat, können daher im vorliegenden Rechtsstreit nicht berücksichtigt werden.

Ob die beigeladenen Arbeitnehmer in den Jahren 1954 und 1955 der beklagten ErsK beitreten durften, hängt mithin davon ab, ob sie damals zum Mitgliederkreis der Beklagten nach dem Stande ihrer Satzung vom 1. April 1909 (Ursprungssatzung) gehörten. Das LSG hat die Frage in dem angefochtenen Urteil verneint, weil nach der Ursprungssatzung der Beitritt zur Beklagten nur solchen Personen offenstehe, die in der Edelmetall- und Schmuckindustrie oder vier benachbarten Branchen für "Erzeugnisse des gehobenen persönlichen Bedarfs" (Feinmechanik, Optik, Zahntechnik, Uhrenherstellung) beschäftigt seien, was für die beigeladenen Arbeitnehmer nicht zutreffe. Dieser Auslegung, die die Beitrittsberechtigung für die in der Satzung genannten Berufe (Satzungsberufe) stark einschränkt, kann der Senat nicht folgen.

Nach § 3 Nr. 1 der Ursprungssatzung sind zum Beitritt berechtigt "die Gold- und Silberarbeiter und deren verwandten Berufsgenossen" , die nach einem Doppelpunkt im einzelnen aufgezählt sind. Die Ausübung eines dieser Satzungsberufe begründet mithin die Beitrittsberechtigung, ohne daß es nach dem Wortlaut der Satzung darauf ankommt, in welchem Wirtschaftszweig der Beruf ausgeübt wird. Eine ausdrückliche Ausnahme machen nur die "Vergolder und Polierer in der Edelmetallindustrie" und die "Feinschleifer in der Metallindustrie" . Für die übrigen Satzungsberufe gilt dagegen keine solche Einschränkung, soweit sie sich nicht - wie in der Regel bei den Juwelieren, Optikern oder Uhrmachern - aus dem Berufsbild selbst ergibt. Allerdings geht § 3 Nr. 1 der Ursprungssatzung offenbar von einer Verwandtschaft der Satzungsberufe mit den Gold- und Silberarbeitern aus. Worin diese Verwandtschaft bestehen soll, wird jedoch nicht näher erläutert und kann auch hier offenbleiben. Eine Antwort, die allen Zweifeln standhält, scheint nicht mehr möglich. Die Unterlagen über die damaligen Beratungen der zuständigen Kassenorgane geben keinen hinreichenden Aufschluß. Die im Rechtsstreit vorgelegten berufskundlichen Gutachten sind zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. So sind als Merkmale einer Verwandtschaft mit den Gold- und Silberarbeitern genannt worden: Beziehung zum Edelmetall; Herstellung von Gegenständen des gehobenen (kultivierten) persönlichen Ausstattungsbedarfs; Feinheit und Schwierigkeit der Arbeit an kleineren, im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrem Gewicht teuren Werkstücken; im wesentlichen gleichartige Grundfertigkeiten und Grundkenntnisse. Selbst wenn die Verwandtschaft, von der die Ursprungssatzung ausgeht, eindeutig auf eines oder mehrere dieser Merkmale bezogen werden könnte, stände lediglich fest, warum die aufgezählten Berufe unter die Satzungsberufe aufgenommen worden sind. Das Motiv für deren Aufnahme kann indessen nicht in der Weise auf die Satzungsberufe zurückwirken, daß es die Beitrittsberechtigung ausschließt, wenn eine bestimmte berufliche Tätigkeit seinem Sinn im Einzelfall nicht entspricht.

Anscheinend ist die "Verwandtschaft" mit den Gold- und Silberarbeitern aus Vereinfachungsgründen bewußt "pauschal" den in § 3 Nr. 1 der Ursprungssatzung aufgezählten Berufen als solchen zuerkannt worden. Die Vorgängerin der beklagten ErsK, die im Jahre 1878 gegründete "Nationale Kranken- und Sterbekasse des Gewerkvereins der Gold- und Silberarbeiter und verwandter Berufsgenossen" (seit 1879 ohne die Worte "des Gewerkvereins" ), umschrieb ihren Mitgliederkreis nur durch die Generalklausel "Gold- und Silberarbeiter und deren verwandten Berufsgenossen" . Auf der Generalversammlung vom 10, und 11. August 1884, auf der die Neuerrichtung der Kasse beschlossen wurde, stellte der Hauptvorstand den Antrag, deutlich zu machen, was unter "verwandten Berufsgenossen" zu verstehen sei. Das hätte dadurch geschehen können, daß abstrakt festgelegt worden wäre, welche Merkmale eine Verwandtschaft mit den Gold- und Silberarbeitern begründen. Damit wäre allerdings dem Bedürfnis der Praxis nach einer möglichst klaren Richtlinie wenig gedient gewesen. Dieser Weg wurde deshalb nicht beschritten, Stattdessen wurden - dem Antrag des Hauptvorstandes entsprechend - die "verwandten Berufsgenossen" der Gold- und Silber arbeit er in § 1 der damals beschlossenen Satzung und seit 1895 in § 3 Nr. 1 der Ursprungssatzung im einzelnen aufgezählt.

Diese Aufzählung ist abschließend, wenn auch möglicherweise berufskundlich nicht erschöpfend. Sie wird - in unmittelbarem Anschluß an die "Kerndefinition" des Mitgliederkreises ( "Gold- und Silber arbeit er und deren verwandten Berufsgenossen" ) - durch einen Doppelpunkt eingeleitet, der seinem Stellenwert nach einem konkretisierenden "nämlich" gleichkommt. Kein Zusatz (z.B., wie, insbesondere) deutet an, daß es sich nur um eine offene Reihe von Beispielen handeln soll. Die Weglassung eines so einfachen und gebräuchlichen, andererseits für die Abgrenzung des Mitgliederkreises so bedeutsamen Zusatzes kann nicht auf Zufall beruhen. Sie läßt sich nur mit dem Streben nach einer klaren Abgrenzung des Mitgliederkreises auf Kosten seiner "Elastizität" erklären. Schwerwiegende Interessen der Kasse sprechen nicht dagegen: Vor dem Stichtag (1. April 1909) konnte der Mitgliederkreis nach Belieben erweitert werden. Von der Möglichkeit, die Satzungsberufe durch weitere Berufe zu ergänzen, wurde bis 1895 auch wiederholt Gebrauch gemacht. Dabei wurde stets eingehend über die "Aufnahme" von neuen Berufen in den Mitgliederkreis der Beklagten beraten. Das hätte sich erübrigt, wenn es dabei nur um weitere Beispiele für die "verwandten Berufsgenossen" der Gold- und Silberarbeiter gegangen wäre.

Mit der Einzelaufzählung von "verwandten Berufsgenossen" in der Ursprungssatzung haben somit die damaligen Satzungsgeber nach Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte der Regelung "authentisch" klargestellt, welche Berufe sie als "verwandt" und, soweit Berufe nicht genannt sind, welche sie als "nicht verwandt" angesehen haben. Angehörige nicht genannter Berufe dürfen deshalb nicht aufgrund einer irgendwie gearteten "Verwandtschaft" mit den Gold- und Silberarbeitern als Mitglieder der Beklagten aufgenommen werden. Andererseits kann den Angehörigen ausdrücklich aufgeführter Berufe der Beitritt nicht wegen angeblich fehlender Verwandtschaft, namentlich nicht wegen Beschäftigung in einem nicht branchenverwandten Betrieb, versagt werden. Das hat das LSG verkannt, wenn es die Satzungsberufe durch das Merkmal der "Branchenverwandtschaft" miteinander verbunden und im Rückschluß daraus gefolgert hat, nur ihre Ausübung in Fertigungsbetrieben für "Erzeugnisse des gehobenen persönlichen Bedarfs" berechtige zum Beitritt.

Ob ein Arbeitnehmer der Beklagten beitreten darf, hängt hiernach davon ab, ob er im Zeitpunkt des Beitritts einen Beruf ausübt, der in der Satzung der Beklagten nach dem Stande vom 1. April 1909 genannt ist, oder - da die inzwischen eingetretene wirtschaftlich-technische Entwicklung nicht unberücksichtigt bleiben kann (vgl. BSG 24, 273) - ob sein Beruf aus einem der "alten" Satzungsberufe hervorgegangen ist oder sich davon abgespalten hat. Für welche der beigeladenen Arbeitnehmer dies zutrifft, hat der Senat nicht entscheiden können, da bisher nicht festgestellt ist, welche Berufstätigkeiten die Beigeladenen im Zeitpunkt ihres Beitritts zur Beklagten (1954 und 1955) verrichtet haben. Die Berufsangaben im Rubrum des angefochtenen Urteils können solche Feststellungen schon deshalb nicht ersetzen, weil sie sich nach Verfahrensrecht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG beziehen, Damit die insoweit noch ausstehenden Ermittlungen nachgeholt werden, muß der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Unterschriften

Dr. Langkeit, zugleich für den infolge Urlaubs an der Unterschrift verhinderten Bundesrichter Dr. Krebs, Spielmeyer

 

Fundstellen

BSGE, 21

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