Leitsatz (amtlich)

1. Gegen sich selbst als Träger der Lastenausgleichsverwaltung kann ein Land als Träger der Kriegsopferversorgung, vertreten durch das LVersorgA, auf Rückerstattung einer Ersatzleistung klagen (Ausnahmefall eines zulässigen "Insichprozesses").

2. Taucht ein Verschollener wieder auf, von dem angenommen wurde, er sei im Zusammenhang mit einer Schädigung im versorgungsrechtlichen Sinne verstorben, so ist die Verschollenheitsrente für die Zeit, in der der Aufenthalt den Familienangehörigen und den zuständigen Behörden unbekannt gewesen war, nicht zu Unrecht geleistet worden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsatz kann eine Verwaltung eine ohne rechtlichen Grund erbrachte Ersatz- oder Erstattungsleistung von dem Verwaltungsträger der sie erhalten hat, zurückfordern (vgl BSG 1962-01-30 2 RU 219/59 = BSGE 16, 151; BSG 1968-12-11 10 RV 606/65 = BSGE 29, 44; BSG 1969-03-11 4 RJ 107/68 = BSGE 29, 164; BSG 1969-05-22 4 RJ 315/68 = BSGE 29, 249).

 

Normenkette

SGG § 51 Fassung: 1953-09-03, § 53 Fassung: 1953-09-03, § 54 Fassung: 1953-09-03, § 69 Fassung: 1953-09-03, § 70 Nr. 3 Fassung: 1953-09-03; BVG § 52 Abs. 1 Fassung: 1966-12-28; KBLG BY Art. 1 Abs. 1, Art. 30; RVO § 594 Fassung: 1942-08-20; GG Art. 83 Fassung: 1949-05-23, Art. 84 Fassung: 1949-05-23, Art. 85 Fassung: 1949-05-23, Art. 120, 120a Fassung: 1952-08-14; LAG §§ 5, 307, 311-312, 319

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Dezember 1973 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Das Versorgungsamt (VersorgA) N gewährte mit zwei Bescheiden vom 24. Dezember 1952 der Vertriebenen Hedwig R (R.), die von ihrem Ehemann im März 1947 eine Karte aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft erhalten hatte, Witwenrente wegen Verschollenheit ab 1. März 1950 nach Art. 1 Abs. 1 Körperbeschädigtenleistungsgesetz (KBLG) i. V. m. § 594 Reichsversicherungsordnung (RVO) und ab 1. Oktober 1950 nach § 52 Bundesversorgungsgesetz (BVG), außerdem ihren beiden Kindern Waisenrente bis Mai 1950 und einem Kind für die weitere Zeit. Von der Nachzahlung für die Zeit bis zum 28. Februar 1953 überwies das VersorgA 1.886,80 DM an das Landratsamt - Amt für Soforthilfe - Eichstätt zur Erfüllung eines Ersatzanspruches. Dieses Amt hatte der Familie R. ab Dezember 1949 Unterhaltshilfe gewährt, die in Höhe der Rente aus der Kriegsopferversorgung (KOV) nicht zu zahlen gewesen wäre. Im Juli 1953 zeigte die Rentenempfängerin dem VersorgA an, ihr Ehemann sei schon 1950 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden, was sie erst jetzt erfahren habe. Später berichtigte sie dies dahin, daß er sich bereits 1948 in Ostberlin niedergelassen habe. Das VersorgA stellte darauf die Rentenzahlungen zu Ende Juli 1953 ein. Es forderte vom Ausgleichsamt Eichstätt den 1952 überwiesenen Ersatzbetrag mit der Begründung zurück, der Familie R. seien die Versorgungsleistungen zu Unrecht gewährt worden, weil eine Kriegsverschollenheit ihres Ehemannes und Vaters irrtümlich angenommen worden sei. Das Ausgleichsamt verzichtete auf die Einrede der Verjährung, lehnte jedoch eine Rückzahlung so lange ab, bis die Versorgungsverwaltung gegenüber den Rentenempfängern die Rentenbescheide wegen tatsächlicher Unrichtigkeit berichtigt und einen Erstattungsanspruch bindend festgestellt habe. Am 12. Juni 1972 erhob der Freistaat Bayern, vertreten durch das Landesversorgungsamt (LVersorgA), beim Sozialgericht (SG) München Klage gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt - Ausgleichsamt - W, das damals für Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) an die Familie R. zuständig war, und beantragte, den Beklagten zu verurteilen, 1.886,80 DM an den Kläger zu zahlen. Das SG gab der Klage statt; es bezeichnete das LVersorgA als den Kläger (Urteil vom 20. Dezember 1972). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG), das nachträglich durch Beschluß vom 22. Februar 1973 die Bundesrepublik beigeladen hat, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 1973 - Breithaupt 1974, 880).

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 594 RVO aF i. V. m. Art. 1 Abs. 1 KBLG und des § 52 BVG. Bei der Rückforderung von Verschollenheitsrenten sei zu unterscheiden zwischen dem Verhältnis der Versorgungsbehörde zu den "Hinterbliebenen" einerseits und der Beziehung zu anderen Leistungsträgern andererseits. Kriegsverschollenheit sei nach der wirklichen Sachlage zur Zeit der Rentengewährung zu beurteilen und daher im vorliegenden Fall ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Der Beklagte, vertreten durch das neuerdings örtlich zuständige Ausgleichsamt beim Landratsamt E, beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Er hat von einer Stellungnahme abgesehen, weil er an die Weisung des Bundesausgleichsamtes (BAA) gebunden sei, die mit der Auffassung des LSG übereinstimme.

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen des Klägers an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist sachlich nicht begründet.

Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, ist für diese Streitsache der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nicht zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 315 LAG gegeben; es handelt sich um eine Angelegenheit der KOV (ebenso BSG vom 8. September 1970 - 9 RV 488/67 - Pressebericht in SGb 1970, 460; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1966, 612; Bayer. LSG, ZfS 1971, 58; Hess. LSG, Breithaupt 1972, 260). Entscheidend dafür ist, daß der geltend gemachte Klageanspruch letzten Endes davon abhängt, ob nach dem Recht der KOV eine Leistungspflicht besteht (BSG, Urteil vom 26. April 1967, ZfS 1968, 21; BSG, SozR Nr. 45 zu § 51 SGG; BSG, BVBl 1970, 131; vgl. aber für eine zurückgeforderte Leistung, die nach dem LAG zu beurteilen ist: BVerwG 38, 261; ZLA 1970, 99). Die Versorgungsverwaltung fordert von der Lastenausgleichsverwaltung den Betrag zurück, den sie 1952 zur Befriedigung eines Ersatzanspruches an das Ausgleichsamt gezahlt hat. Für einen Rechtsstreit über die Ersatzleistung wäre der Rechtsweg nach § 51 SGG gegeben gewesen (BSG 13, 94 = SozR Nr. 2 zu § 290 LAG). Diese Leistung von 1.886,80 DM stammte aus rückwirkend bewilligten Rentenbeträgen der KOV. Ein Streit über sie wäre als "Angelegenheit der KOV" i. S. des § 51 Abs. 1 SGG einzuordnen (BSG 2, 23, 26, 27). Diese Leistung verlor ihren Rechtsgrund nicht mit Wirkung für den Rechtsweg dadurch, daß mit ihr ein Ersatzanspruch der Lastenausgleichsverwaltung erfüllt wurde. Zu ersetzen waren die Aufwendungen für Unterhaltshilfe (§ 31 Nr. 1, §§ 35, 36 Abs. 4 Soforthilfegesetz - SHG - vom 8. August 1949 - WiGBl 205; §§ 267 bis 270 LAG vom 14. August 1952 - BGBl I 446 - jetzt in der Fassung vom 1. Oktober 1969 - BGBl I 1909 -), die infolge rückwirkender Beseitigung der Bedürftigkeit durch die Kriegsopferrenten nicht endgültig gewährt werden mußten; infolge dieser direkten Überweisung an die Lastenausgleichsverwaltung brauchten die Rentenempfänger R. nicht die SHG- und LAG-Leistungen bis zur Höhe der nachträglich gewährten Kriegsopferrenten nach deren Auszahlung zurückzuerstatten (§ 288 Abs. 1, § 290 Abs. 1 bis 3 Satz 1, § 350 a LAG; BSG 7, 42; zum "Ersatzanspruch" i. S. des Abwälzungsanspruches im Unterschied zum "Erstattungsanspruch" im engeren Sinne des Rückforderungsrechtes, das hier streitig ist: BSG 16, 151, 156 = SozR Nr. 1 zu § 28 BVG; BSG 29, 44, 50 = SozR Nr. 3 zu § 28 BVG; BSG 36, 43, 44 = SozR Nr. 17 zu § 70 SGG; Haueisen, WzS 1962, 1, 2; DVBl 1969, 709, 715; Langkeit, DOK 1971, 341; von Maydell, ZfS 1973, 265). Der hier umstrittene Rückforderungsanspruch ist eine Umkehr des Leistungsverhältnisses, das ursprünglich zur Versorgungsverwaltung als Schuldnerin bestand, und ist daher von der rechtlichen Zuordnung des Ersatzanspruches im Hinblick auf den Rechtsweg nach § 51 SGG abhängig (BSG, BVBl 1970, 131; BSG 29, 249, 250 = SozR Nr. 24 zu § 1531 RVO).

Die Klage ist zulässig.

Nach dem "Zweiparteienprinzip" müssen grundsätzlich Kläger und Beklagter verschiedene Personen sein (Stein/Jonas/Pohle, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl. 1972, Vorbemerk. IV vor § 50 ZPO). Jedoch ist hier ausnahmsweise ein "Insichprozeß", d. h. ein Streitverfahren im Innenverhältnis einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, zulässig. Das gilt auch in anderen Fällen in der Sozialgerichtsbarkeit ebenso wie in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit wegen Besonderheiten des Verwaltungsrechts, vor allem dann, wenn ein Organ gegenüber einem anderen derselben juristischen Person oder gegenüber der Rechtsperson selbst wegen rechtlich verselbständigter Interessen aus einem abgegrenzten eigenen Sachbereich, der ihm anvertraut ist und für den es eine Rechtsmacht hat, gerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen muß (Hans-Henning Becker-Birck, Der Insichprozeß in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Kieler Dissertation, München 1966; Gunter Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, 1968; Lorenz, Archiv des öffentlichen Rechts Bd. 54 (1968), 308 ff; D. Th. Tsatsos, Der verwaltungsgerichtliche Organstreit, 1969; Werner Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten, 1970; BVerwG, DÖV 1974, 817 m. Anm. von Naumann). Entscheidend für die Zulässigkeit der Klage dieses Rechtsstreits ist die relative Selbständigkeit der beiden miteinander streitenden Verwaltungsbereiche, der Kriegsopferversorgungsverwaltung und der Lastenausgleichsverwaltung des Freistaates Bayern, die infolge des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik (Art. 20 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz - GG -) und anderen Organisationsrechts auf unterschiedliche Weise als Ausführungsorgane der Landesverwaltung dem Bund als Kostenträger rechtlich zugeordnet sind. Diese beiden Verwaltungen bilden organisations- und haushaltsrechtlich getrennte Sach- und Interessenbereiche und unterliegen keiner einheitlichen Willensbildung.

Der Freistaat Bayern nimmt beide Parteirollen ein; dies allein macht die Klage nicht unzulässig (BVerwG, DÖV 1974, 817). Ämter der Versorgungsverwaltung und der Lastenausgleichsverwaltung können nicht als beteiligungsfähige Behörden (§ 69 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 70 Nr. 3 SGG) selbständig den Rechtsstreit in den Rollen des Klägers und des Beklagten führen. Richtiger Kläger ist - abweichend von der Parteibezeichnung durch das SG - das Land als Träger der Kriegsopferversorgungsverwaltung; es wird nur im Rechtsstreit vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch das LVersorgA vertreten (Art. 83 GG; § 71 Abs. 5 SGG; § 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 - BGBl I 169 - in der Fassung des 4. Überleitungsgesetzes vom 27. April 1955 - BGBl I 189 -; Art. 8 des Gesetzes zur Ausführung des SGG in Bayern vom 21. Dezember 1953 - GVBl 195 -; § 1 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 12 der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern und über das Abhilfeverfahren vom 18. Februar 1959 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1968 - GVBl 1969, 14 -; BSG vom 8. September 1970 - 9 RV 488/67 -; BSG 27, 200, 203 f = SozR Nr. 3 zu § 71 SGG). Richtiger Beklagter ist ebenfalls der Freistaat Bayern; er führt das LAG im Auftrag des Bundes u. a. durch Ausgleichsämter, die aus den Ämtern für Soforthilfe entstanden sind (§ 352 Abs. 2 LAG), aus (Art. 85, 120 a GG, §§ 305, 306, 308, 311 LAG), hier durch ein staatliches Ausgleichsamt beim Landratsamt (§ 2 der Bayerischen Verordnung über den Vollzug des LAG vom 27. September 1952 - GVBl 268 - in der Fassung der 8. Verordnung vom 25. März 1969 - GVBl 99 -, der 9. Verordnung vom 10. Dezember 1969 - GVBl 399 -, der 11. Verordnung vom 27. Juni 1972 - GVBl 221 - und der 12. Verordnung vom 25. September 1973 - GVBl 533 -; vgl. zur Bestimmung des Beklagten in LAG-Sachen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit: BVerwG 12, 56). Daß hier das Land als Kläger einen Prozeß gegen sich selbst als Beklagten führen (muß und) darf, ist durch das nachfolgend dargelegte Organisations- und Haushaltsrecht bedingt.

Vor allem fehlt es für die beiden Verwaltungsbereiche, zwischen denen der anhängige Streit besteht, an einer gemeinsam übergeordneten Behörde, die in dieser Auseinandersetzung mit Wirkung für beide Bereiche entscheiden könnte. Eine solche verwaltungsinterne Möglichkeit, einen Rechtsstreit zu verhindern oder beizulegen, würde einen "Insichprozeß" regelmäßig unzulässig machen (BSG 36, 43, 44, 45; OVG ... Berlin, DÖV 1963, 587 ff = DVBl 1964, 82 ff m. Anm. Kilian; kritisch dazu: Kisker aaO, 41 f mit weiteren Nachweisen für die hier vertretene Auffassung). Die beiden Verwaltungsbereiche sind keine Teile einer einheitlichen Landesverwaltung, wenn auch im Außenverhältnis der Freistaat Bayern die Ansprüche der Bürger gegen beide Verwaltungen erfüllen muß. Die Kriegsopferversorgungsgesetze (BVG, vorher KBLG) führen die Länder als eigene Verwaltung aus (Art. 83 und 84 GG; BSG 36, 43, 45); diese untersteht dem Minister für Arbeit und Soziales als oberster Landesbehörde (§ 3 des Gesetzes über die Errichtung von Verwaltungsbehörden der KOV; § 9 Nr. 7 der Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. April 1972 - GVBl 157). Zwar gehören zum Geschäftsbereich desselben Ministeriums in Bayern auch die Angelegenheiten des Lastenausgleichs (§ 9 Nr. 16 der Verordnung). Aber das Ministerium hat über das Landesausgleichsamt, das bei ihm eingerichtet ist (Verordnung über den Vollzug des LAG vom 27. September 1952), und über die staatlichen Ausgleichsämter keine Sach- oder Fachaufsicht mit Weisungs-, Prüfungs- und Aufsichtsrechten; diese Aufsicht obliegt vielmehr dem Präsidenten des BAA gegenüber dem Landesausgleichsamt und diesem gegenüber den Ausgleichsämtern (Art. 120 a Abs. 1, Art. 85 GG, §§ 307, 311 Abs. 3; §§ 312, 319 Abs. 2 LAG; Kühne/Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, § 312 LAG, Anm. 2). Diese Landesverwaltung im Auftrag des Bundes ist von jener eigenen Verwaltung des Landes, die für die KOV besteht, grundlegend unterschieden (BSG, SozR Nr. 8 zu § 72 G 131; Schmitt, Bayerische Verwaltungsblätter 1972, 362, Anm. zu BSG 36, 43).

Die Auseinandersetzung könnte auch nicht durch Verwaltungsvorschriften, die Fälle dieser Art im Verhältnis zwischen beiden Verwaltungsbereichen allgemein regelten (von Mangoldt/Klein, Kommentar zum GG, Bd. III, 2. Aufl. 1974, Art. 84, Anm. IV, 1, c, bb und d), verhindert werden. Dafür müßte dasselbe Organ übereinstimmende Vorschriften für beide Verwaltungen erlassen dürfen; das ist nicht der Fall. Allgemeine Verwaltungsvorschriften für die eigene Landesverwaltung der KOV kann mit Zustimmung des Bundesrates die Bundesregierung erlassen, der die Aufsicht über die gesetzmäßige Ausführung des BVG obliegt (Art. 84 Abs. 2 - 4 GG); ausnahmsweise darf sie auch kraft gesetzlicher Befugnis für besondere Fälle Einzelweisungen an die obersten Landesbehörden erteilen (Art. 84 Abs. 5 GG). Allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Lastenausgleichsverwaltung der Länder (im Auftrag des Bundes) kann dagegen nur der Präsident des BAA erlassen (Art. 120 a Abs. 1 i. V. m. Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG, §§ 307, 312, 319 Abs. 2 Satz 2 LAG), und zwar an Stelle der Bundesregierung (Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum GG, Art. 120 a, Fußn. 2 zu Randnr. 17; Randnr. 22). Ihm obliegt auch die Sach- oder Fachaufsicht mit der Befugnis zu Einzelweisungen nach Gesetz- und Zweckmäßigkeit (Art. 120 a Abs. 1 i. V. m. Art. 85 Abs. 3 und 4 GG, § 312 Abs. 2, § 319 Abs. 2 Satz 1 und 3 LAG). Die Bundesregierung darf bloß Richtlinien für die Verwaltung und Verwendung der Ausgleichsfondsmittel durch das BAA erlassen (§§ 318, 319 Abs. 2 Satz 1 LAG), die die Ausgabenpolitik des Ausgleichsfonds mit der wirtschaftlichen Planung der öffentlichen Hand abstimmen sollen (Kühne/Wolff, § 319 LAG, Anm. 1; § 312, Anm. 3, S. 321), jedoch im übrigen nicht das BAA anweisen. Dies folgt schon daraus, daß das BAA nur der Dienstaufsicht, nicht der Fachaufsicht durch ein Bundesministerium untersteht (§ 312 Abs. 3 LAG), außerdem aus folgendem: Die Bundesregierung könnte den Inhalt von allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die der Präsident des BAA erläßt, nach eigenen Vorstellungen allenfalls im Zusammenwirken mit dem Kontrollausschuß, dessen Mitglieder je zur Hälfte vom Bundestag gewählt und von den Landesregierungen ernannt oder vom Bundesrat gewählt werden (§ 313 LAG), und dem Bundesrat mittelbar beeinflussen. Die Verwaltungsvorschriften bedürfen der Zustimmung des Kontrollausschusses; falls er sie versagt, können sie nur dann in Kraft treten, wenn die Bundesregierung dies mit Zustimmung des Bundesrates anordnet (§ 320 Abs. 2 LAG).

Bei dieser organisationsrechtlichen Lage vermag das Land, dem die Verwaltung beider Bereiche auf unterschiedliche Weisen obliegt, durch seine verschiedenen vertretungsbefugten Organe den Streit allein gerichtlich entscheiden zu lassen.

Die Auseinandersetzung könnte auch nicht im Wege der Haushaltsgestaltung beigelegt werden. Vielmehr muß der Freistaat Bayern, haushaltswirtschaftlich gesehen, zu Lasten des Ausgleichsfonds des Bundes eine Forderung zugunsten des Landeshaushalts für den Monat März 1950, zugunsten des allgemeinen Bundeshaushalts für die Zeit ab 1. April 1950 gerichtlich geltend machen, da sich die beiden Verwaltungszweige nicht einigen können. Weder die Mittel der KOV noch die Mittel des Lastenausgleiches stammen aus dem Haushalt des Landes, der vom Bundeshaushalt getrennt und unabhängig ist (Art. 104 a Abs. 1 bis 3, Art. 109 Abs. 1 GG). Die Leistungen der KOV erbringt das Land seit dem 1. April 1950 auf Rechnung des Bundes, der die Aufwendungen für die Kriegsfolgelasten trägt, aus dessen Betriebsmitteln (Art. 120 GG; § 1 Abs. 1 Nr. 8, § 18 Abs. 1 Satz 3, § 21 des 1. Überleitungsgesetzes vom 28. November 1950 - BGBl I 773 - in der Fassung vom 21. August 1951 - BGBl I 779 -, des 4. Überleitungsgesetzes, des Gesetzes vom 28. April 1955 - BGBl I 193 - und des Art. V § 1 Nr. 1 des 2. Neuordnungsgesetzes vom 21. Februar 1964 - BGBl I 85, 99 -; BSG vom 8. September 1970 - 9 RV 488/67 -; BSG vom 18. Dezember 1974 - 2/8/2 RU 121/72; Görg, DÖV 1951, 625, 627). Die Lastenausgleichsleistungen, die ebenfalls vom Bund zu tragende Kriegsfolgelasten sind, werden dagegen von den Landes- oder Gemeindebehörden für Rechnung des Lastenausgleichsfonds erbracht. Dieser Fonds, in den der Soforthilfefonds überführt worden ist (§ 354 LAG), ist ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen des Bundes, das mit Einnahmen und Ausgaben als Anlage zum Bundeshaushalt nachzuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 LAG), und wird gesondert vom allgemeinen Bundeshaushalt, aus dem die Mittel der KOV stammen, geführt (Kühne/Wolff, § 5 LAG, Anm. 3 und 4; BVerwG, Urteil vom 29. August 1968, DÖV 1969, 360). Aus dem Ausgleichsfonds werden nur Ausgleichsleistungen bewirkt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 LAG); ihm werden die Ausgleichsabgaben und andere spezielle Mittel zugeführt (§ 5 Abs. 1); er haftet nicht für andere Verbindlichkeiten als für diejenigen des Sonderfonds (§ 5 Abs. 3 LAG). Wenn somit auf Bundesebene Leistungen zwischen dem Bundeshaushalt und dem Sondervermögen nicht durch Regierungsorgane beliebig ausgeglichen werden können, läßt sich dem Interesse, dies durch ein Gerichtsverfahren zu erreichen, allein auf dem Wege eines Rechtsstreites zwischen Beteiligten auf Landesebene genügen. Der Freistaat Bayern ist wohl durch Belastungen der KOV und des Lastenausgleichs deshalb wirtschaftlich betroffen, weil er für die im März 1950 gewährten Renten aus der KOV keine Bundesmittel erhielt und zum Ausgleichsfonds beträchtliche Zuschüsse leisten muß, teils nach dem Vermögenssteueraufkommen, teils nach den Aufwendungen für Unterhaltshilfe bemessen (§§ 48, 81 SHG, § 6 LAG). Jedoch kann er noch weniger als der Bund durch seine Organe unmittelbar einen Ausgleich zwischen den beiden Verwaltungsbereichen anordnen.

Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit einer etwas anderen Fallgestaltung bestätigt. Wenn für die Gewährung der Unterhaltshilfe nach dem SHG und dem LAG eine kreisfreie Stadt in ihrem übertragenen Wirkungsbereich durch ihr Ausgleichsamt (§ 2 Abs. 2 der Bayerischen Verordnung vom 27. September 1952) oder in einem anderen Bundesland ein beauftragter Landkreis (vgl. BSG, BVBl 1970, 131) zuständig ist, können überhaupt keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage aus dem Gesichtspunkt eines "Insichprozesses" entstehen; die Beziehungen zum Bund und die Beziehungen der beiden Verwaltungsbereiche auf Bundesebene sind aber nicht anders als hier.

Für die Klage (§ 53 SGG) fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, das zusätzlich zur Klagebefugnis für einen "Insichprozeß" bestehen muß (Bodo Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, 1967, S. 13 f, 19 Fn. 74 unter Hinweis auf ähnliche Maßstäbe wie für den zulässigen "Insichprozeß", S. 24 Fn. 95, S. 33, 62). Der Kläger behauptet schlüssig einen einklagbaren Rechtsanspruch i. S. des § 54 Abs. 5 SGG, an dessen Befriedigung ein öffentliches Interesse besteht. Dem steht das Urteil vom 18. Dezember 1974 - 2/8/2 RU 121/72 - nicht entgegen, in dem der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage eines Landes gegen den Bund als Träger der Unfallversicherung verneint hat, wenn Ersatz der vom Bund zu tragenden KOV-Leistungen begehrt wird.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Nach einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsatz kann eine Verwaltung eine ohne rechtlichen Grund erbrachte Ersatz- oder Erstattungsleistung von dem Verwaltungsträger, der sie erhalten hat, zurückfordern (BSG 16, 151, 156; 29, 44, 50; 29, 164, 165 = SozR Nr. 23 zu § 1531 RVO; BSG 29, 249, 250). Die Versorgungsverwaltung kann den Betrag, den sie zur Befriedigung eines Ersatzanspruches an das Ausgleichsamt gezahlt hat, nicht zurückverlangen; denn die Familie R. hatte Ansprüche auf Hinterbliebenenrenten aus der KOV für die Zeit von 1950 bis 1953 und hat diese nicht rückwirkend verloren.

Nach § 30 Abs. 1 KBLG i. V. m. § 594 Abs. 1 Satz 1 RVO aF wurden die Hinterbliebenenrenten auch bei Verschollenheit gewährt. Nach § 594 Abs. 1 Satz 2 RVO aF galt der Angehörige, von dessen Schicksal der Anspruch abhing, als verschollen, wenn während eines Jahres keine glaubhaften Nachrichten von ihm eingegangen waren und die Umstände seinen Tod wahrscheinlich sein ließen. Diese Voraussetzung war 1952 zur Zeit der Entscheidung, auch für die Zeit der Rentenbewilligung ab 1950 gegeben und ist nicht durch das Bekanntwerden von Rs. wirklichem Schicksal rückwirkend fortgefallen. Nach § 594 Abs. 4 RVO aF erlosch nämlich nur "der Anspruch auf fernere Rentenbezüge", falls nachgewiesen wurde, daß der Totgeglaubte noch lebte. Diese Regelung ist jetzt für die Unfallversicherung mindestens ebenso deutlich in § 597 Abs. 4 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) getroffen, wonach die Hinterbliebenenrente mit Ablauf des Monates wegfällt, in dem festgestellt wird, daß ein Versicherter, der als verschollen galt, noch lebt. Die Rente kann in einem solchen Fall nicht für die Vergangenheit zurückgefordert werden (Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Bd. I, § 597, Anm. 11). Gleiches galt für die Verschollenheitsrente in der Rentenversicherung (§ 1259 RVO aF, § 1271 RVO in der Fassung des ArVNG, § 48 AVG in der Fassung des AnVNG) bis 1957 nach § 1289 RVO aF und gilt seitdem nach § 1293 RVO und § 70 Angestelltenversicherungsgesetz neuer Fassung - AVG nF - (RVO-Gesamtkommentar, § 1293, Anm. 1; Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, Kommentar zum AVG, 2./3. Aufl. 1973, § 48 AVG, Anm. B III). Diese Regelungen entsprechen dem allgemeinen sozialrechtlichen System der Eingriffe in die Bestandskraft von Verwaltungsakten über laufende Leistungen, das auch die KOV umfaßt; und daher gilt der für die Unfall- und für die Rentenversicherung ausdrücklich normierte Grundsatz über den "ex nunc"-Wegfall von Verschollenheitsrenten systemgemäß ebenfalls für KOV-Renten, die nach § 52 Abs. 1 BVG (in der 1950 bis 1952 geltenden Fassung vom 20. Dezember 1950 - BGBl I 791 -) gewährt worden sind. Allgemein wird zwischen der Rücknahme von Bescheiden wegen ursprünglicher Unrichtigkeit (jetzt: §§ 41 und 42 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - VerwVG-KOV) und der Änderung für die Zukunft wegen nachträglicher Änderung der für die Entscheidung maßgebend gewesenen Verhältnisse (jetzt: § 62 BVG) unterschieden. Wenn ein Verschollener wieder auftaucht, d. h. wenn sich - nachträglich - herausstellt, daß er noch lebt, war die Bewilligung der Hinterbliebenenrente nicht ursprünglich unrichtig; vielmehr ist ihre Voraussetzung nachträglich fortgefallen, der Bewilligungsbescheid wird also für die Zukunft unrichtig. Dies hatte der 8. Senat des BSG im Urteil vom 20. Mai 1970 (BVBl 1970, 131) nicht als Voraussetzung für eine Rückforderung zu prüfen, weil in jenem Fall die Rentenbewilligung nach § 41 VerwVG-KOV rechtsverbindlich berichtigt worden war. Die gleiche Sachlage bestand in dem Fall, über den das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 14. Januar 1970 (ZLA 1970, 99) entschieden hat, so daß dieses Urteil im Ergebnis der Entscheidung des erkennenden Senats nicht entgegensteht. Daß auch nach § 52 Abs. 1 BVG aF die Renten für die Vergangenheit rechtmäßig bewilligt bleiben, falls der Verschollene wieder auftaucht, folgt zudem aus dem Begriff der Verschollenheit.

Nach § 52 Abs. 1 BVG aF wurde die Hinterbliebenenrente bei Verschollenheit schon vor der Todeserklärung gewährt, wenn das Ableben des Verschollenen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen war. Ergänzend muß die Verschollenheit i. S. d. BVG nach dem allgemeinen Verschollenheitsbegriff des § 1 Verschollenheitsgesetz vom 4. Juli 1939 (RGBl I 1186) und in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Januar 1951 (BGBl I 63) bestimmt werden, soweit § 52 Abs. 1 BVG keine Sonderregelung enthält (BSG, SozR Nr. 2 zu § 52 BVG). Demnach ist verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden. Lediglich die Voraussetzungen im letzten Nebensatz sind im BVG für die KOV dahin abgewandelt, daß der Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.

Sowohl die Unkenntnis vom Aufenthalt des Verschollenen, verursacht durch längeres Fehlen von Nachrichten darüber, ob er noch lebt oder verstorben ist, als auch die dadurch verursachte Ungewißheit über das Fortleben und der dadurch begründete Zweifel, daß er noch lebt (vgl. dazu im einzelnen: BGHZ 3, 230, 234), müssen bei den Familienangehörigen, die Rechtsfolgen aus der Verschollenheit geltend machen (BGHZ 3, 230, 237), wie bei den öffentlichen Stellen, die darüber zu entscheiden haben, hier auch beim Ausgleichsamt, gegeben sein (Wirsel, VersBea 1957, 133, 134; Verbandskommentar zur RVO, 6. Aufl., § 1271, Anm. 3). Dies war hier der Fall, bis nach Februar 1953, also nach dem Zeitraum, für den die an das Ausgleichsamt abgeführten KOV-Renten gewährt wurden, die Ehefrau R. erfuhr, daß ihr Ehemann seit 1948 in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) lebt. Der mithin von einer bestimmten Informationslage gekennzeichnete Zustand der Verschollenheit kann nicht rückwirkend beseitigt werden, sondern nur für die Zukunft von der Nachricht über das Fortleben ab (Wirsel, aaO; Kurth, KOV 1959, 187; Steffens, VersBea 1960, 33; unklar: Schmid-Burgk, KOV 1960, 49, 52 f). Gleiches gilt für die letzte Voraussetzung der Verschollenheit, daß nach den Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tod zu vermuten ist. Diese Annahme stützt sich auf das Fehlen von Nachrichten und auf die dadurch begründete Ungewißheit über das Schicksal, mithin auf Unwissen und Vorstellungen; dieser Zustand bleibt aber unverändert, bis das Fortleben oder das Ableben bekannt wird (Bayer. LSG in Amtsbl. Bayr. AM 1959, B 5 Nr. 481). Außerdem schließt die Annahme, der Verschollene sei verstorben, die Möglichkeit ein, daß er noch lebte (Schmid-Burgk, aaO, S. 51; Steffens aaO; LSG Saarland, Breithaupt 1964, 410), und deshalb kann allein die Tatsache des Überlebens die Bewilligung nicht rückwirkend unrichtig machen. Dagegen hat eine Verschollenheit im gesetzlichen Sinn niemals bestanden, falls den Familienangehörigen von vornherein bekannt war, daß die von ihnen als verschollen angegebene Person noch lebte; eine solche Sachlage, die hier nicht gegeben war, kann auch eine Rücknahme des Bescheides wegen ursprünglicher Unrichtigkeit und eine Rückforderung wegen wissentlich falscher Angaben rechtfertigen (vgl. Bayer. LSG, ZfS 1971, 58, 60; für die Rentenversicherung: Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, § 70 AVG, Anm. B, I; C, I).

Nach Ansicht des Beklagten muß die Verschollenheit außerdem "kriegsbedingt" sein, d. h. im ursächlichen Zusammenhang mit einer Schädigung im versorgungsrechtlichen Sinn (§§ 1 bis 5 BVG) stehen (so auch Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, V. Teil, Hinterbliebenenversorgung, 1971, Anm. 1 b zu § 52 BVG, S. 127; Schmid-Burgk aaO, S. 52); deshalb soll eine Rente zu Unrecht bewilligt worden sein, falls dieser Zusammenhang von vornherein fehlte. Das mag u. U. gelten, wenn jemand ohne jeglichen Zusammenhang mit kriegsbedingten Tatbeständen i. S. des § 1 BVG "verschollen" ist. Der Ehemann R. hatte aber zuletzt im März 1947 aus der Kriegsgefangenschaft (§ 1 Abs. 2 Buchst. b BVG) geschrieben. Daß er sodann von Juli 1948 bis 1953 nicht durch einen solchen Tatbestand weiterhin gehindert war, seine Familie aufzusuchen, schloß das Fortbestehen einer Verschollenheit im versorgungsrechtlichen Sinn nicht aus (ebenso Wirsel aaO; anderer Ansicht: Schmid-Burgk, aaO, S. 52 f: Hancke, Praxis 1968, 247, 252).

Da nach § 594 Abs. 1 Satz 1 RVO aF der Verschollene ein "Versicherter" sein mußte und die Vorschriften über die Unfallversicherung für die KOV nach Art. 1 Abs. 1 KBLG entsprechend galten, mußte der anspruchsbegründende Schädigungstatbestand mit einer versorgungsrechtlichen Schädigung (durch militärischen Dienst usw.) ursächlich zusammenhängen. Gleiches ergibt sich für die Rechtslage nach dem BVG deshalb, weil nach § 52 Abs. 1 BVG aF den Hinterbliebenen der verschollenen Person, falls diese verstorben wäre, eine Rente zustehen müßte, d. h. eine Hinterbliebenenrente gemäß §§ 38 ff. In diesem ursächlichen Zusammenhang muß jedoch nicht die Verschollenheit als selbständige Anspruchsvoraussetzung stehen, vielmehr der infolge Verschollenheit vermutete Tod. Dementsprechend ist in der Rentenversicherung nicht die Verschollenheit, sondern der aufgrund einer Verschollenheit anzunehmende Tod Voraussetzung für den Rentenanspruch und der Versicherungsfall (unter Hinweis auf § 1271 Abs. 3 RVO: RVO-Gesamtkommentar, § 1271 RVO, Anm. 1; Verbandskommentar, § 1271 RVO, Anm. 2). Die Verschollenheitsrente ist keine Sonderart einer Rente für Hinterbliebene neben der wegen des Todes gewährten Rente (jetzt §§ 38 ff BVG), sondern eine Unterart derselben für die Zeit der Verschollenheit bis zur Todeserklärung oder -feststellung (LSG Saarland aaO; Vorberg/van Nuis, aaO, Anm. 1 a) unter einer beweiserleichternden Voraussetzung (ähnlich wie § 292 Satz 1 ZPO): statt des Nachweises (oder der Feststellung) des Todes genügt die Verschollenheit im Zusammenhang mit einer kriegsbedingten Schädigung (BSG vom 22. Oktober 1968 - 9 RV 130/65 - = KOV-Mitteilungen Berlin 1969, 36). Das ist jedoch nicht in dem Sinn zu verstehen, daß Verschollenheit im ursächlichen Zusammenhang mit einer Schädigung als objektiver Zustand eine selbständige Anspruchsvoraussetzung bilden müßte. Vielmehr ist Voraussetzung auch dieser Rentenart der Tod im wahrscheinlichen Zusammenhang mit Schädigungen, aber der aufgrund bestimmter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutete Tod. Diese Anspruchsvoraussetzung gründet sich auf die Verschollenheit als eine weitere Voraussetzung. Die den Familienangehörigen und den zuständigen Behörden bekannten Umstände und nicht die wirklichen Verhältnisse, die ihnen infolge der die Verschollenheit begründenden Sachlage nicht bekannt sind, müssen nicht allein den Tod, sondern auch dessen Zusammenhang mit einer versorgungsrechtlich erheblichen Schädigung wahrscheinlich sein lassen. Nicht nur die Vermutung, daß der Verschollene verstorben ist, sondern auch die weitere Vermutung, daß der Tod infolge einer versorgungsrechtlich geschützten Schädigung eingetreten ist, gründet sich auf dieselben Kenntnisse, die tatsächlich gegeben waren. Diese können nicht durch die spätere Nachricht vom wirklichen Schicksal des Verschollenen rückwirkend beseitigt werden. Dann kann auch nicht die daraus abgeleitete Schlußfolgerung von Anfang an unrichtig werden. Im vorliegenden Fall war die Vermutung des schädigungsbedingten Todes wegen der letzten Nachricht aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft von 1947 aufgrund der allgemeinen Erfahrung über die große Sterblichkeit der Kriegsgefangenen berechtigt. Daran hat sich mithin durch die 1953 erlangte Kenntnis vom wirklichen Schicksal des Verschollenen nichts geändert.

Dieses Ergebnis ist nicht unvereinbar mit der rückwirkenden Berichtigungsmöglichkeit in den Fällen, in denen der Tod, wie sich nachträglich herausstellt, irrtümlich amtlich gemeldet oder festgestellt worden war und dies zur Rentenbewilligung geführt hatte. In diesen Fällen war eine Statusänderung mit Wirkung für alle Rechtsgebiete eingetreten, und deren Folgen müssen, wenn die tatsächliche Voraussetzung widerlegt ist, unter Umständen rückwirkend beseitigt werden, mag auch ein Rückforderungsanspruch ausgeschlossen sein. Dagegen beruht die Verschollenheitsrente auf unsicheren Voraussetzungen, und diese können nur durch die Gewißheit für die Zukunft entfallen. Den Träger der Rentenlast für die Zwischenzeit unabänderlich zu verpflichten, ist vom Gesetz in Kauf genommen worden. Systemgerecht ist der der Entlastung dienende Rückgriffsanspruch gegen die wieder aufgetauchte Person gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 BVG in der Fassung seit dem 1. Neuordnungsgesetz (1. NOG) aufgrund der Fiktion einer Geschäftsführung ohne Auftrag (BVerfG 18, 429, 436 ff). Aus dieser Regelung kann jedoch nichts für die hier zu entscheidende Streitfrage gefolgert werden. Die KOV statt den Lastenausgleich mit den Renten für die Zeit bis zur Aufklärung des Schicksals endgültig zu belasten, ist im Ergebnis sachgemäß, weil die zeitweilige Ungewißheit über das Schicksal des Verschollenen letzten Endes auf dessen Kriegsdienst zurückzuführen war.

Falls die Ehe der Eheleute R. durch eine Wiederverheiratung des Ehemannes in der sowjetischen Besatzungszone nach einer Todeserklärung der ersten Ehefrau aufgelöst worden wäre (§ 38 Abs. 2 EheG i. d. F. des Kontrollratsgesetzes Nr. 16 vom 20. Februar 1946 - KRAB S. 77 -), so hätte dies den Anspruch auf Verschollenheitsrente für die erste Ehefrau nicht beseitigt; denn die zweite Ehe wurde erst im Februar 1952, also nicht vor dem Zeitpunkt geschlossen, in dem der Tod des R. als eingetreten vermutet wurde; auch für die Witwenrente nach § 38 BVG braucht die Anspruchsvoraussetzung, daß eine Ehe bestand, nur z. Z. des nachgewiesenen oder im Todeserklärungsverfahren festgestellten Todeszeitpunktes bestanden zu haben.

Da die Renten der Familie R. nicht zu Unrecht bewilligt worden sind, erübrigen sich Rechtsausführungen über eine notwendige Berichtigung ihnen gegenüber als Voraussetzung für den hier umstrittenen Anspruch.

Da der vom Versorgungsfiskus erhobene Anspruch nicht besteht, ist die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650489

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