Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzungen von Kassenarzt-Honorarforderungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise

 

Orientierungssatz

1. Die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung der Verwaltung ist in besonderer Weise davon abhängig, ob die Verwaltung die tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte angibt, die für ihre Entscheidung maßgebend gewesen sind.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats spricht der erste Anschein für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise, wenn der Fallwert des Kassenarztes so erheblich über dem Fallwertdurchschnitt der Fachgruppe liegt, daß zwischen beiden Werten ein offensichtliches Mißverhältnis besteht. Der Schluß von einem so überhöhten Fallwert auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise ist jedoch nicht gerechtfertigt, soweit die Fallwertüberschreitung auf Besonderheiten der Praxis zurückzuführen ist und diese nicht selbst auf einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise beruhen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

3. Richten sich die Prüfungsgremien bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach arithmetischen Durchschnittszahlen, so kann es im allgemeinen nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn sie aufgrund ihres Erfahrungswissens die Grenzen zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung des Arztes um 50% ziehen.

4. Die Aussage des Anscheinsbeweises eines überhöhten Fallwertes wird eingeschränkt, soweit bei der geprüften Arztpraxis besondere Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogene Gruppe untypisch sind.

5. Einen Kassenarzt, dessen Praxis und Behandlungsweise von der Typik der Praxen seiner Fachgruppe abweicht, trifft dafür sowohl die Darlegungslast als auch insofern die Feststellungslast, daß besondere Umstände den Anscheinsbeweis eines überhöhten Fallwertes nur korrigieren, soweit sie und ihre Auswirkungen festgestellt werden können.

6. Zur Frage des dem Prüfungsgremium zustehende Beurteilungsspielraums bei der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung.

7. Zur Frage, inwieweit ein Arzt für innere Medizin eine unterschiedliche Beurteilung innerhalb seiner Fachgruppe beanspruchen darf, wenn er über eine eigene "große" Laborausstattung verfügt.

8. Die im Einverständnis mit leitenden Krankenhausärzten durchgeführte vorstationäre Diagnostik als bei Wirtschaftlichkeitsprüfung zugunsten des Kassenarztes sprechender Umstand.

 

Normenkette

RVO § 368n Abs 5, § 368e; EKV-Ä § 14 Nr 1, § 2 Nr 1, § 2 Nr 2, § 1 Nr 5

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 12.11.1980; Aktenzeichen L 10 Ka 1211/78)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 31.05.1978; Aktenzeichen S 10 Ka 1051/77)

 

Tatbestand

Umstritten sind Kürzungen von Kassenarzt-Honorarforderungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise.

Die Klägerin ist Ärztin für innere Krankheiten. Sie übte ihren Beruf bis Ende März 1979 auch als Kassenärztin aus. Ihre Abrechnungen für die kassenärztliche Tätigkeit in den Quartalen II/1975 bis II/1976 wurden nicht in vollem Umfange anerkannt. Der zuständige Prüfungsausschuß kürzte die Abrechnungen jeweils in der Sparte der Laborleistungen, und zwar

für II/1975 um 20 % aus DM 21.767,50 = DM 4.353,50 (bei einer Quote von 141 %: DM 6.138,44), für III/1975 um 30 % aus DM 32.151,00 = DM 9.645,90 (bei einer Quote von 141 %: DM 13.600,72), für IV/1975 um 30 % aus DM 31.892,00 = DM 9.567,60 (bei einer Quote von 141 %: DM 13.490,32), für I/1976 um 20 % aus DM 21.450,90 = DM 4.290,18 und für II/1976 um 20 % aus DM 24.888,50 = DM 4.977,72 (für die beiden letzten Quartale bei einer Quote von 146 %: DM 13.531,13).

Nach den Angaben in den Kürzungsbescheiden überschritt die Klägerin mit ihrem Fallwert den Fachgruppendurchschnitt

bei den Laborleistungen in II/75 um 62 % (DM 33,64 : DM 20,73), in III/75 um 126 % (DM 45,35 : DM 19,99), in IV/75 um 114 % (DM 48,54 : DM 22,59), in I/76 um 95 % (DM 32,02 : DM 16,41) und in II/76 um 144 % (DM 37,60 : DM 15,33), bei den Beratungen in II/75 um 40 % (DM 9,69 : DM 6,91) und in III/75 um 44 % (DM 9,32 : DM 6,47) sowie bei den phys.-med. Leistungen in II/75 um 442 % (DM 4,12 : DM 0,76), in III/75 um 386 % (DM 3,16 : DM 0,65), in IV/75 um 322 % (DM 3,51 : DM 0,83), in I/76 um 468 % (DM 4,26 : DM 0,75) und in II/76 um 377 % (DM 3,39 : DM 0,71).

Der Prüfungsausschuß wies noch ergänzend darauf hin, daß die Klägerin bereits (vor der ersten Kürzung) zweimal eine eingehende Information über die zu beanstandenden Laborparameter erhalten habe und daß sich trotzdem weiterhin auf zahlreichen Scheinen gleichförmig ablaufende Laborparameter fänden, die in dieser Häufigkeit und in dieser Ungezieltheit mit den Diagnosen nicht korrespondierten und deshalb als unwirtschaftlich bezeichnet werden müßten.

Den Widersprüchen der Klägerin wurde nicht stattgegeben. Der beklagte Beschwerdeausschuß hielt es für zweckmäßig und ausreichend, die Fallwerte der Klägerin mit den entsprechenden Durchschnittswerten der gesamten Fachgruppe des Bereiches der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zu vergleichen; eine Untergliederung, wie sie die Klägerin fordere (zB nach Stadt und Land, nach Art und Zahl der vorhandenen Laborgeräte) sei nicht sachdienlich. Den von der Klägerin geltend gemachten Praxisbesonderheiten (unterdurchschnittliche Fallwerte bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit, Krankheitsdauer, Krankenhauseinweisung und Arzneikosten) hielt der Beklagte entgegen, es bestehe keine Vermutung für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den festgestellten Mehrleistungen und den behaupteten Minderleistungen. Die unsubstantiierten Behauptungen der Klägerin über anderweitige Einsparungen - vor allem bei den Krankenhauseinweisungen und Arzneikosten - genügten nicht den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag. Darüber hinaus sei er der Meinung, daß ua die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts in der physikalischen Medizin und die nach der Kürzung verbleibenden Überschreitungen in der Sparte Labor (30 %, 59 %, 50 %, 56 % und 96 %) die oben genannten Einsparungen aufzehrten und insoweit dieser Besonderheit in nicht weitergehendem Maße Rechnung getragen werden könne.

Im Klage- und Berufungsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, die Kürzungen aufgrund des angestellten Fachgruppenvergleiches seien rechtlich unzulässig, zum Vergleich könnten nur die Werte der Fachärzte mit großem Labor herangezogen werden, höhere Aufwendungen im Bereich des medizinischen Labors für die Zwecke der Diagnostik führten zwangsläufig zu weit höheren Einsparungen in anderen Leistungssparten (Medikamentenaufwand, Krankheitsdauer und Krankenhausaufenthalt - siehe sogenannter Bayernvertrag; Statistik der AOK Reutlingen), der Beklagte habe ihre Angaben über Einsparungen im stationären Bereich durch ihre vorstationäre Diagnostik und Behandlung nicht überprüft. Diesbezüglich beruft sie sich auf das Zeugnis des Chefarztes r.H., Kreiskrankenhaus R., rof.Dr.F., Städtische Krankenanstalten S. -Bad C., Prof. Dr.L., Diakonissenkrankenhaus . und der Professoren der Medizinischen Universitätsklinik T. Außerdem hat sie eine Bescheinigung von Dr.C., Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses R., vom 31. März 1977 vorgelegt, in der dieser bestätigte, daß sie ihre Patienten zur operativen Behandlung bereits durchuntersucht und mit allen notwendigen Befunden einweise, was zwei bis vier Tage stationären Aufenthalt erspare. Ferner hat sie beanstandet, daß der Besonderheiten ihrer Praxis, insbesondere dem hohen Rentneranteil, nicht genügend Rechnung getragen worden sei und daß der Beklagte in unzulässiger Weise ihr Gesamthonorar auf weniger als 40 % über den Fachgruppendurchschnitt gekürzt habe. Schließlich verwies sie auf die im Sozialgerichtsverfahren geltende Offizialmaxime; sie folgerte daraus, daß sie keine Beweispflicht, sondern lediglich eine Darlegungslast treffe; dem Kassenarzt sei es nicht möglich, den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Mehraufwand in der einen Leistungssparte und dem Minderaufwand in einer anderen Leistungssparte anhand der Fälle einzelner Patienten nachzuweisen.

Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Beklagte habe, indem er - unter beispielhaftem Hinweis auf einzelne Fälle - von einem Vergleich mit der gesamten Fachgruppe ausgegangen sei, sich im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten, von dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungsgemäß anerkannten und in die hier maßgebliche Prüfvereinbarung übernommenen Grundsätze gehalten. Die Überschreitungen der Klägerin bei den Laborkosten zwischen 62 und 144 % sprächen eindeutig für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schaffung eines Vergleichsmaßstabes, der lediglich die Gruppe der Internisten mit großem Labor erfasse. Bei Laboruntersuchungen handele es sich um Leistungen, die für die Berufsgruppe der Internisten - unabhängig davon, ob sie an der Primärversorgung teilnehmen oder eine Überweisungspraxis betreiben - berufstypisch seien. Ein besonderer Maßstab für die Gruppe der Internisten mit großem Labor würde zu einer Aufsplitterung der Fachgruppe führen, die unrepräsentative Vergleichszahlen ergäbe. Das große Labor könne nur als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden. Der Beklagte habe etwaigen Praxisbesonderheiten, insbesondere auch dem erhöhten Anteil der Rentner (35 %), insoweit Rechnung getragen, als der Klägerin auch nach den Kürzungen noch Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um 30 bis 96 % belassen worden seien. Die Klägerin habe ferner nicht den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Mehraufwand bei den Laborleistungen und dem Minderaufwand auf einem anderen Sektor führen können. Das gelte auch für die behauptete prästationäre Diagnostik. Die Dauer der stationären und insbesondere auch der präoperativen Krankenhausbehandlung stehe im Ermessen des Krankenhausarztes, so daß man selbst bei Übernahme der Untersuchungsergebnisse der Klägerin durch den Krankenhausarzt einen Kausalzusammenhang allenfalls vermuten, aber nicht nachweisen könne. Die Einsparungen der Klägerin in anderen Leistungssparten seien zudem nicht so auffällig, daß sie Schlüsse auf eine wirtschaftliche Praxisführung zuließen. Der Gesamtfallwert der Klägerin habe in sämtlichen streitigen Quartalen zwischen 28 und 69 % über demjenigen des Fachgruppendurchschnitts gelegen, nach der Kürzung läge er noch zwischen 15 und 45 % über dem Durchschnitt. Es erübrige sich deshalb, auf die Unterschreitungen der Durchschnittswerte in einzelnen Sparten und auf den bayerischen Honorarvertrag einzugehen. Daraus, daß der Beklagte die höheren Überschreitungen bei den phys.-med. Leistungen ohne Abstriche hingenommen habe, könne die Klägerin keinen Anspruch zu ihren Gunsten hinsichtlich der Laborkosten ableiten. Bei jenen Leistungen habe der Beklagte berücksichtigt, daß es sich um untypische Leistungen der Fachgruppe handele. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip, sie für Tatsachen beweispflichtig zu machen, die sie nicht beweisen könne, sei ihr entgegenzuhalten, daß auch im Sozialversicherungsrecht die Nichterweislichkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen zu Lasten desjenigen gehe, der den Anspruch geltend mache. Für das Kassenarztrecht bedeute dies, daß der seine Honorarforderung geltend machende Kassenarzt nicht nur zu beweisen habe, daß er die abgerechneten Leistungen auch tatsächlich erbracht habe, sondern auch, daß diese Leistungen ausreichend und zweckmäßig gewesen seien und das Maß des Notwendigen nicht überschritten hätten. Schließlich habe der Beklagte - wie im Fall der Abrechnung für II/1975 - auf eine Überschreitung von nur noch 30 % über dem Fachgruppendurchschnitt kürzen dürfen (vgl BSGE 46, 136, 138).

Mit der Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung - § 368n Abs 5, § 368n Abs 1, § 368e und § 182 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - unrichtig angewandt, gegen das im Grundgesetz zum Ausdruck gebrachte Rechtsstaatsprinzip verstoßen und verfahrensrechtliche Vorschriften - §§ 62, 103 und 106 Abs 1 sowie § 112 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - verletzt. Es habe ihre durch Beweisangebote erhärteten Ausführungen zur Frage der Einzelfallgerechtigkeit, der Differenzierung der Fachgruppe und der Besonderheit der Praxisführung nicht beachtet. Seit Inkrafttreten des sogenannten Bayernvertrages (Gesamtvertrag zwischen der KÄV Bayern und dem Landesverband der Ortskrankenkassen in Bayern) und der Honorarempfehlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der gesetzlichen Krankenkassen vom 22. Dezember 1980 habe sich die Beurteilung der Gesamtwirtschaftlichkeit der Praxisführung grundlegend geändert. Nunmehr könne insbesondere eine intensive, gezielte Labordiagnostik nicht mehr schlechthin als unwirtschaftlich abqualifiziert werden, wenn sie mit einer entsprechenden Therapie verbunden sei. Sie führe, was nun offenkundig sei, zu Einsparungen auf anderen, teuereren Leistungssektoren. Eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts stelle daher keinen Verstoß gegen das Prinzip der Gesamtwirtschaftlichkeit dar. Namentlich die Besonderheit ihrer Praxisführung, die von den Chefärzten der betreffenden Krankenhäuser ausnahmslos anerkannte, in großem Umfange durchgeführte prästationäre, insbesondere präoperative Diagnostik, mache den Spareffekt im Bereich der eminent teueren Krankenhausverweildauer evident. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse den Fallwerten der einzelnen Leistungsarten größere Beachtung geschenkt werden; durch solche Einzelvergleiche könne häufig geklärt werden, welche Faktoren für ein offensichtliches Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten verantwortlich seien. Demgegenüber habe das LSG nicht ihrem Vortrag Rechnung getragen, in einen Einzelvergleich ihrer Laborabrechnungen einzutreten. Auch ihr Angebot, über ihre Labormaßnahmen Aufschluß zu geben, habe es ignoriert. Diesem Angebot nachzugehen, habe um so mehr deshalb Veranlassung bestanden, weil sich das LSG auf die ihr (zunächst) als exemplarisch für ihre unwirtschaftliche Praxisführung vorgehaltenen Einzelfälle berufen habe, obwohl diese bereits im Beschwerdeverfahren aufgeklärt und als sachgerecht anerkannt worden seien. Ohne hinreichende Begründung sei das LSG den vorgelegten Beweismitteln und den angebotenen Beweisen zur Frage der Kompensation der erhöhten Laboraufwendungen mit Einsparungen auf anderen Leistungssektoren nicht gefolgt (insbesondere dem Beweisangebot über die Auswirkungen der prästationären Diagnostik auf die Krankenhausverweildauer). Das LSG habe das Rechtsstaatsgebot verletzt, indem es die Bindungswirkung der von der Beklagten ermittelten Fachgruppendurchschnitte als unverrückbarer Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Praxisführung bestätigt habe. Die Unwirtschaftlichkeit der Praxisführung sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gemäß Art 19 Abs 4 des Grundgesetzes (GG) in vollem Umfange der richterlichen Nachprüfung unterliege. Die Fehlerhaftigkeit des Zahlenmaterials habe sie in den Vorinstanzen unter Beweisantritt gerügt (ua unter Vorlage des Aufsatzes von Schneider, Der freie Arzt, 1980, Heft 2 S 18 ff). Ein Verfahrensmangel sei schließlich darin zu sehen, daß das LSG unerfüllbare Anforderungen an ihre Beweisführung gestellt habe. Aus den Gründen des Urteils ergebe sich die Konsequenz, daß gegen den auf Schätzung beruhenden Anscheinsbeweis des Beklagten die Führung eines Gegenbeweises schlechthin ausgeschlossen sei. Die neue Entwicklung im Kassenarztwesen gehe aber gerade vom Gegenteil aus. Danach bestehe die Vermutung, daß eine intensive ambulante Labordiagnostik automatisch zu niedrigeren Kosten in anderen Leistungssparten führe. Das LSG habe sie nirgends belehrt, in welcher Weise ihre Beweisführung hätte gestaltet werden müssen, um zum Erfolg zu führen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. November 1980 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Mai 1978 abzuändern und die Beschlüsse des RVO-Prüfungsausschusses vom 21. Mai 1976 betreffend RVO-Abrechnungen II und III/1975, vom 9. September 1976 betreffend RVO-Abrechnung IV/1975 und vom 17. Januar 1976 betreffend RVO-Abrechnungen I/1976 und II/1976 sowie den Beschluß der Beklagten vom 23. Juni 1977 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung geht es nicht an, im vorliegenden Fall, der die Quartale II/1975 bis II/1976 betreffe, den unbestimmten Rechtsbegriff der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise anhand eines erst Jahre später abgeschlossenen Honorarvertrages bzw gewisser Empfehlungen nach § 368f Abs 4 RVO auszulegen. In der Sache hätten die Prüfungsgremien die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin zu Recht als gegeben angesehen. Entsprechend der berufsrechtlich vorgeschriebenen Aus- und Weiterbildung hätten alle Internisten eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in den Laboratoriumsuntersuchungen der Inneren Medizin erworben. Es dürfe daher zur Verfeinerung des Vergleichsmaßstabes nicht noch zwischen Internisten mit geringem, mittlerem und großem Labor unterschieden werden. Selbst wenn neuerdings anerkannt werde, daß die Gesamtwirtschaftlichkeit bei mehr ambulanter Tätigkeit insgesamt günstiger ausfalle, verbleibe es für den einzelnen Kassenarzt bei dem offensichtlichen Mißverhältnis zu der Vergleichsgruppe, weil alle Kassenärzte bei mehr ambulanter Tätigkeit höhere Honorarforderungen stellten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat insofern Erfolg, als der Beklagte zu verurteilen ist, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen. Eine abschließende Entscheidung in der Sache unter Einbeziehung der von der Klägerin mitangefochtenen Bescheide des Prüfungsausschusses kann der Senat nicht treffen. Der Antrag der Klägerin umfaßt für diesen Fall auch das Begehren, den Beklagten zu verurteilen, über ihre Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses neu zu entscheiden.

Der mit der Klage angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtsfehlerhaft, denn er wird von den angegebenen Gründen nicht getragen. Ob die Bescheide eventuell aus anderen Gründen gerechtfertigt sind, kann wegen des Beurteilungs- und Ermessensspielraums der Prüfungsinstanzen nicht abschließend entschieden werden. Soweit der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum zusteht, beschränkt sich die Kontrolle des Gerichts darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSGE 38, 138, 143 ff = SozR 4100 § 43 Nr 9 mwN; Urteil des Senats vom 9. Juni 1982 - 6 RKa 1/81 -). Eine Ermessensentscheidung der Verwaltung ist nur darauf zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und von dem Ermessen und einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG). Diese eingeschränkte gerichtliche Überprüfung ist in besonderer Weise davon abhängig, ob die Verwaltung die tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte angibt, die für ihre Entscheidung maßgebend gewesen sind. Eine solche Begründung schreibt jetzt § 35 Abs 1 Satz 2 und 3 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X/Kapitel 1) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) allgemein vor. In bezug auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Kassen- bzw Vertragsarztes hat der Senat schon immer auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Begründung der Verwaltungsentscheidung hingewiesen (BSGE 11, 102, 116; 55, 110 ff). Der Beklagte hat eine ausreichende Begründung auch nicht im Laufe des Verfahrens nachgeholt.

Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin geht der Beklagte zwar in zulässiger Weise von einem Vergleich der durchschnittlichen Fallkosten der Klägerin mit den durchschnittlichen Fallkosten ihrer Fachgruppe aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats spricht der erste Anschein für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise, wenn der Fallwert des Kassenarztes so erheblich über dem Fallwertdurchschnitt der Fachgruppe liegt, daß zwischen beiden Werten ein offensichtliches Mißverhältnis besteht. Der Schluß von einem so überhöhten Fallwert auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise ist jedoch nicht gerechtfertigt, soweit die Fallwertüberschreitung auf Besonderheiten der Praxis zurückzuführen ist und diese nicht selbst auf einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise beruhen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die dagegen vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Es ist bisher keine alternative Prüfungsmethode dargelegt worden, die einerseits praktikabel und andererseits der bisherigen Prüfungsmethode im Hinblick auf ein gerechtes Prüfungsergebnis überlegen wäre. Auf die Überwachung der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen kann nicht verzichtet werden, sie ist ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben und den von den KÄVen zu errichtenden Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen übertragen (§ 368n Abs 5 RVO). Dem Kassenarzt sind nur diejenigen Leistungen zu vergüten, die er im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erbringen darf. Der Versicherte hat Anspruch auf die ärztliche Versorgung, die zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend ist; Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, kann der Versicherte nicht beanspruchen, der Kassenarzt darf sie nicht bewirken oder verordnen, und die Kasse darf sie nachträglich nicht bewilligen (§ 368e Satz 1 und 2, § 182 Abs 2 RVO). Eine individuelle Prüfung jedes einzelnen Behandlungsfalles scheitert regelmäßig an der Vielzahl der Behandlungsfälle. Die Einzelfallprüfung als Ausgangspunkt der Wirtschaftlichkeitsprüfung wäre auch deshalb fragwürdig, weil sie weitgehend vom Dokumentations- und Abrechnungsverhalten des einzelnen Kassenarztes abhängig wäre, dieses aber eine unwirtschaftliche Behandlungsweise verdecken kann. Das statistische Vergleichsverfahren ist dagegen nicht nur praktikabel und für die Kassenärzte in ihrer Gesamtheit kostensparend. Es ist auch sachgerecht, denn es kann davon ausgegangen werden, daß die Kassenärzte im allgemeinen nach den Regeln der ärztlichen Kunst verfahren und deshalb die Durchschnittswerte einer hinreichend großen Zahl vergleichbarer Ärzte Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise zulassen. Zudem ist der Schluß auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nur bei einem offensichtlichen Mißverhältnis des Fallwertes des Kassenarztes zum Durchschnittswert der Fachgruppe zulässig.

Der vom Beklagten angestellte Fallwertvergleich und die ergänzende Begründung des Bescheides reichen jedoch nicht aus, um die Honorarkürzungen dem Grunde und der Höhe nach als rechtmäßig bestätigen zu können. Die beanstandeten Fallwertüberschreitungen liegen zwar im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses. Das gilt vor allem für die Überschreitungen auf dem Laborsektor in den Quartalen III/1975 bis II/1976, in denen der Fallwert der Klägerin um 95 % bis 144 % über dem ihrer Fachgruppe, der Gruppe der Internisten, liegt (vgl BSGE 46, 136, 139f = SozR 2200 § 368n Nr 14). Fraglich könnte allenfalls sein, ob das auch für die bezüglich des Quartals II/1975 festgestellte Laborkostenüberschreitung um 62 % gilt (bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes - nach den Feststellungen des LSG - um 28 %). Der Senat hat sich bisher nicht auf einen bestimmten Prozentsatz festgelegt, von dem an ein offensichtliches Mißverhältnis anzunehmen ist. Er sieht auch hier davon ab, einen bestimmten Grenzbetrag als allgemeingültig vorzuschreiben. Ferner hält er es nicht für geboten, ein bestimmtes statistisches Verfahren als das allein rechtlich zulässige zu bestimmen (zB das herkömmliche Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen oder die Gauß'sche Normalverteilung). Richten sich die Prüfungsgremien, wie im vorliegenden Fall der Beklagte, nach arithmetischen Durchschnittszahlen, so kann es im allgemeinen nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn sie aufgrund ihres Erfahrungswissens die Grenzen zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung des Arztes um 50 % ziehen. Die unterschiedliche Homogenität von Fachgruppen, insbesondere in bezug auf bevorzugt angewandte Leistungssparten und Leistungsarten, können eventuell Abweichungen bei den Grenzwerten rechtfertigen, so daß schon insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum in Frage kommen kann, der es den Prüfungsgremien ermöglicht, ihr Erfahrungswissen zu berücksichtigen und diesem ihre Prüfungsmaßstäbe anzupassen. Mit dem Fallwertvergleich allein ist jedoch die Prüfung nicht ordnungsgemäß abgeschlossen.

Gemäß den Regeln des Anscheinsbeweises kann von einem überhöhten Fallwert, der in einem offensichtlichen Mißverhältnis zum Durchschnittsfallwert der Fachgruppe steht, auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nur geschlossen werden, wenn ein solcher Zusammenhang einem typischen Geschehensablauf entspricht, also die höheren Fallkosten des einzelnen Arztes erfahrungsgemäß auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise zurückzuführen sind. Das setzt voraus, daß die Praxis des geprüften Arztes mit den Praxen der Fachgruppe vergleichbar ist. Die Aussage des Anscheinsbeweises wird eingeschränkt, soweit bei der geprüften Arztpraxis besondere Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogene Gruppe untypisch sind. Die Prüfungsgremien haben daher allen bekannten wesentlichen Umständen des Einzelfalles nachzugehen, die von den typischen Gegebenheiten der Vergleichsgruppe erkennbar abweichen. Nach dem im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz hat das zuständige Prüfungsgremium den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen (nun gesetzlich ausgestaltet in § 20 SGB X). Es ist aber auch der Kassen- und Vertragsarzt gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben (§ 21 Abs 2 SGB X). Hinsichtlich der Abrechnung von kassen- und vertragsärztlichen Leistungen ergibt sich eine besondere Mitwirkungspflicht des Arztes aus der Sache selbst. Der Arzt macht einen Vergütungsanspruch geltend, der ihm nur zusteht, wenn er die in Rechnung gestellte Leistung auch tatsächlich erbracht hat und im Rahmen der kassen- oder vertragsärztlichen Versorgung erbringen durfte. Es ist daher seine Angelegenheit, die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen. Dies gilt vor allem, wenn er sich auf für ihn günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Einen Kassenarzt, dessen Praxis und Behandlungsweise von der Typik der Praxen seiner Fachgruppe abweicht, trifft deshalb dafür sowohl die Darlegungslast als auch insofern die Feststellungslast, daß besondere Umstände den Anscheinsbeweis nur korrigieren, soweit sie und ihre Auswirkungen festgestellt werden können.

Der Beklagte ist auf die von der Klägerin geltend gemachten Besonderheiten ihrer Praxis nicht näher eingegangen, weil eine Untergliederung ihrer Fachgruppe nicht sachdienlich sei und den Besonderheiten nicht in einem weitergehenden Maße - über die nach den Kürzungen verbliebenen Fallwertüberschreitungen hinaus - Rechnung getragen werden könne. Eine nachvollziehbare Begründung hat er damit nicht gegeben. Er hat sich in keiner Weise festgelegt, so daß es unmöglich ist, die für die Entscheidung maßgebenden Gründe auf ihre rechtliche Relevanz zu überprüfen. Er hat weder die von ihm berücksichtigten Praxisbesonderheiten genannt, noch zu deren Auswirkungen auf die Fallwerte Stellung genommen. Seine Entscheidung gibt auch keinen Aufschluß darüber, ob in allen Quartalen Praxisbesonderheiten berücksichtigt worden sind. Fraglich erscheint dies insbesondere deshalb, weil in einzelnen Quartalen zum Teil nur relativ geringe Fallwertüberschreitungen belassen wurden (zB 30 % in der Sparte der Laborleistungen und 15 % beim Gesamtfallwert).

Da der Beklagte die Kürzungen in der Sparte der Laborleistungen vorgenommen hat, kommt vor allem dem Einwand der Klägerin Bedeutung zu, sie verfüge über eine große Laborausstattung und sei daher nur mit ähnlich ausgerichteten internistischen Praxen vergleichbar. Sie macht damit geltend, ihr großes Labor sei nicht typisch für die Gesamtheit ihrer Fachgruppe. Der Beklagte hat sich zu diesem Vorbringen nur insofern eindeutig geäußert, daß er eine Aufgliederung der Fachgruppe der Internisten nach Laborausstattungen für nicht sachgerecht hält. Seiner Entscheidung ist jedoch nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls auf welche Weise er sonst das große Labor der Klägerin berücksichtigt hat. Seine Revisionserwiderung läßt vermuten, daß er diesem Gesichtspunkt überhaupt keine Bedeutung beigemessen hat, weist er doch darauf hin, entsprechend der berufsrechtlich vorgeschriebenen Aus- und Weiterbildung hätten alle Internisten eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in den Laboratoriumsuntersuchungen der Inneren Medizin erworben. Mit dieser Begründung könnte die geltend gemachte Praxisbesonderheit nicht verneint werden. Die bei den Angehörigen einer bestimmten Arztgruppe generell zu unterstellenden speziellen Kenntnisse und Erfahrungen besagen noch nicht, daß auch Ärzte dieser Fachgruppe ihre Praxis einheitlich ausgerichtet haben. Es liegt nahe, daß Internisten im allgemeinen ein Labor unterhalten. Es ist aber bisher im vorliegenden Fall nicht festgestellt, ob bei allen internistischen Praxen das Labor im wesentlichen die gleiche Bedeutung hat. Zweifel bestehen diesbezüglich ua deshalb, weil sich heute viele Internisten an der Primärversorgung beteiligen, weil ein großes Labor umfangreiche Überweisungsaufträge zur Folge haben kann und eine Spezialisierung innerhalb der Fachgruppe der Internisten in Betracht zu ziehen ist (zB Schwerpunkt der Behandlungstätigkeit in bestimmten Teilgebieten und Fachbereichen, diagnostische Praxisausrichtung). Die moderne Datenerfassung wird es den Prüfungsgremien unter Umständen ermöglichen aufzuzeigen, ob und wie sich die Labortätigkeiten der Internisten unterscheiden. Daraus kann sich dann auch eine Antwort auf die Frage ergeben, ob und inwieweit das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich ihrer Labortätigkeit einen höheren Fallwert zu rechtfertigen vermag.

Auch die Angaben der Klägerin über die Durchführung der einer stationären, insbesondere operativen Behandlung unmittelbar vorangehenden Untersuchungen können nicht ohne weiteres unbeachtet bleiben. In der Empfehlungsvereinbarung vom 22. Dezember 1980 (BKK 1981, 145), auf die sich die Klägerin beruft, wird empfohlen, es "sollen alle Möglichkeiten der ambulanten Diagnostik und Therapie ausgeschöpft werden, um insbesondere weniger Krankenhausaufenthalte erforderlich zu machen". Ein dieser Empfehlung Rechnung tragendes Praxisverhalten kann sicherlich nicht als unwirtschaftlich angesehen werden. Das gilt auch für eine Zeit, in der dem gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkt einer Kosteneinsparung durch eine Verlagerung von Leistungen aus dem stationären Bereich in den ambulanten noch keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Allerdings ist zu beachten, daß die Empfehlung sich an alle Ärzte richtet und so mehr oder weniger das Verhalten der gesamten Ärzteschaft beeinflußt. Leistungen eines niedergelassenen Arztes, die stationäre Behandlungen ersetzen oder einschränken, können deshalb als Besonderheit einer Praxis nur berücksichtigt werden, wenn sich ergibt, daß entsprechende Leistungen von den anderen Ärzten der Fachgruppe nicht oder nur in einem erheblich geringeren Umfang erbracht werden und die Leistungen des Arztes zu einer ins Gewicht fallenden Einsparung im stationären Bereich geführt haben (zB wenn bei einer voroperativen Diagnostik festgestellt werden kann, daß die fraglichen Krankenhäuser die Befunde des einweisenden Arztes übernommen und insoweit auf eigene Befunderhebungen verzichtet haben und dadurch die Krankenhausverweildauer verkürzt worden ist). Wurde von der Klägerin tatsächlich, wie behauptet, mit Einverständnis der Chefärzte der hier in Frage stehenden Krankenanstalten die notwendige vorstationäre Diagnostik durchgeführt - also bei Übernahme der ambulant erhobenen Befunde durch die Krankenanstalten und einer damit jeweils verbundenen Einsparung von 2 bis 4 Krankenhaustagen - und wird dies von den anderen Internisten nicht praktiziert, geht also die vorstationäre Diagnostik nicht allgemein oder nur gering in den durchschnittlichen Fachgruppenfallwert ein, so wird auch dieser Umstand, soweit er quantitativ ins Gewicht fällt, bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin zu berücksichtigen sein (eventuell durch Herausnahme der Behandlungsfälle mit vorstationärer Diagnostik bei der Berechnung des Fallwertdurchschnitts der Klägerin im Laborbereich). Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin kann auch nicht pauschal als unsubstantiiert abgetan werden. Sie hat immerhin die in Betracht kommenden Kliniken angegeben und die jeweiligen Chefärzte zum Beweis angeführt.

Auf welche Weise das Prüfungsgremium der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nachkommt, ist ihm in einem gewissen Rahmen freigestellt. Es kann nicht generell ein bestimmter Weg als der allein richtige vorgeschrieben werden. Geben die Angaben des Arztes Anlaß zur Klarstellung, so werden schriftliche Rückfragen ebenso in Betracht kommen wie eine mündliche Anhörung des Arztes. Soweit der Arzt seine Angaben selbst zu belegen hat (zB weil nur er sie beweisen kann), so ist ihm dazu Gelegenheit zu geben. Bei der Prüfung der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Fallkostendifferenz zwischen dem geprüften Arzt und seiner Fachgruppe durch festgestellte Besonderheiten der Praxis beeinflußt worden ist, hat das Prüfungsgremium auch die Möglichkeit, auf die Frequenzstatistiken der zuständigen KÄV zurückzugreifen. Dabei kann es sich als richtig erweisen, engere Vergleichsgruppen zu bilden, zB dann, wenn eine inhomogene Fachgruppe aus homogenen Untergruppen besteht (eventuell bei ausgeprägter Untergliederung der Fachgruppe in Teilgebiete). Es kommt auch ein Vergleich des Fallwertes des Arztes mit seinen eigenen Fallwerten früherer Quartale in Betracht. Wurde bereits in den früheren Quartalen bei gleichen Fallwertüberschreitungen eine unwirtschaftliche Behandlungsweise oder eine den Mehraufwand rechtfertigende Praxisbesonderheit festgestellt, so spricht einiges dafür, daß sich die Behandlungsweise des Arztes nicht geändert hat.

Der dem Prüfungsgremium zustehende Beurteilungsspielraum ergibt sich aus den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten. Der unbestimmte Begriff der "Wirtschaftlichkeit", wie er in § 368n Abs 5 RVO verwendet wird, ist zwar durch gesetzliche und andere rechtliche Bestimmungen weitgehend inhaltlich ausgefüllt (§ 368e iVm § 182 Abs 2 RVO). Aus diesen Vorschriften ergibt sich einerseits, daß der Kassenarzt grundsätzlich berechtigt ist, die ihm geeignet erscheinenden Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anzuwenden; auch in der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung gilt der Grundsatz der Freiheit des Arztes in der Wahl seiner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 19). Andererseits aber darf der Arzt nicht zu Lasten der Krankenkassen Überflüssiges veranlassen oder Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen durchführen, die aufwendiger sind als andere, die denselben Zweck erfüllen. Ob die Leistungen eines Arztes dem Wirtschaftlichkeitsgebot in diesem Sinne entsprechen, wird sich in der Regel unschwer feststellen lassen, wenn es um einzelne Behandlungsfälle geht. Das ist jedoch die Ausnahme. Die Verpflichtung der Prüfungsinstanzen zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung bezieht sich auf die gesamte Behandlungstätigkeit des Arztes und auf alle an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Diese Verpflichtung können die Prüfungsinstanzen, wie oben dargelegt, generell nur durch eine pauschale Prüfung im Rahmen eines allgemeinen Kostenvergleichs erfüllen. Ob und inwieweit die bei dieser Prüfung zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten den Mehraufwand einer Praxis rechtfertigen, werden in der Regel auch die fachkundigen Prüfungsinstanzen nur ungefähr sagen können. Es müssen daher alle Entscheidungen der Prüfungsinstanzen, die sich im Rahmen der ungefähren Richtigkeit halten -die also die "Zweifelszone" nicht erkennbar verlassen (so Bachof, JZ 1972, 641, 644) -, als rechtmäßig angesehen werden. Dementsprechend hat es der Senat schon immer als rechtlich zulässig angesehen, daß die Prüfungsinstanzen den auf die unwirtschaftliche Behandlungsweise zurückzuführenden Mehraufwand lediglich schätzen (BSGE 11, 102, 114 ff; 46, 136, 138). Der Beurteilungsspielraum der Prüfungsinstanzen ist aber nicht eng auf die betragsmäßige Schätzung des unwirtschaftlichen Mehraufwands beschränkt. Auch andere Fragen, die die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungsweise betreffen, lassen sich zum Teil nur im Rahmen einer fachkundigen Beurteilung beantworten. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung über die Besetzung des Prüfungs- und Beschwerdeausschusses (§ 368n Abs 5 RVO) zu erkennen gegeben, daß bei der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung die medizinische Fachkunde und die ärztliche Berufserfahrung in spezifischer Weise zur Geltung kommen soll. Aus der Begründung des Beurteilungsspielraumes ergibt sich jedoch auch seine Begrenzung. Einen Beurteilungsspielraum haben die Prüfungsinstanzen nur, soweit eine genaue Feststellung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist. Der Beurteilungsspielraum gestattet es den Prüfungsinstanzen daher nicht, eine sachgerechte Aufbereitung des Streit- und Verfahrensstoffes und konkrete Tatsachenermittlungen durch allgemeine Erwägungen zu ersetzen (BSGE 55, 110 ff). Erst wenn eine unwirtschaftliche Behandlungsweise festgestellt ist, sind die Honorarabrechnungen des Arztes nach pflichtgemäßem Ermessen zu kürzen.

Da bei einer umstrittenen Wirtschaftlichkeitsprüfung, für die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung der Beschwerdeausschuß zuständig ist, hat auch hier der Beklagte den neuen Bescheid zu erteilen. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß "gilt" zwar als Verfahren iS des § 78 SGG (§ 368n Abs 5 Satz 8 RVO). Die Funktion des Beschwerdeausschusses beschränkt sich aber nicht auf die einer Widerspruchsstelle. Er wird vielmehr nach Anrufung durch einen Beteiligten (§ 368n Abs 5 Satz 5 RVO) als zweite Verwaltungsinstanz tätig, die eine selbständige und uneingeschränkte Überprüfung vornimmt. Der Beschwerdeausschuß hat deshalb im Prozeß in der Regel die Stellung des Beklagten (analog dem Berufungsausschuß in Zulassungssachen, vgl § 368b Abs 4 ff RVO, § 70 Nr 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662626

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